Dienstag, 19. März 2024
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Vulvakrebs (Vulvakarzinom)

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Vulvakrebs (Vulvakarzinom)
© Jochen Schönfeld - stock.adobe.com
Die Karzinogenese des Vulvakarzinoms ist bis heute noch nicht in ihrer ganzen Komplexität geklärt. Es wird von 2 unterschiedlichen Tumorentitäten ausgegangen: dem Vulvakarzinom der jungen Frau mit oft positivem HPV-Nachweis, histologisch undifferenzierten, basaloiden oder condylomatösen Typen und nicht selten einer Kombination mit Karzinomen der Zervix und/oder des Anus oder deren Vorstufen (multizentrisches Auftreten) (2). Die Prädilektionsstelle der Tumore ist die Region zwischen Klitoris und Urethra (ca. 40%).
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Was ist das Vulvakarzinom?

Das Vulvakarzinom (Vulvakrebs) ist eine gynäkologische Krebserkrankung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane. Manchmal wird auch vom Schamlippenkrebs gesprochen, weil meist die großen Schamlippen, seltener auch die kleinen Schamlippen oder die Klitoris betroffen sind. In Deutschland erkranken jährlich etwa 4.000 Frauen an Vulvakrebs, d. h. etwa 1-2 von 100.000 Frauen. Lange Zeit war die Mehrzahl der Patientinnen über 70 Jahre alt; inzwischen sind zunehmend auch jüngere Frauen betroffen und auch die Gesamtzahl der Neuerkrankungen  hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt.
 
 

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© Christoph Burgstedt - stock.adobe.com

Was sind erste Symptome von Vulvakrebs?

Die Hälfte der betroffenen Frauen bleibt lange Zeit ohne Beschwerden. Eine Früherkennung durch einen Abstrich ist nicht möglich, und die ersten Symptome können recht unspezifisch sein, wie
 
  • Juckreiz an der Vulva
  • Schmerzen oder Brennen in der Vulvaregion oder beim Wasserlassen
  • wunde Stellen (Hautläsionen) an der Vulva, die nicht heilen oder nässen
  • weiße Beläge an der Vulva, die sich nicht abwaschen lassen
  • dunkle Hautbereiche an der Vulva
  • erhabene Stellen, Knötchen oder andere kleine Hautgeschwülste
Diese Beschwerden können Anzeichen einer bösartigen Erkrankung sein, können aber auch andere Ursachen haben. Wenn Sie solche Symptome bemerken, sollten Sie einen Frauenarzt oder eine Frauenärztin aufsuchen.

Was sind Risikofaktoren für Vulvakrebs?

Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht im Detail bekannt; die Entstehung wird aber begünstigt durch Risikofaktoren wie:
 
  • Lichen sclerosus, eine nicht-ansteckende, chronische Hauterkrankung im Genitalbereich
  • Zellveränderungen an der Vulva, wie vulväre intraepitheliale Neoplasie (VlN)
  • Infektion mit humanen Papillomviren (HPV), insbesondere HPV Typ 16, 31, 33
  • Immunschwäche, beispielsweise aufgrund einer HIV-Infektion
  • Tabakrauchen
  • mangelnde Genitalhygiene
  • höheres Alter; viele Patientinnen haben das 60. Lebensjahr überschritten

Welche Typen von Vulvakarzinom gibt es?

Die Erkrankung tritt in verschiedenen Formen auf:
 
  • Plattenepithelkarzinome (>95% der Fälle)
  • Basalzellkarzinome, d.h. weißer Hautkrebs (ca. 5% der Fälle)
  • Karzinome mit Ursprung in Bartholin'schen Drüsen (selten)
Bei 9 von 10 Patientinnen geht Vulvakrebs von den Deckzellen der obersten Haut- oder Schleimhautschicht aus. Bei diesen Plattenepithelkarzinomen unterschiedet man
 
  • verhornende Plattenepithelkarzinome: treten vor allem bei älteren Frauen auf und entstehen auf Basis einer degenerativen und chronisch-entzündlichen Hauterkrankung wie Lichen sclerosus
  • nicht-verhornende Plattenepithelkarzinome: treten meist bei jüngeren Frauen auf (durchschnittlich 55 Jahre). Die Entstehung geht meist von einer andauernden Infektion mit humanen Papillomviren aus (insbesondere HPV 16, 31 und 33). Eine HPV-Impfung beugt gegen eine Infektion mit HPV 16 und 18 vor und kann zumindest einen Teil des Risikos für Vulvakrebs senken.
     
     

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    Erschienen am 05.06.2018In einer Kohortenstudie entwickelten von 100.960 Patienten mit potentiell HPV-assoziiertem Krebs 7,3% ein SPM.

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    Kateryna_Kon/Fotolia.com

Wie schnell wächst Vulvakrebs?

Ein Vulvakarzinom, das vom Oberflächenepithel ausgeht, wächst eher langsam und kann mehrere Jahre an der Oberfläche verbleiben. Eine häufige Vorstufe ist die vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN), die sich im Oberflächenepithel der Vulva durch Zellveränderungen bildet. Vulvakrebs mit anderem Ursprung wächst häufig schneller. Voraussagen zur individuellen Wachstumsgeschwindigkeit sind schwierig und von der Situation der einzelnen Patientin bestimmt.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose ist häufig ein Zufallsbefund bei der gynäkologischen Untersuchung zur Vorsorge. Fällt hier an der Vulva oder Scheide etwas Ungewöhnliches auf, werden diese mit einer Lupe (Vulvoskopie) oder Ultraschall genauer untersucht. Bei weiterem Verdacht kann eine Gewebeprobe (Biopsie) aus dem verdächtigen Bereich abgenommen und untersucht werden.

Wird ein Tumor festgestellt, werden Ausmaß und Ausbreitung mithilfe bildgebender Verfahren bestimmt. Hierzu zählen u.a. Endoskopie des Enddarms (proktologische Untersuchung) und der Harnwege (Urethrozystoskopie), ggf. auch Magnetresonanztomografie (MRT), Röntgen oder in Ausnahmefällen Positronen-Emissions-Tomografie/Computertomografie (PET/CT). Bei kleinen Tumoren kann eine Lymphknotenbiopsie des Wächterlymphknotens (Sentinel Nodes) zeigen, ob sich hier bereits Krebszellen abgesiedelt haben.

Stadieneinteilung des Vulvakarzinoms

Die TNM-Klassifikation dient zur Einstufung und beschreibt, wie weit sich der Tumor ausgebreitet hat und ob Lymphknoten und andere Organe befallen sind. Anhand der histologischen Daten, Tumorgröße, Invasionstiefe, Lymphknotenbefall und Vorliegen von Metastasen wird das FIGO-Stadium bestimmt:  
 
  • Stadium FIGO I: Tumor ist auf Vulva begrenzt
  • Stadium FIGO II: Tumor mit Ausbreitung auf angrenzende Organstrukturen
  • Stadium FIGO III-IVa: Tumor mit Ausbreitung auf angrenzende Organstrukturen und Befall der Lymphknoten
  • Stadium FIGO IVb: Tumor mit Ausbreitung auf angrenzende Organstrukturen, Befall der Lymphknoten und Fernmetastasen

Wie wird Vulvakrebs behandelt?

Je nach Stadium erfolgt die Therapie durch  
  Wenn möglich, wird die Erkrankung durch eine operative Therapie behandelt. Hierbei wird der Krebs mit einem Rand von gesundem Gewebe entfernt. Wird ein größerer Bereich oder die gesamte Vulva entfernt, spricht man von Vulvektomie.  Bei größeren Tumoren müssen oft auch die Lymphknoten der Leiste entfernt werden.

Bei einer Bestrahlung (Strahlentherapie, Radiotherapie) werden energiereiche Strahlen wie Röntgenstrahlen und Protonen eingesetzt, um Krebszellen abzutöten oder am weiteren Wachstum zu hindern.

In fortgeschrittenem Stadium, wenn die Krebserkrankung sich bereits durch (Fern-) Metastasen auf andere Körperregionen ausgebreitet hat (metastasiertes Vulvakarzinom) und eine Operation nicht möglich ist, kann auch eine Chemotherapie als Behandlung in Betracht gezogen werden. Hierbei werden Medikamente eingesetzt, die das Zellwachstum stoppen oder die Zellen zum Absterben bringen. Beim Vulvakarzinom sind dies häufig die Zytostatika 5-Fluorouracil (5-FU) in Kombination mit Cisplatin oder Mitomycin C.
 
 

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Chirurgische Therapie des Vulvakarzinoms

Erschienen am 17.10.2020Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Das Vulvakarzinom ist die vierthäufigste gynäkologische Krebsart.

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© SciePro - stock.adobe.com
Vulvakrebs spricht im Allgemeinen relativ schlecht auf Strahlen- und Chemotherapie an, sodass eine Operation in der Regel die Therapie der Wahl ist. Wenn diese nicht möglich ist oder zu umfangreich wäre, kann vorab eine Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie (Radio-Chemotherapie) als neoadjuvante Therapie durchgeführt werden, um die Tumorgröße zu verringern.

Weil die Substanzen der Chemotherapie nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf gesunde Zellen wirken, kommt es im Rahmen der Therapie häufig zu Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Haarausfall oder Schwächung des Immunsystems. Hierfür stehen Medikamente zur Linderung der Beschwerden zur Verfügung.

Bei  weit fortgeschrittenem Stadium und unwahrscheinlicher Heilung, wird eine Palliativtherapie eingeleitet, um zumindest die Beschwerden der Patientin zu lindern.

Was passiert bei einem Rückfall?

Auch nach erfolgreicher Behandlung kann der Tumor erneut wachsen und als Rezidiv (Rückfall)  an der Vulva, in den Lymphknoten oder an anderer Stelle im Körper auftreten. Rezidive werden ähnlich wie beim ersten Auftreten behandelt.

Die Überlebensrate bei Vulvakrebs ist abhängig vom Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose. Die relative 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit liegt im Durchschnitt bei 71%, d. h 7 von 10 Patienten überleben mindestens 5 Jahre. Wie bei den meisten Tumoren gilt auch hier – je früher der Krebs erkannt wird, desto besser die Aussichten. So sinkt die Wahrscheinlichkeit von 79% bei FIGO I auf 13 % bei FIGO IV. 

Weitere Informationen finden Sie in der S2k Vulvakarzinom-Leitlinie der Fachgesesellschaften.
Literatur:

(1) Vulvakrebs, Onko-Internetportal der Deutschen Krebsgesellschaft
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/andere-krebsarten/vulvakrebs.html
(2) Bayerische Krebsgesellschaft e.V. Patientenratgeber Gynäkologische Tumoren, dkg-web.gmbh, 2.Auflage Juli 2016. https://www.bayerische-krebsgesellschaft.de
(3) S2k-Leitlinie Vulvakarzinom, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen. Dt. Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Leitlinienprogramm, AWMF Registernummer 015/059, August 2015. https://www.ago-online.de › downloads › _leitlinien
(4) Eine Patientenleitlinie für Frauen mit Krebs der äußeren Geschlechtsorgane, Leitlinie für Patientinnen, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V., 2021
https://www.ago-online.de › downloads ›
(5) Vulvakrebs / Vulvakarzinom https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/vulvakrebs/
(6) Humane Papillomviren (HPV) als Krebs-Auslöser https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/hpv2.php

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