Prostatakarzinom
Palma Pelaj B.A.Prostatakrebs ist mit Abstand die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland – doch dank früher Diagnostik und differenzierter Therapieansätze sind die Heilungschancen in frühen Stadien sehr gut. In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem, welche Subtypen es gibt, wie sich Risikofaktoren auswirken und welche modernen Behandlungsstrategien – von aktiver Überwachung bis hin zur zielgerichteten Therapie – heute zur Verfügung stehen.
Was ist ein Prostatakarzinom?
Das Prostatakarzinom ist ein bösartiger Tumor, der vom Drüsenepithel der Vorsteherdrüse (Prostata) des Mannes ausgeht. Die meisten Tumoren entstehen in der peripheren Zone der Prostata. Mit jährlich etwa 65.000 Neuerkrankungen ist es die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an Prostatakrebs zu erkranken, liegt bei rund 11,9% [1].
Welche Arten des Prostatakarzinoms gibt es?
Die weitaus häufigste Form des Prostatakarzinoms ist das Adenokarzinom, das sich aus den sekretorischen Drüsen der Prostata entwickelt. Es existieren jedoch auch seltenere histologische Subtypen, die sich hinsichtlich Prognose und Therapieansprechen deutlich unterscheiden [1]:
Azinäres Adenokarzinom
Über 95 % aller Prostatakarzinome gehören dieser Gruppe an. Das azinäre Adenokarzinom entsteht aus den Epithelzellen der prostatischen Drüsen und wird durch das typische histologische Bild mit Drüsenformationen diagnostiziert.
Duktales Adenokarzinom
Diese seltener vorkommende Variante wächst in den Ausführungsgängen der Prostata und neigt zu einem aggressiveren Verlauf mit früherer Metastasierung. Sie wird meist zusammen mit einem azinären Anteil diagnostiziert und histopathologisch gesondert ausgewiesen.
Übergangszellkarzinom (Urothelkarzinom)
Nur in Ausnahmefällen geht das Urothelkarzinom primär von der Prostata aus. Meist handelt es sich um eine sekundäre Infiltration durch ein Blasenkarzinom. Die Behandlung erfolgt daher nach den Leitlinien für Urothelkarzinome der Harnblase.
Plattenepithelkarzinom
Diese Form ist äußerst selten und zeichnet sich durch eine hohe Aggressivität und schlechte Prognose aus. Sie spricht in der Regel nicht auf Hormontherapie an.
Kleinzelliges (neuroendokrines) Prostatakarzinom
Neuroendokrine Tumoren der Prostata, insbesondere das kleinzellige Karzinom, sind sehr selten, verlaufen aber hochaggressiv. Sie kommen meist als „therapieinduzierte“ Transformation bei kastrationsresistentem Prostatakarzinom vor und erfordern eine systemische Chemotherapie analog zu kleinzelligen Bronchialkarzinomen.
Welche Ursachen und Risikofaktoren sind für das Prostatakarzinom bekannt?
Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Prostatakarzinoms sind weiterhin nicht abschließend geklärt. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem genetische Prädisposition, Lebensstil und Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Gesichert ist jedoch, dass bestimmte Risikofaktoren das Erkrankungsrisiko deutlich erhöhen [1]:
Alter: Das Erkrankungsrisiko steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an. Über 90 % der Diagnosen betreffen Männer über 60 Jahre.
Familiäre Belastung: Ein erhöhtes Risiko besteht bei Männern mit einem oder mehreren an Prostatakarzinom erkrankten Verwandten ersten Grades. Das Risiko ist besonders hoch, wenn mehrere Familienmitglieder betroffen sind oder das Erkrankungsalter unter 60 Jahren liegt.
Genetische Faktoren: Mutationen in bestimmten Genen wie BRCA2, BRCA1 und HOXB13 sind mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko assoziiert und können auch Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen.
Ethnische Herkunft: Afroamerikanische Männer und Männer afrikanischer Abstammung haben ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Männern asiatischer Herkunft.
Ernährung und Lebensstil: Der Einfluss der Ernährung wird kontrovers diskutiert. Es gibt Hinweise, dass ein hoher Konsum tierischer Fette und rotem Fleisch das Risiko erhöhen könnte. Kalziumreiche Ernährung wird ebenfalls als möglicher Risikofaktor genannt.
Adipositas: Übergewicht scheint weniger Einfluss auf die Entstehung, aber möglicherweise auf den Verlauf bzw. die Prognose der Erkrankung zu haben.
Welche Symptome können bei einem Prostatakarzinom auftreten?
Prostatakrebs verursacht im Frühstadium häufig keine Beschwerden. Wenn Symptome auftreten, ähneln sie oft denen einer gutartigen Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie, BPH) und erschweren somit die frühzeitige Diagnose. Dazu gehören vor allem Probleme beim Wasserlassen. In fortgeschritteneren Stadien können sich aber auch spezifischere Beschwerden zeigen, insbesondere wenn sich der Tumor über die Prostata hinaus ausgebreitet hat [1].
Mögliche Symptome eines Prostatakarzinoms [1]:
Häufiger Harndrang (Pollakisurie), auch nachts (Nykturie)
Schwierigkeiten beim Wasserlassen (Dysurie), schwacher oder unterbrochener Harnstrahl
Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen
Blut im Urin (Hämaturie)
Schmerzhafte Ejakulation oder Blut im Sperma
Dumpfe Schmerzen im unteren Beckenbereich
Schmerzen im unteren Rücken, Becken, in der Hüfte oder den Oberschenkeln
Ungewollter Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit
Anämiebedingte Müdigkeit
Knochenschmerzen bei Vorliegen von Metastasen (insbesondere Wirbelsäule, Becken, Rippen)
Pathologische Frakturen bei fortgeschrittener Knochenbeteiligung
Nicht alle dieser Symptome deuten eindeutig auf ein Prostatakarzinom hin. Dennoch sollten neu auftretende oder persistierende Beschwerden ärztlich abgeklärt werden – insbesondere bei Männern über 50 Jahren oder mit familiärer Vorbelastung [1].
Wie erfolgt die Diagnose eines Prostatakarzinoms?
Erstabklärung bei Verdacht
Bei einem auffälligen PSA-Wert (≥ 4 ng/ml) oder einem verdächtigen Tastbefund in der digital-rektalen Untersuchung (DRU) erfolgt die weiterführende Diagnostik [1]:
PSA-Test (Prostata-spezifisches Antigen): Ein erhöhter Wert kann ein Hinweis auf ein Karzinom sein, ist jedoch nicht spezifisch und muss in Zusammenschau mit anderen Befunden bewertet werden.
Digitale-rektale Untersuchung (DRU): Die Prostata wird über den Enddarm abgetastet, um Veränderungen in Größe, Konsistenz oder Struktur zu erkennen.
Multiparametrische MRT (mpMRT): Vor jeder Biopsie sollte eine mpMRT durchgeführt werden. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, klinisch signifikante Tumoren zu erkennen, und reduziert unnötige Biopsien.
Biopsie [1]
Systematische transrektale oder transperineale Biopsie: Standardverfahren mit Entnahme von mindestens 10–12 Stanzen.
MRT-gestützte gezielte Biopsie: Wird ergänzend durchgeführt, wenn die mpMRT auffällige Areale zeigt (PI-RADS ≥3).
Histologische Auswertung: Die Proben werden nach dem Gleason-System (heute: ISUP Grade Groups 1–5) klassifiziert, um den Differenzierungsgrad und damit die Aggressivität des Tumors zu beurteilen.
Risikoklassifikation
Für die Einteilung in niedriges, intermediäres oder hohes Risiko werden folgende Parameter berücksichtigt [1]:
PSA-Wert
Tumorstadium (T-Kategorie)
ISUP-Gradgruppe (ehemals Gleason-Score)
Bildgebende Verfahren zur Stadienbestimmung
Ab einem intermediären Risikoprofil sollte eine Bildgebung zur Metastasensuche erfolgen [1]:
PSMA-PET/CT oder PSMA-PET/MRT: bevorzugtes Verfahren, da es sensibler und spezifischer als CT oder Skelettszintigrafie ist.
Alternativ (falls PSMA-PET nicht verfügbar): CT des Abdomens/Beckens und Knochenszintigrafie.
Genetische und molekulare Diagnostik [1]
Eine routinemäßige genomische Testung ist nicht empfohlen.
In Ausnahmefällen kann sie zur besseren Abschätzung des Metastasierungsrisikos oder bei familiärer Belastung (z. B. BRCA2-Mutation) sinnvoll sein.
Wie wird ein Prostatakarzinom behandelt?
Die Behandlung des Prostatakarzinoms richtet sich nach dem Krankheitsstadium, dem Risikoprofil und der individuellen Lebenserwartung. Ziel der Therapie ist die Heilung oder – in fortgeschrittenen Stadien – die Lebensverlängerung und Symptomkontrolle bei bestmöglicher Lebensqualität [1].
Stadium I und II: Niedriges bis intermediäres Risiko
Bei lokal begrenztem Prostatakarzinom kommen folgende Optionen infrage [1]:
Aktive Überwachung (Active Surveillance): Bei Niedrigrisiko-Karzinomen mit günstiger Prognose und längerer Lebenserwartung.
Abwartendes Beobachten (Watchful Waiting): Bei asymptomatischen Patienten mit begrenzter Lebenserwartung.
Radikale Prostatektomie mit pelviner Lymphadenektomie: Operative Entfernung der Prostata. Bei intermediärem Risiko ggf. mit adjuvanter oder salvage Radiotherapie.
Externe Strahlentherapie (IMRT/VMAT): Als alleinige kurative Maßnahme, je nach Risiko ggf. kombiniert mit kurzzeitiger Androgendeprivationstherapie (ADT).
Brachytherapie (LDR oder HDR): Bei ausgewählten Patientengruppen, v. a. mit niedrigem oder intermediärem Risiko.
Stadium III: Lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom
Bei Tumoren mit extrakapsulärer Ausbreitung oder hohem Risiko umfasst die Therapie in der Regel [1]:
Externe Strahlentherapie + Langzeit-ADT (2–3 Jahre): Standard bei inoperablen oder nicht-operierten Tumoren.
Radikale Prostatektomie + adjuvante oder salvage Radiotherapie: Bei operablen Patienten nach individueller Risikoabwägung.
Androgendeprivationstherapie: Bei symptomatischen Patienten mit hoher Tumorlast oder Komorbidität.
Supportivmaßnahmen: TURP bei obstruktiven Symptomen, Schmerzbehandlung, psychosoziale Unterstützung.
Stadium IV: Metastasiertes Prostatakarzinom
Hormon-sensitives Prostatakarzinom (mHSPC)
Die Standardtherapie besteht aus [1]:
Androgendeprivationstherapie (ADT) mittels GnRH-Agonisten oder -Antagonisten oder durch Orchiektomie
Kombination mit einem der folgenden Wirkstoffe:
Abirateron + Prednison
Enzalutamid oder Apalutamid
Docetaxel (v. a. bei hoher Tumorlast)
Die Wahl der Kombination richtet sich nach Metastasenlast, Komorbiditäten und Patientenpräferenz [1].
Kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC)
Wenn der Tumor trotz ADT weiter wächst, kommen folgende Optionen infrage:
Zweitgenerations-Antiandrogene: Enzalutamid, Abirateron
Chemotherapie: Docetaxel, ggf. Cabazitaxel bei Progression
Radium-223: Bei symptomatischen ossären Metastasen ohne viszerale Beteiligung
PSMA-Radioligandentherapie (z. B. Lutetium-177-PSMA): Für ausgewählte Patienten mit PSMA-positiver Bildgebung nach Versagen anderer Therapien
Palliative Therapie
Wenn eine kurative Behandlung nicht möglich ist, zielt die Therapie auf die Kontrolle tumorbedingter Symptome und Erhalt der Lebensqualität [1]:
Schmerztherapie
Supportive Maßnahmen (TURP, medikamentöse Kontrolle von Miktionsstörungen)
Supportive Maßnahmen (TURP, medikamentöse Kontrolle von Miktionsstörungen)
Welche Früherkennungsmaßnahmen gibt es für das Prostatakarzinom?
Die frühzeitige Diagnose eines Prostatakarzinoms verbessert die Chance auf eine heilende Therapie. Da frühe Stadien oft asymptomatisch verlaufen, spielt die Früherkennung eine zentrale Rolle. Zwei Untersuchungsmethoden kommen dabei infrage [1]:
Digital-rektale Untersuchung (DRE)
Bei der DRE tastet der Arzt mit einem behandschuhten Finger die Prostata über den Enddarm ab. Lassen sich dabei Verhärtungen, Asymmetrien oder andere Auffälligkeiten feststellen, kann dies ein Hinweis auf eine gutartige Vergrößerung oder ein bösartiges Geschehen sein. Allein zur Früherkennung reicht die DRE allerdings nicht aus, da ihre Aussagekraft begrenzt ist.
PSA-Test
Der PSA-Test misst die Konzentration eines Prostata-spezifischen Eiweißstoffes im Blut. Ein erhöhter Wert kann auf eine Entzündung, eine gutartige Prostatavergrößerung oder ein Karzinom hinweisen. Die S3-Leitlinie empfiehlt, Männern ab 45 Jahren (bei familiärer Vorbelastung ab 40 Jahren) nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken des Tests die Durchführung einer PSA-Bestimmung anzubieten. Die Entscheidung sollte individuell getroffen werden („shared decision making“). Ein einzelner PSA-Wert ist nicht ausreichend – entscheidend sind auch die PSA-Dynamik und ergänzende Befunde.
Wie sieht die Prognose mit einem Prostatakarzinom aus?
Die Prognose für das Prostatakarzinom ist insgesamt sehr günstig – insbesondere, wenn die Erkrankung in einem frühen Stadium erkannt wird. Etwa 80–85% der Diagnosen erfolgen in einem lokal begrenzten oder regionalen Stadium, bei dem die 5-Jahres-Überlebensrate über 95% beträgt. In späteren Stadien, insbesondere mit Metastasierung, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich [1].
Die Prognose hängt von mehreren Faktoren ab, darunter PSA-Ausgangswert, histologisches Grading (z. B. Gleason-Score bzw. ISUP-Grad), Tumorstadium und individueller Gesundheitsstatus. Auch das Ansprechen auf die initiale Therapie beeinflusst den weiteren Verlauf. Die S3-Leitlinie 2025 empfiehlt eine Einteilung nach Risikogruppen, um Therapieentscheidungen und Prognose individuell besser abzustimmen [1].
Häufig gestellte Fragen zum Thema Prostatakarzinom
Rund um das Thema Prostatakarzinom stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patienten-FAQ finden Sie die häufigsten Fragen – und aktuelle, medizinisch fundierte Antworten, verständlich und klar erklärt.
Literatur:
- (1)
S3-Leitlinie Prostatakarzinom. Stand 01.06.2025. Abrufbar unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom (zuletzt aufgerufen am: 17.07.25)