Dienstag, 19. März 2024
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Chronische myeloische Leukämie (CML)

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Chronische myeloische Leukämie (CML)
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Die chronische myeloische Leukämie ist eine langsam fortschreitende, maligne Erkrankung des blutbildenden Systems, die zu den myeloproliferativen Neoplasien zählt. Genetische Veränderungen in weißen Blutkörperchen führen zur unkontrollierten Vermehrung maligner Zellen bis hin zur Blastenkrise. Mithilfe einer zielgerichteten Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) wie Imatinib lässt sich eine frühzeitig erkannte Erkrankung gut beherrschen und häufig eine relativ normale Lebenserwartung erreichen.
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Was bedeutet chronische myeloische Leukämie?  

Bei Leukämien unterscheidet man zwischen akuten und chronischen Leukämien. Die landläufige Bezeichnung „Blutkrebs“ ist sehr ungenau. Eine CML
 
  • ist eine chronische Leukämie
  • schreitet langsam voran
  • geht von reifen myeloischen Zellen aus, die im Gesunden als Vorläuferzellen der angeborenen Immunabwehr dienen
     
     

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    Erschienen am 25.04.2022Erfahren Sie hier mehr über den hohen Bedarf an wirksamen und sicheren CML-Therapien bei unzureichendem Ansprechen oder starken Nebenwirkungen.

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Welche Symptome treten bei einer CML auf?

Anfangs treten unspezifische Symptome auf, wie
 
  • Müdigkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Nachtschweiß
  • Gewichtsverlust
  • vergrößerte Lymphknoten und Milz
  • blasse Haut
  • Neigung zu Blutungen
  • blaue Flecken
Im fortgeschrittenen Stadium kommen weitere Symptome hinzu, wie:
 
  • Fieber
  • stark vergrößerte Lymphknoten
  • zunehmende Vergrößerung der Milz (Splenomegalie)
  • Hautveränderungen  

Wie wird eine CML vom Arzt festgestellt?

Die Mehrzahl der Fälle ist ein Zufallsbefund im Rahmen einer anderen medizinischen Problematik. Zur Diagnose dienen

•    körperliche Untersuchung
•    Blutbild (Laboruntersuchung des Blutes)
•    Untersuchung des Knochenmarks (Knochenmarksaspirat)
•    zytogenetische und molekulare Tests

Anhand der Zahl weißer Blutkörperchen (Leukozytose), roter Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) werden andere Ursachen wie Infekt und Entzündung ausgeschlossen. Weil sich alle Blutzellen im Knochenmark entwickeln, wird auch eine Knochenmarkprobe auf veränderte Zellen untersucht. Hier wird besonders auf unreife Vorstufen der Granulozyten sowie sehr unreife Leukozyten (Blasten) geachtet. Außerdem werden zytogenetische und molekulare Tests notwendig, um das charakteristische Philadelphia-Chromosom im Kern der Leukämiezellen zu detektieren.
 
 

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Erschienen am 22.02.2022Was gab es beim ASH 2021 Neues zur CML? Prof. Saußele fasst die wichtigsten und interessantesten Beiträge hier zusammen.

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Was ist das Philadelphia-Chromosom?      

Die Ursache der CML ist das sog. Philadelphia-Chromosom, das nach seinem Entdeckungsort benannt ist. Das Ph-Chromosom wird durch Verschiebung (Translokation) von genetischem Material zwischen Chromosom 22 und Chromosom 9 gebildet. Hierdurch wird Chromosom 22 deutlich verkürzt und als Philadelphia-Chromosom bezeichnet.

Infolge der Translokation kommen die Gene BRC und ABL direkt nebeneinander zu liegen. Durch das Ablesen des BCR-ABL-Fusionsgens wird ein Enzym namens Tyrosinkinase gebildet, das als Onkogen wirkt und die Teilung der Leukämiezellen vorantreibt.

Das Philadelphia-Chromosom ist spezifisch für die CML, d. h. es kommt nur bei CML-Patienten vor. Es lässt sich bei 90% der CML-Patienten mit zytogenetischen Methoden nachweisen, bei 5% der Patienten sind hierzu weitere Labormethoden nötig, wie Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR). Beim Auffinden spricht man von Philadelphia-Chromosom-positiven Zellen (Ph+), die zur Bestätigung von Diagnose und Voranschreiten der Krankheit dienen.

Wer kann eine CML bekommen?

Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, wobei die meisten Fälle um das Alter 55-60 Jahre herum festgestellt werden. Dabei sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 1.000 bis 1.200 Menschen neu an einer chronischen myeloischen Leukämie.

Was sind Risikofaktoren für eine CML?

Risikofaktoren für die Entstehung einer CML sind: 
 
  • ionisierende Strahlung (z.B. durch Radioaktivität)
  • Rauchen
  • verschiedene Chemikalien, wie Benzol

Wie verläuft eine CML?

Die CML ist eine chronische Erkrankung von Blutzellen der myeloischen Reihe. Unbehandelt verläuft sie in 3 Phasen
 
  • chronische Phase
  • akzelerierte Phase
  • Blastenphase (Blastenkrise)
Die Anfangsphase, auch chronische Phase genannt, kann 5 bis 6 Jahre andauern. Währenddessen schreitet die Krankheit sehr langsam voran; allerdings steigt langsam die Anzahl der (noch normal erscheinenden) weißen Blutkörperchen und Blutplättchen an. Während der chronischen Phase treten eher unspezifische Symptome auf. Weil die Möglichkeiten der Behandlung hier noch gut sind, ist es wichtig, die Erkrankung rechtzeitig zu detektieren.

Bleibt die CML unentdeckt und unbehandelt, treten nach und nach immer mehr Leukämiezellen im Knochenmark und peripheren Blut auf. Die Leukämie beschleunigt sich in dieser akzelerierten Phase und der Zustand der Patienten verschlechtert sich. Dabei wird die normale Blutbildung imer mehr zurückgedrängt, und es kommt zunehmend zur Blutarmut (Anämie), vergrößerter Milz (Splenomegalie) und Zunahme der Leukämiezellen (Blasten) im Knochenmark und Blut.

In der dritten Phase, der Blastenphase (Blastenkrise), sammeln sich große Mengen von Blasten in Blut und Knochenmark an ( ≥ 20% ); darüber hinaus finden sich Blasten in den Knochen, im zentralem Nervensystem  und der Haut. Gleichzeitig nimmt die Zahl der roten Blutkörperchen, der neutrophilen Granulozyten (gesunde weiße Blutkörperchen) und der Blutplättchen weiter stark ab, was Infektionen, Blässe, Blutergüsse und Blutungen nach sich zieht.
 
 

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Erschienen am 17.10.2021Wann ist ein kontrolliertes Absetzen des TKI mit dem Ziel des Erhalts der TFR bei der chronischen myeloischen Leukämie möglich?

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Was sind  Therapieziele bei CML?

Die Behandlung einer CML zielt auf
 
  • hämatologische Remission (Normalisierung der Blutbildung/Nachweis im Blutbild)
  • molekulare Remission (Verringerung der Leukämiezellen/Nachweis mit molekularer Analyse des BCR-ABL-Gens)

Wie wird eine CML behandelt?

Zur Erstlinientherapie (erste Therapie) dienen
 
  • Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) wie Imatinib, Dasatinib,  Nilotinib, Ponatinib u.a.
Diese zielgerichtete Therapie richtet sich gegen das Enzym Tyrosinkinase, das die Zellteilung der Leukämiezellen vorantreibt. Der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Imatinib (Glivec®) war 2001 der erste TKI auf dem Markt, der spezifisch die Aktivität der BCR-ABL-Tyrosinkinase hemmt. Seitdem hat sich die Lebenserwartung der Patienten wesentlich verbesssert.

Mittels TKI-Therapie werden viele CMLs
 
  • zur chronischen Erkrankung
  • die gut kontrollierbar ist und
  • eine ähnliche Lebenserwartung wie bei Gesunden ermöglicht
So beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate > 90%, wenn die Diagnose noch in der chronischen Phase erfolgt und die Patienten auf die TKI-Therapie ansprechen.

Imatinib und andere TKI sind hochwirksam; Nebenwirkungen sind aber wie bei jeder Therapie zu bedenken. Wie lange eine TKI-Therapie fortgesetzt werden muss, und ob die Behandlung während einer Remission, d.h. dem dauerhaften Nachlassen der Symptome, sicher abgesetzt werden kann, wird in Studien untersucht.

Wie wird der Erfolg der Behandlung kontrolliert?

Den Therapieerfolg überprüfen die Ärzte mithilfe sogenannter Verlaufskontrollen. Dafür untersuchen sie regelmäßig Blut- und/oder Knochenmarksproben. An der Zahl BCR-ABL-positiver Zellen lässt sich erkennen, wie gut ein Patient auf die Therapie anspricht und ob die malignen Zellen zurückgedrängt werden. Je besser das Ansprechen, desto besser ist die Prognose, die Erkrankung langfristig kontrollieren zu können.

Was ist, wenn die Behandlung mit TKI nicht wirkt?

Wenn die Behandlung mit TKI weniger wirksam ist als erwartet, werden die Patienten auf andere genetische Veränderungen (Mutationen) getestet, durch die ihre CML möglicherweise resistent gegenüber einer Behandlung wurde. Gegebenenfalls wird dann die Therapie gewechselt.

Schreitet die Erkrankung trotzdem voran, können weitere Behandlungen nötig werden, z.B.
 
  • allogene Stammzelltransplantation, sofern ein geeigneter Spender zur Verfügung steht
  • ggf. Chemotherapie vor Transplantation
Zur klinischen Einschätzung und Prognosestellung einer CML dienen eine Reihe verschiedener Bewertungsschemata (Scores), wie Prognosescore nach Sokal und Hasford, EURO-Score, EUTOS-Score, EUTOS-Long Term Survival (ELTS)-Score, ELTS-Score, die jeweils etwas unterschiedliche Schwerpunkte in der Beurteilung setzen.

Weitere Informationen zur CML finden Sie in den Leitlinien der Fachgesellschaften.
 
 

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Redaktion journalonko.de

Literatur:

(1) Hochhaus, A. et al., Chronische Myeloische Leukämie (CML), Onkopedia Leitlinien, 2018; https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/chronische-myeloische-leukaemie-cml/@@guideline/html/index.html.
(2) Chronische Myeloische Leukämie - Ratgeber für Patienten, Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe e.V. (DLH), 2021; https://www.leukaemie-hilfe.de/infothek/sonstiges/literaturliste/chronische-myeloische-leukaemie-ratgeber-fuer-patienten.
(3) Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie, 2020; https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/leukaemien/behandlung/chronische-myeloische-leukaemie-cml.php.
(4) Chronische myeloische Leukämie: Absetzen der Therapie zurzeit nur experimentell; Dtsch Arztebl 2016; 113(6): (36); DOI: 10.3238/PersOnko/2016.02.12.11.
(5) Hochhaus, Andreas; Ernst, Thomas; Saußele, Susanne; https://www.aerzteblatt.de/archiv/174858/Chronische-myeloische-Leukaemie-Absetzen-der-Therapie-zurzeit-nur-experimentell.

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