Journal Onkologie
Urothelkarzinom
Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Urothelkarzinom?

Beim Harnblasenkarzinom – auch Blasenkrebs oder Urothelkarzinom genannt – handelt es sich um einen malignen Tumor, der in der Schleimhaut der Harnblase entsteht. In rund 90% der Fälle liegt ein Urothelkarzinom vor, das seinen Ursprung im Urothel, dem Übergangsepithel der ableitenden Harnwege, hat. Seltener treten Plattenepithel- oder Adenokarzinome auf. Je nach Eindringtiefe in die Blasenwand wird zwischen einem nicht-muskelinvasiven (NMIBC) und einem muskelinvasiven Harnblasenkarzinom (MIBC) unterschieden. Beim NMIBC ist die Tumorausbreitung auf die Schleimhaut und Submukosa begrenzt, während beim MIBC die Muskulatur der Blasenwand infiltriert ist [1].

Das Harnblasenkarzinom gehört mit einem Anteil von etwa 4,5% aller Krebserkrankungen in Deutschland zu den häufigeren Tumorentitäten. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, das Verhältnis liegt bei etwa 3:1. Typisch ist ein hohes Rezidivrisiko, besonders bei nicht-muskelinvasiven Tumoren, was eine intensive Nachsorge erforderlich macht. Je nach Stadium und Risikoprofil kommen verschiedene Therapieoptionen zum Einsatz, darunter die transurethrale Resektion (TUR-B), intravesikale Therapien (z. B. BCG), radikale Zystektomie und systemische Chemotherapie oder Immuntherapie [1].

Wie entsteht ein Urothelkarzinom?

Das Urothelkarzinom der Harnblase entsteht durch genetische und epigenetische Veränderungen der Urothelzellen, die durch exogene Noxen wie Tabakrauch oder aromatische Amine ausgelöst werden können. Dabei handelt es sich um eine klonale maligne Transformation der Urothelschleimhaut, die typischerweise von einer urothelialen Dysplasie über Karzinoma in situ (CIS) bis hin zu invasiven Tumoren fortschreiten kann. Frühzeitig auftretende genetische Alterationen wie Mutationen im FGFR3- oder RAS-Gen werden vor allem mit den niedriggradigen, nicht-muskelinvasiven Tumoren assoziiert, während Veränderungen in TP53, RB1 und ERBB2 häufiger bei muskelinvasiven Karzinomen nachgewiesen werden [1].

Risikofaktoren

Die wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Urothelkarzinoms sind [1]:

  • Zigarettenrauchen: Wichtigster Risikofaktor, mit einem 3- bis 4-fach erhöhten Risiko.

  • Berufliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen: z. B. in der Chemie-, Gummi-, Farbstoff- und Lederindustrie.

  • Chronische Entzündungen der Harnblase: z. B. durch Katheter, Infektionen oder Blasensteine.

  • Chemotherapie mit Cyclophosphamid: erhöht langfristig das Risiko für Harnblasenkarzinome.

  • Bestrahlung des Beckens: insbesondere nach früherer Tumortherapie.

  • Familiäre Belastung: selten, aber bei bestimmten genetischen Syndromen erhöht.

  • Arsenbelastetes Trinkwasser: in manchen Regionen ein signifikanter Umweltfaktor.

Welche Symptome können bei einem Urothelkarzinom auftreten?

Harnblasenkarzinome verursachen im Frühstadium häufig keine oder nur unspezifische Beschwerden. Zu den häufigsten Symptomen zählen [1]:

  • Makrohämaturie (sichtbares Blut im Urin): tritt bei etwa 80 % der Patient:innen auf und ist oft das erste Warnsignal. Der Urin verfärbt sich dabei rot oder braun.

  • Pollakisurie: häufiger Harndrang bei geringen Urinmengen.

  • Dysurie: Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen.

  • Dranginkontinenz oder imperativer Harndrang.

  • Seltenere Symptome bei fortgeschrittenem Tumorbefall: Flankenschmerzen, tastbare Raumforderung oder Lymphadenopathie.

Diese Symptome sind nicht spezifisch für ein Harnblasenkarzinom und können auch bei gutartigen Erkrankungen wie Harnwegsinfektionen oder Harnsteinen auftreten. Eine genaue Abklärung ist daher unerlässlich und sollte zeitnah durch eine urologische Fachärztin oder einen Facharzt erfolgen [1].

Wie wird ein Urothelkarzinom diagnostiziert?

Die Diagnostik eines Harnblasenkarzinoms beruht auf einem mehrstufigen Verfahren, das klinische Symptome, bildgebende Verfahren und histopathologische Befunde kombiniert. Insbesondere die genaue Beurteilung der Tumorausdehnung und -klassifikation ist entscheidend für das weitere therapeutische Vorgehen [1].

Zentrale Elemente der Diagnostik

Zystoskopie

Die flexible oder starre endoskopische Untersuchung der Harnblase ist das zentrale Diagnoseverfahren bei Verdacht auf Blasentumor. Die Tumoren erscheinen häufig als papilläre, zum Teil blutende Läsionen. Zur Diagnosesicherung erfolgt die transurethrale Resektion des Tumors (TUR-B) als erste therapeutisch-diagnostische Maßnahme.

Urinzytologie

Vor einer Resektion sollte eine Urinzytologie durchgeführt werden. Sie besitzt eine hohe Sensitivität für das Nachweisen von hochgradigen Karzinomen, ist jedoch bei niedriggradigen Tumoren deutlich unzuverlässiger.

Bildgebung der oberen Harnwege

Eine CT-Urographie wird empfohlen, um synchron auftretende Tumoren im Ureter oder Nierenbecken (oberer Harntrakt) auszuschließen. Alternativ kann auch eine MRT-Urographie erfolgen.

Staging-Untersuchungen:

  • Bei muskelinvasiven Tumoren (≥ cT2) oder bei Hochrisiko-NMIBC wird eine CT des Abdomens/Beckens zur Beurteilung lokaler Ausdehnung und Lymphknotenstatus sowie eine CT des Thorax zur Beurteilung pulmonaler Metastasen empfohlen.

  • Eine Skelettszintigraphie oder PET/CT kann bei spezifischem Verdacht auf Fernmetastasen sinnvoll sein.

Arzt mit Fokus auf Harnwege und Harnblase

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

ASCO-GU: CD39 als potenzieller Biomarker für die Therapieantwort bei muskelinvasivem Blasenkrebs

Jetzt lesen

Wie wird ein Urothelkarzinom behandelt?

Die Behandlung richtet sich primär nach dem Tumorstadium und unterscheidet sich zwischen nicht-muskelinvasiven (NMIBC) und muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen (MIBC) sowie metastasierten Stadien.

Nicht-muskelinvasives Harnblasenkarzinom (NMIBC)

Die transurethrale Resektion der Blase (TUR-B) ist die Standardtherapie bei NMIBC. Ergänzend kommen folgende Maßnahmen zum Einsatz [1]:

  • Einmalige intravesikale Chemotherapie unmittelbar nach der TUR-B (idealerweise innerhalb von 24 h), z. B. Mitomycin C, zur Reduktion des Rezidivrisikos.

  • Nachresektion bei pT1 oder unvollständiger Resektion – innerhalb von 2–6 Wochen.

  • Intravesikale Erhaltungstherapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG) bei intermediärem bis hohem Risiko. Die BCG-Therapie erfolgt über mindestens ein Jahr (Induktion und Erhaltung) bei hohem Rezidiv- oder Progressionsrisiko.

  • Alternativ kann eine Chemotherapie-Instillation (z. B. Mitomycin C, Gemcitabin) erwogen werden, insbesondere bei BCG-Unverträglichkeit oder -Versagen.

Muskelinvasives Harnblasenkarzinom (MIBC)

Bei muskelinvasiven Tumoren wird primär eine radikale Zystektomie angestrebt [1]:

  • Eine radikale Zystektomie mit pelviner Lymphadenektomie ist der Goldstandard.

  • Eine neoadjuvante Cisplatin-basierte Chemotherapie (z. B. Gemcitabin/Cisplatin) sollte allen geeigneten Patient:innen mit MIBC vor der Zystektomie angeboten werden.

  • Alternativ bei Ablehnung oder Kontraindikation der Operation: trimodale Therapie (TUR-B, Radiotherapie und simultane Radiochemotherapie mit Cisplatin oder 5-FU/MMC) zur Organerhaltung.

Metastasiertes oder nicht resektables Urothelkarzinom

Für fortgeschrittene oder metastasierte Stadien gelten folgende Strategien [1]:

  • Erstlinientherapie: Cisplatin-basierte Chemotherapie (z. B. Gemcitabin/Cisplatin).

  • Wenn Cisplatin nicht möglich: Carboplatin-haltige Kombinationstherapie.

  • Erhaltungstherapie mit Avelumab (Anti-PD-L1) nach stabiler Erkrankung oder Ansprechen auf Erstlinientherapie.

  • Immuncheckpoint-Inhibitoren (z. B. Atezolizumab, Nivolumab) in der Zweitlinie oder als Erstlinientherapie bei Patienten mit hoher PD-L1-Expression und Cisplatin-Ineligibilität.

  • Bei Progression: Enfortumab Vedotin (Antikörper-Wirkstoff-Konjugat) als Drittlinientherapie nach Chemotherapie und Immuntherapie .

Wie läuft die Nachsorge bei einem Urothelkarzinom ab?

Die Nachsorge richtet sich nach Tumorstadium und Rezidivrisiko und dient der frühzeitigen Erkennung von Rückfällen und Komplikationen [1].

Nicht-muskelinvasives Karzinom (NMIBC)

  • Niedriges Risiko: Zystoskopie nach 3 Monaten, danach jährlich.

  • Mittleres Risiko: Zystoskopie im 1. Jahr alle 3 Monate, im 2. Jahr halbjährlich, dann jährlich.

  • Hohes Risiko: Engmaschige Zystoskopien (alle 3 Monate in den ersten 2 Jahren), jährliche Bildgebung der Harnwege.

Nach radikaler Zystektomie

  • Regelmäßige klinische Untersuchung und Bildgebung im Abstand von 3–6 Monaten (in den ersten 2 Jahren), danach in zunehmenden Intervallen.

  • Kontrolle der Harnableitung und Funktionsprüfung bei Neoblase oder Stoma.

Metastasierte Erkrankung

  • Bildgebung und Laborkontrollen alle 6–12 Wochen während der Therapie.

Wie sieht die Prognose mit einem Urothelkarzinom aus?

Die Lebenserwartung bei Harnblasenkarzinom hängt entscheidend vom Tumorstadium zum Zeitpunkt der Diagnose ab. Bei nicht-muskelinvasivem Blasenkrebs (Stadium pTa, pT1, CIS) ist die Prognose in der Regel gut: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei rund 90%, sofern eine adäquate Therapie und Nachsorge erfolgen. Beim muskelinvasiven Blasenkarzinom (≥ pT2) sinkt die Überlebensrate deutlich. Nach radikaler Zystektomie liegt die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit je nach Lymphknotenstatus bei etwa 50–60%. Bei bereits metastasierter Erkrankung liegt das mediane Überleben unbehandelt bei etwa 3–6 Monaten, kann durch systemische Therapie jedoch auf 12–24 Monate verlängert werden [1].

Patienten-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema Urothelkarzinom

Rund um das Thema Urothelkarzinom stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patienten-FAQ finden Sie die häufigsten Fragen – und aktuelle, medizinisch fundierte Antworten, verständlich und klar erklärt.

Literatur:

(1)

Onkopedia-Leitlinie zum Urothelkarzinom. Stand November 2024. Abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/urothelkarzinom-harnblasenkarzinom/@@guideline/html/index.html#ID0EM3AI (zuletzt aufgerufen am: 24.07.25)