Journal Onkologie
Therapien
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Was ist eine Immuntherapie?

Die Immuntherapie (auch Immunonkologie) ist eine Behandlung, die das körpereigene Immunsystem gezielt dabei unterstützt, Krebszellen zu erkennen und zu bekämpfen. Sie kann die Funktionsweise des Immunsystems so verstärken oder modulieren, dass es Tumorzellen effektiver findet und angreift [1, 2].

Die Immuntherapie kann:

  • das Immunsystem aktivieren, um bestimmte Krebszellen zu erkennen und zu zerstören,

  • Immunzellen funktionell stärken,

  • oder den Körper mit zusätzlichen Komponenten versorgen, die die Immunantwort verstärken.

Es gibt verschiedene Formen der Krebsimmuntherapie, darunter [3]:

  • Checkpoint-Inhibitoren, die bremsende Moleküle wie PD-1, PD-L1 oder CTLA-4 blockieren,

  • adoptive Zelltherapien (z. B. CAR-T-Zellen oder TCR-T-Zellen),

  • therapeutische Krebsimpfstoffe,

  • onkolytische Viren,

  • Zytokine oder Adjuvantien zur Verstärkung der Immunantwort.

Aktuell wird intensiv erforscht, wie sich Immuntherapien für Patient:innen verfügbar machen lassen, die nicht oder nur unzureichend ansprechen, da Resistenzen oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Daher gelten Kombinationsstrategien als zentraler Ansatz der Weiterentwicklung [1, 2].

Wie funktioniert die Immuntherapie?

Das menschliche Immunsystem erkennt und bekämpft normalerweise abnorme Zellen. Bei Krebszellen ist das jedoch schwieriger, weil sie aus ursprünglich gesunden Zellen hervorgehen und oft nur geringe Unterschiede zeigen. Dadurch entkommen sie der Immunüberwachung [1-3].

Tumoren nutzen verschiedene Strategien, um sich dem Immunsystem zu entziehen [1-3]:

  • Sie unterscheiden sich oft nur minimal von gesunden Zellen, sodass Immunzellen sie nicht immer als fremd erkennen.

  • Auch wenn Krebszellen erkannt werden, ist die Immunantwort manchmal zu schwach, um sie vollständig zu zerstören.

  • Krebszellen können Proteine wie PD-L1 auf ihrer Oberfläche tragen, die Immunzellen blockieren (Checkpoint-Mechanismen).

  • Sie geben hemmende Stoffe ab und verändern die Tumor-Mikroumgebung (TME), indem sie Tregs, myeloische Suppressorzellen (MDSCs) oder Tumor-assoziierte Makrophagen (TAMs) anlocken, die die Immunabwehr gezielt unterdrücken.

  • Genetische Veränderungen können die Sichtbarkeit der Krebszellen verringern, z. B. durch den Verlust von MHC-Molekülen.

Um diese Hindernisse zu überwinden, entwickeln Forschende Immuntherapien, die das Immunsystem befähigen, Tumorzellen besser zu erkennen, anzugreifen und zu zerstören. Dazu gehören z. B. Checkpoint-Inhibitoren, die Bremsen wie PD-1/PD-L1 oder CTLA-4 lösen, sowie Ansätze, die die Immunzellen direkt aktivieren oder Tumor-assoziierte Immunhemmung reduzieren [1-3].

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Welche Formen der Immuntherapie gibt es?

Immuncheckpoint-Inhibitoren blockieren natürliche Bremsmechanismen des Immunsystems. Tumorzellen bilden häufig Proteine wie PD-L1, die Immunzellen inaktivieren. Checkpoint-Inhibitoren (z. B. gegen PD-1, PD-L1 oder CTLA-4) heben diese Blockade auf und ermöglichen eine starke T-Zell-Antwort. Neuere Ziele wie LAG-3, TIM-3 oder TIGIT werden derzeit erforscht, um Resistenzen zu überwinden.

Checkpoint-Inhibitoren sind u. a. zugelassen für:

Monoklonale Antikörper

Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt, um spezifisch an Tumorzellen oder Immuncheckpoints zu binden. Sie können Krebszellen markieren, damit diese vom Immunsystem erkannt werden, oder Signalwege blockieren.

Beispiele für Indikationen:

Immunmodulatoren

Immunmodulatoren verstärken die körpereigene Immunantwort gezielt. Im Gegensatz zu immunsupprimierenden Modulatoren (bei Autoimmunerkrankungen) werden in der Onkologie immunstimulierende Modulatoren genutzt, z. B. Zytokine oder Wirkstoffe, die die Aktivität von T-Zellen fördern.

Krebsimpfstoffe

Behandlungsimpfstoffe (therapeutische Impfungen) stimulieren das Immunsystem gezielt gegen Tumorzellen. Dazu zählen:

  • Protein-/Peptid-basierte Impfstoffe, bei denen Antigene direkt verabreicht werden.

  • DNA-/RNA-basierte Impfstoffe, bei denen der Bauplan für Tumorantigene injiziert wird.

  • Dendritische Zell-Therapien, bei denen patienteneigene dendritische Zellen mit Tumorantigenen beladen werden.

Prophylaktische Impfungen (z. B. HPV-Impfung) können vor der Entstehung bestimmter Krebsarten wie Zervixkarzinom schützen.

Adoptiver T-Zell-Transfer

Dabei werden körpereigene T-Zellen isoliert, im Labor gezielt vermehrt oder gentechnisch verändert und anschließend zurückgegeben. Zwei zentrale Ansätze sind:

  • TIL-Therapie (TIL = tumor-infiltrating lymphocytes): besonders bei Melanomen erprobt.

  • CAR-T-Zelltherapie: T-Zellen werden mit einem künstlichen Antigen-Rezeptor ausgerüstet, der Tumorzellen gezielt erkennt. Etabliert v. a. bei hämatologischen Tumoren (B-Zell-ALL, Multiples Myelom); erste Studien erproben CAR-T auch für solide Tumoren.

Wann ist eine Immuntherapie sinnvoll?

Die Immuntherapie wird meist eingesetzt, wenn konventionelle Therapien nicht ausreichend wirken. Erfolgschancen hängen u. a. von der Krebsart, dem Immunstatus des Patienten und von der Tumor-Mikroumgebung ab. Kombinationsstrategien, die verschiedene Immuntherapien oder Standardbehandlungen kombinieren, gelten aktuell als vielversprechend, um Resistenzen zu überwinden und Ansprechquoten zu erhöhen.

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Welche Nebenwirkungen können im Rahmen einer Immuntherapie auftreten?

Die Immuntherapie kann Nebenwirkungen verursachen, weil das hochgefahrene Immunsystem nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde Körperzellen angreifen kann. Die Art und Schwere hängen von der gewählten Immuntherapie, der individuellen Verfassung der Patient:innen, der Krebsart und der Dosierung ab. Nebenwirkungen können während der Behandlung, aber auch Wochen bis Monate danach auftreten [1-3].

Häufige Nebenwirkungen

  • Hautreaktionen an der Einstichstelle: Schmerzen, Schwellung, Wundsein, Rötung, Juckreiz, Hautausschlag.

  • Grippesymptome: Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Atemprobleme, Blutdruckschwankungen.

  • Weitere Symptome: Flüssigkeitseinlagerungen, Gewichtszunahme, Herzklopfen, Nebenhöhlenentzündung, Durchfall, Infektionsrisiko.

Typische organspezifische Autoimmunreaktionen

Einige Immuntherapien können entzündliche Reaktionen in Organen auslösen (immune-related adverse events, irAEs):

  • Pneumonitis

  • Kolitis

  • Hepatitis

  • Thyreoditis

Diese treten besonders bei Checkpoint-Inhibitoren auf (z. B. gegen PD-1, PD-L1, CTLA-4).

Spezielle Risiken bei Zelltherapien

Bei CAR-T-Zell-Therapien oder anderen adoptiven Zelltherapien kann es zu:

  • einem Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) mit Fieber, Schwindel, Blutdruckabfall kommen,

  • sowie zu neurotoxischen Nebenwirkungen (z. B. Verwirrtheit, Krampfanfälle).

Seltene, aber schwere Komplikationen

Manche Immuntherapien können schwere allergische oder entzündungsbedingte Reaktionen auslösen. Diese sind selten, erfordern aber eine engmaschige Überwachung.

Warum ist Überwachung so wichtig?

Viele Nebenwirkungen können frühzeitig erkannt und behandelt werden. Deshalb ist bei einer Immuntherapie eine enge ärztliche Nachsorge oft noch Monate nach Therapieende wichtig.

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Wie erfolgreich ist eine Immuntherapie?

Die Immuntherapie kann wirksam sein, wenn andere Behandlungen nicht mehr anschlagen. Manche Krebsarten, wie z. B. Hautkrebs (Malignes Melanom) oder bestimmte Lungen- und Nierenkarzinome, sprechen oft schlecht auf klassische Chemo- oder Strahlentherapien an, können aber durch Immuntherapien deutlich besser behandelt werden [1].

Ein Vorteil ist das sogenannte Immungedächtnis: Das Immunsystem kann lernen, Krebszellen langfristig zu erkennen und anzugreifen, was das Risiko eines Rückfalls verringern kann [2]. Häufig wird Immuntherapie heute mit Chemo-, Strahlen- oder zielgerichteten Therapien kombiniert, um die Wirkung zu verbessern und Resistenzen zu vermeiden [3].

Allerdings gilt: Nicht alle Patient:innen sprechen darauf an. Viele erreichen nur ein Teilansprechen, d. h. der Tumor wird kleiner oder wächst langsamer, verschwindet aber nicht vollständig. Warum manche Menschen nicht ansprechen oder Resistenzen entwickeln, wird intensiv erforscht.

Patienten-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema Immuntherapie

Rund um das Thema Immuntherapie stellen sich für Patient:innen oft viele Fragen: zum Wirkmechanismus, zu Anwendungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit dieser Therapieart. In dieser Patienten-FAQ finden Sie die häufigsten Fragen – und aktuelle, medizinisch fundierte Antworten, verständlich und klar erklärt.

Literatur:

(1)

Liu et al. Front Immunol. 2022;13:961805. DOI: 10.3389/fimmu.2022.961805

(2)

Hamdan & Cerullo Front Mol Med. 2023;3:1140977. DOI: 10.3389/fmmed.2023.1140977

(3)

Desai et al. OOR 2024;12:100652. DOI: https://doi.org/10.1016/j.oor.2024.100652