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Nebennierenkrebs (Nebennierenkarzinom)

Dr. rer. nat. Marion Adam

Nebennierenkrebs (Nebennierenkarzinom)
© SciePro - stock.adobe.com
Nebennierenkarzinome sind seltene, aber hochmaligne Tumoren mit sehr ungünstiger Prognose. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 100 bis 200 Menschen meist im mittleren Lebensalter an einem Nebennierenkarzinom (1).
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Funktion und Lokalisation der Nebennieren

Die Nebennieren liegen in der Nähe der oberen Pole der Nieren und wiegen beim Erwachsenen etwa 4 Gramm. Die Nebenniere besteht aus 2 funktionell unterschiedlichen endokrinen Drüsen, die von einer gemeinsamen Kapsel umschlossen sind. Die Nebennierenrinde ist die äußere Schicht der Nebenniere und macht etwa 90% ihres Gewichts aus. In der Nebennierenrinde werden Steroidhormone wie Cortisol, das Blutdruckhormon Aldosteron und Nebennierenandrogene produziert (2). Im Inneren der Nebenniere befindet sich das Nebennierenmark. Hier werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin gebildet.
Schwere Infektionen, Traumata und Schocks führen zu einer Aktivierung der Nebennieren, die dann vermehrt Cortisol (Glukokortikoid) und Katecholamine ausschütten. Dadurch wird das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen (Homöostase) unter Stress aufrechterhalten. Bei einer Störung der Funktion der Nebenniere ist die Stressreaktion stark vermindert. Dies kann zu einem irreversiblen Schock führen.

Was ist Nebennierenkrebs?

Nebennierentumoren können in der Nebennierenrinde oder dem Nebennierenmark entstehen. Sie machen sich in der Regel durch Symptome bemerkbar, die auf eine übermäßige Ausschüttung von Hormonen des Tumors zurückzuführen sind (1, 3).

In ca. 50% der Fälle handelt es sich um hormonaktive Tumoren, d.h. der Tumor selbst produziert Hormone, die zu spezifischen Symptomen führen. Tumoren der Nebennierenrinden können eine übermäßige Ausschüttung von Steroidhormonen und Aldosteron zur Folge haben, während hormonaktive Tumoren des Nebennierenmarks zu einer übermäßigen Produktion von Katecholaminen neigen. In seltenen Fällen, bei bis zu 3,5% der Bevölkerung, treten Nebennieren-Inzidentalome, die zufällig bei der Untersuchung einer nicht verwandten Erkrankung entdeckt werden, auf. Die meisten dieser Tumoren produzieren keine Hormone.

Nebennierentumoren können gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) sein. Die Unterscheidung ist oft schwierig. Nach der operativen Entfernung ist eine langfristige, engmaschige Nachsorge erforderlich, um bei Patient:innen mit Nebennierenkrebs Rückfälle frühzeitig zu erkennen.
 
 

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Erschienen am 16.09.2020Jetzt neu auf www.journalonko.de: Übersicht zu Besonderheiten der Diagnostik maligner Nebennierentumoren, chirurgische Vorgehensweisen, Maßnahmen der Behandlung und Fälle von Patieten...

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Nebennierenkrebs tritt mit einer Inzidenz von ca. 1 bis 2 Erkrankungen pro 1 Mio. Einwohner jährlich auf und ist mit weniger als 0,2% aller krebsbedingten Sterbefälle selten unter den bösartigen Tumoren. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Die Prognose des Nebennierenkarzinoms ist in allen Stadien, aber vor allem im fortgeschrittenem Stadium (Stadium IV), sehr ungünstig. Bei Manifestationen im Kindesalter ist die Prognose der Erkrankung günstiger als bei Erwachsenen (4).

Für die Behandlung stehen Patient:innen je nach Stadium der Erkrankung und Hormonproduktion die chirurgische Entfernung, Bestrahlung oder verschiedene medikamentöse Therapien zur Verfügung.

Welche Tumoren der Nebenniere gibt es?

Aldosteron-produzierendes Adenom

Der primäre Hyperaldosteronismus ist die häufigste Form des sekundären Bluthochdrucks (Hypertonie) und betrifft bis zu 5 bis 10% aller Bluthochdruck-Patient:innen. Er wird in einem Drittel der Fälle durch ein Aldosteron-produzierendes Adenom (Conn-Syndrom oder Conn-Adenom) verursacht.

Phäochromozytom und verwandte Paragangliome

Katecholamin-produzierende Tumoren können im Nebennierenmark (Phäochromozytome) oder in den extraadrenalen chromaffinen Zellen (Paragangliome) auftreten. Ihre Prävalenz beträgt etwa 0,1% bei Patient:innen mit Bluthochdruck und 4% bei Patient:innen mit einer zufällig entdeckten Nebennierenmasse.
Diese seltenen Erkrankungen können sporadisch auftreten oder Teil einer der folgenden genetischen Veranlagungen sein:
 
  • familiäres Phäochromozytom-Paragangliom-Syndrom
  • multiple endokrine Neoplasie Typ 2
  • Neurofibromatose Typ 1
  • von-Hippel-Lindau-Krankheit
Familiäre Fälle werden früher diagnostiziert und treten häufiger bilateral und rezidivierend auf als sporadisch auftretender Krebs. Die Behandlung besteht in der operativen Entfernung des Tumors, in der Regel durch eine laparoskopische Operation.
Etwa 10% dieser Tumoren sind bösartig, entweder bei der ersten Operation oder bei der Nachuntersuchung, wobei die Bösartigkeit durch das Vorhandensein von Lymphknoten- oder Knochenmetastasen diagnostiziert wird.

Nicht-Aldosteron Nebennierenrindenadenome

Die häufigsten gutartigen Tumoren der Nebennieren sind die nicht-aldosteron-sezernierenden Rindenadenome (NACA). Sie können funktionslos sein, d.h. sie gehen nicht mit einem Hormonüberschuss einher und werden meist zufällig bei Patient:innen entdeckt, die sich aus anderen Gründen einer radiologischen Untersuchung (Ultraschall, CT, MRT) unterziehen. Die Bösartigkeit dieser Läsionen ist sehr gering.
In seltenen Fällen können die Tumoren Cortisol absondern. Es kommt zum Cushing-Syndrom (Cushing-Adenom, Morbus Cushing) mit schwerem Hypercortisolismus, der zu Fettleibigkeit, Muskelschwund, dünner Haut mit Blutergüssen, Osteoporose, Bluthochdruck und Diabetes mellitus führt. In selteneren Fällen führt eine genetische Störung von Patient:innen zu einer autonomen Cortisolproduktion von Adenomen in der Nebenniere (z.B. beim McCune-Albright-Syndrom oder Carney-Komplex).
Weltweit sind weniger als 100 Fälle bekannt, in denen das Adenom ausschließlich Androgene absondert. Diese Androgene sezernierenden Tumoren treten häufig bei Frauen auf. Sie sind eine sehr seltene Ursache des polyzytären Ovarialsyndroms.

Nebennierenrindenkarzinom, adrenokortikales Karzinom

Unter den bösartigen, von der Nebenniere ausgehenden Tumoren, ist das adrenokortikale Karzinom (ACC) das bedeutsamste. Die betroffenen Patient:innen weisen einen Hormonüberschuss (z.B. Virilisierung, Cushing-Syndrom) oder einen lokalen Masseneffekt (mediane Tumorgröße bei Diagnose > 10 cm) auf.
Die Tumoren erscheinen sowohl in der Computertomographie (CT) als auch in der Magnetresonanztomographie (MRT) typischerweise inhomogen mit unregelmäßigen Rändern und unterscheiden sich von gutartigen Nebennierentumoren durch ihren geringen Fettgehalt. Eine Hormonanalyse zeigt in den meisten Fällen Hinweise auf eine Sekretion von Steroidhormonen durch den Tumor, auch bei scheinbar hormonell inaktiven Läsionen.
 
 

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Erschienen am 16.07.2019Nebennierenkrebs: Schwachstellen dringend gesucht – Lesen Sie mehr unter www.journalonko.de

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Was ist die Ursache von Nebennierentumoren?

Die Pathogenese von Nebennierentumoren ist noch nicht endgültig geklärt. Häufig findet sich bei Patient:innen mit sporadischem Nebennierenkarzinom eine genetische Prädiposition (Mutationen). Sie können auch im Rahmen erblicher Syndrome wie dem Li-Fraumeni-Syndrom oder dem Wiedeman-Beckwith-Syndrom auftreten.

Symptome: Wie macht sich ein Nebennierentumor bemerkbar?

Bei hormonaktivem Nebennierenkrebs richtet sich die Symptomatik nach dem vermehrt ausgeschütteten Hormon.
Betroffene können unter folgende Symptomen leiden (3):
 
  • Hypertonie
  • Kopfschmerzen
  • Muskelschäche
  • Schmerzen
  • „Vermännlichung“ bei Frauen

Wie diagnostiziert man einen Nebennierentumor?

Zur Diagnose von Nebennierenkarzinomen können folgende Methoden durgeführt werden (1):
  • Ausführliche hormonelle Diagnostik in Blut und Urin:
    • Cortisol
    • Mineralkortikoide
    • Sexualhormone
  • Bildgebende Verfahren zur Bestimmung von Größe und Ausdehnung des Tumors:
    • CT mit Kontrastmittel
    • MRT
    • Positronen-Emission-Tomographie (PET)
  • Feinnadelbiopsie: selten
  • Histopathologie: entscheidend für die Diagnose der Malignität, kann wichtige prognostische Informationen liefern

Wie wird ein Nebennierentumor behandelt?

Folgende Möglichkeiten der Behandlung stehen zur Verfügung:
 
  • operative Entfernung: Laut Leitlinie (derzeit in der Überarbeitung) ist eine Operation bei hormonaktiven Nebennierentumoren in der Regel unabhängig von der Größe des Tumors erforderlich (5). In den Stadien I bis III ist die offene Operation durch einen erfahrenen Chirurgen mit dem Ziel der vollständigen Resektion die Therapie der Wahl. Auch bei Lokalrezidiven und Metastasen spielt die Operation eine Rolle in der Behandlung.
  • metabolische Strahlentherapie
  • medikamentöse Therapien:
    • Mineralocorticoid-Rezeptorantagonist bzw. Dexamethason
    • Chemotherapie
  • Nachbeobachtung: Patient:innen, insbesondere solche mit familiären oder extraadrenalen Tumoren, sollten auf unbestimmte Zeit nachbeobachtet werden.
     
     

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Redaktion journalonko.de

Literatur:

(1) Nebennierenkarzinom. Deutsche Nebennieren-Karzionom-Studiengruppe. https://www.nebennierenkarzinom.de/infos-zur-erkrankung. Zuletzt abgerufen am 17.04.2023.
(2) What is the adrenal? https://ensat.wildapricot.org/page-1317249. Zuletzt abgerufen am 17.04.2023.
(3) Nebennieren-Karzinom. Deutsche Gesellschaft dür Endokrinologie. https://www.endokrinologie.net/krankheiten-nebennierenkarzinom.php. Zuletzt abgerufen am 17.04.2023.
(4) Nebennierenkarzinom. https://www.springermedizin.de/emedpedia/die-urologie/nebennierenkarzinom?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-41168-7_32. Zuletzt abgerufen am 17.04.2023.
(5) S2k-Leitlinie Operative Therapie von Nebennierentumoren.  https://register.awmf.org/assets/guidelines/088-008l_S2k_Operative-Therapie_Nebennierentumoren_2019-07-abgelaufen.pdf. Zuletzt abgerufen am 17.04.2023.

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