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Morbus Waldenström

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Morbus Waldenström
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Der Morbus Waldenström, auch lymphoplasmozytisches Lymphom, Immunozytom oder Makroglobulinämie genannt, ist eine seltene Erkrankung, bei der es zu übermäßiger Vermehrung veränderter B-Zellen mit übermäßiger Produktion von Immunglobulin M (IgM) kommt. Die chronische Erkrankung ist derzeit nicht heilbar, es gibt aber eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten. Bei Patient:innen ohne Beschwerden wird häufig, erst der weitere Verlauf abgewartet.
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Welche Symptome beim Morbus Waldenström?

Morbus Waldenström gilt als indolentes Non-Hodgkin-Lymphom, d.h. ein weniger malignes Lymphom. Erste Hinweise finden sich oft zufällig im Rahmen einer anderen Blutuntersuchung, bei der eine Anämie, Neutropenie oder Thrombozytopenie festgestellt wird.

Die ersten Symptome sind unspezifisch, wie
 
  • Müdigkeit
  • Blutarmut
  • Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust (sog. B-Symptome)
Im späteren Verlauf kommen weitere klinische Symptome hinzu, wie
 
  • Hyperviskositätssyndrom („zu dickes Blut“) mit Blutungsneigung
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen

Welche Untersuchungen erfolgen zur Diagnose?

Zur ersten Diagnose dienen eine Reihe von Untersuchungen, wie
 
  • Körperliche Untersuchung (Milz, Leber, Gefäße)
  • Bildgebende Untersuchung (Ultraschall, CT)
  • Elektrokardiogramm (EKG)
  • Differenzialblutbild
  • Laborwerte (BSG, Nierenwerte, Urin, Blutgerinnungstest (Quick-Test)
  • Bestimmung von Immunglobulinen (Immunglobulin M im Blutserum/IgM-Spiegel)
  • Untersuchung des Knochenmarks zum Nachweis veränderter B-Zellen
  • Molekulargenetische Untersuchung der Lymphom-Zellen zur Abgrenzung von anderen Erkrankungen
     
     
     

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Wie häufig ist Morbus Waldenström?

Morbus Waldenström tritt selten auf, d.h. bei nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen. Männer sind dabei häufiger betroffen als Frauen.

Was steigert das Risiko, daran zu erkranken?

Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Einzelnen, die Krankheit zu bekommen. Hier spielen genetische Faktoren, im Laufe des Lebens erworbene Faktoren wie Infektionen sowie andere Krankheiten, wie
 
  • Verwandtschaft ersten Grades (Eltern-Kind) mit einem Erkrankten
  • Autoimmunphänomene, Kryoglobulinämie und Infektionen
  • Erkrankung an IgM monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz

Was bedeutet Watch and Wait?

Auch wenn Morbus Waldenström eine chronische Erkrankung und ein weniger malignes Lymphom ist, können die Patient:innen derzeit nicht geheilt werden. Bei Patient:innen, die noch keine klinischen Symptome und Beschwerden zeigen, wird häufig erst einmal der Verlauf nach Diagnose abgewartet, was als Watch and Wait bezeichnet. Dieses kann je nach Patient:in auch mehrere Jahre anhalten.

Wie wird Morbus Waldenström therapiert?

Ist die Diagnose geklärt und verschlechtert sich der Zustand des/der Patient:in mit zunehmend Beschwerden, gibt es verschiedene Ansätze zur Behandlung. Diese werden je nach medizinischer „Fitness“, Wohlbefinden und Begleiterkrankungen des Patienten gewählt. Mögliche Behandlungen sind u.a.
 
  • Plasmapherese (Entfernen von IgM aus dem Plasma)
  • Chemotherapie
  • Immunchemotherapie (Chemotherapie plus Rituximab)
  • Zielgerichtete Therapie mit monoklonalem Antikörper Rituximab als Monotherapie
  • Zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitor (BTK-Inhibitoren, Ibrutinib, Zanubrutinib)
  • Zielgerichtete Therapie mit Proteasomen-Inhibitor (Bortezomib)
     
     
     

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Welche zielgerichtete Therapie bei Morbus Waldenström?

Substanzen zur zielgerichteten Therapie sind spezifisch für einzelne Erkrankungen.
Sie werden je nach Aufbau in verschiedene Klassen eingeteilt, wie monoklonale Antikörper und Small Molecules.

Für Morbus Waldenström gib es
  Rituximab ist ein monoklonaler anti-CD20-Antikörper, der das Antigen CD20 auf der Oberfläche von B-Lymphozyten und den von B-Zellen abgeleiteten Lymphomen erkennt. Der Antikörper bindet daran und vermittelt damit das Abtöten der Zellen. Das Molekül CD20 ist bei Non-Hodgkin-Lymphomen, wie dem Morbus Waldenström, auf den meisten veränderten Zellen vorhanden.
Ibrutinib und Bortezomib zählen zu den sog. Small Molecules (kleine Moleküle), die ebenfalls gezielt Zellen angreifen. Ibrutinib und Zanubrutinib hemmen Bruton-Tyrosinkinasen, und eine Bortezomib-basierte Therapie hemmt zelluläre Proteasomen. Durch dieses Eingreifen in Zellstrukturen hindern sie die Zellen am Wachstum oder vermitteln deren Absterben.

Wogegen richten sich zielgerichtete Substanzen?

Zur Behandlung eingesetzte zielgerichtete Therapien richten sich gegen zelluläre Faktoren, die an der übermäßigen Vermehrung der veränderten B-Lymphozyten u.a. im Knochenmark beteiligt sind.
Allerdings ist die Entstehung des Lymphoms ist noch nicht vollständig verstanden. So spielt eine Mutation im MyD88-Gen (MYD88L265P) eine wichtige Rolle, die bei etwa 95% der Patienten zu finden ist. Die Mutation steigert die Aktivität der zellulären Enzyme IRAK (Interleukin-1 Receptor-Associated Kinase) und BTK (Bruton’s Tyrosinkinase), die wiederum einen krebsfördernden Faktor (NF-ΚB) anregen.
Des Weiteren sind an der Entwicklung des Lymphoms CXCR4-Mutationen (Chemokine receptor type 4) beteiligt, die bei etwa 30-40% der Patient:innen nachgewiesen werden können.
Die genaue Untersuchung der Lymphomzellen ist wichtig, weil das Ansprechen einer Therapie mit den BTK–Inhibitoren Ibrutinib und Zanubrutinib mit den Mutationen im Zusammenhang stehen. So sprechen Patienten ohne diese Mutationen weniger gut auf diese Therapien an.

Was trägt zur Prognose und Lebenserwartung bei?

Weil Morbus Waldenström zu den seltenen Erkrankungen zählt, sind Erkenntnisse zur Prognose nur begrenzt vorhanden.
Verschiedene Faktoren werden dazu genutzt, die Prognose der Patienten im ISSWM-Bewertungssystem (International scoring system for Waldenström’s macroglobulinemia) vorherzusagen. Dabei werden die Patienten in drei Risikogruppen mit unterschiedlich gutem Überleben und Lebenserwartung eingeordnet.
Für die Prognose wichtig sind die Faktoren
 
  • Alter
  • Höhe des β2-Mikroglobulins
  • Zytopenien
  • Höhe der Gammopathie
  • Mutationen im MyD88-Gen und CXCR4-Gen
  • Ansprechen auf die Therapie

Wie verläuft die Nachsorge der Therapie?

Im Rahmen von Therapie und Nachsorge werden weiterhin Laborparameter bestimmt und insbesondere die IgM-Werte beobachtet. Außerdem wird besonders auf ein mögliches Auftreten von Amyloidose oder Neuropathien geachtet.

Weitere Informationen zur Erkrankung und zur übergeordneten Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome finden Sie auf den Websites der Fachgesellschaften.
 
 
 

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Erschienen am 27.01.2022M. Waldenström ist schwer zu behandeln. Eine neue Option bietet Zanubrutinib. Details zu dieser Behandlung lesen Sie hier!

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Literatur:

1)  Buske, C., Heim, D., Herold, M., Staber, P.B., Drevling, M., 2022, Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom), Onkopedia
https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/morbus-waldenstroem-lymphoplasmozytisches-lymphom/@@guideline/html/index.html
2)  Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe, Morbus Waldenström, 2020,
ttps://www.leukaemie-hilfe.de/fileadmin/user_upload/dlh-info-blaetter/dlh_infoblatt_morbus-waldenstroem2020.pdf
3)   Non-Hodgkin-Lymphom: Basis-Infos für Patienten&Angehörige, Deutsche Krebsgesellschaft,
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/non-hodgkin-lymphome/non-hodgkin-lymphom-basis-infos-fuer-patienten.html
4)  Über Seltene Erkrankungen, Das Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs,
https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/Education_AboutRareDiseases.php?lng=DE

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