Journal Onkologie
Ovarialkarzinom

Was ist ein Ovarialkarzinom?

Eierstockkrebs geht von den Ovarien aus, die im kleinen Becken der Frau rechts und links von der Gebärmutter liegen und über die beiden Eileiter mit dieser verbunden sind. Die Eierstöcke sind Keimdrüsen und bilden zum einen die Eizellen, zum anderen die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Das Ovarialkarzinom umfasst eine heterogene Gruppe epithelialer Tumoren mit unterschiedlichem biologischem Verhalten und unterschiedlicher Prognose. Aufgrund ähnlicher Entstehung werden Tubenkarzinome und Peritonealkarzinome wie Ovarialkarzinome behandelt [1].

Die wichtigsten Tumortypen sind [1]:

1. Epitheliale Karzinome (etwa 95% aller Fälle):

  • High-grade seröse Karzinome (häufigster und aggressivster Typ, etwa 75%)

  • Low-grade seröse Karzinome (seltener, weniger aggressiv, etwa 25%)

  • Weitere Typen: endometrioide, klarzellige, muzinöse Karzinome

2. Borderline-Tumoren: besonders bei jungen Frauen, weniger aggressiv

3. Keimzelltumoren: etwa 20% aller Ovarialtumoren, vor allem bei jungen Frauen unter 20 Jahren

4. Keimstrang-Stromatumoren: seltene Tumorgruppe

Welche Symptome können bei einem Ovarialkarzinom auftreten?

Die Früherkennung der Krebserkrankung ist schwierig, weil anfangs – wenn überhaupt – oft nur unspezifische Symptome auftreten. Etwa 93% der Patientinnen weisen vor Diagnose Symptome auf. Symptome sollten aber immer ernst genommen werden, wie [1, 2]:

  • Unklare Bauchschmerzen

  • Völlegefühl

  • Blähungen

  • Zunahme des Bauchumfangs

  • Häufiges Wasserlassen

  • Übelkeit

  • Obstipation

  • Leistungsminderung

Insbesondere, wenn diese Symptome kombiniert auftreten und bei Frauen über 50 Jahren sowie bei familiärer Belastung über längere Zeit anhalten, sollte unbedingt ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden, um Krebs auszuschließen [1, 2].

Welche Risikofaktoren gibt es für das Ovarialkarzinom?

Als Risikofaktoren gelten u.a. [1, 2]:

Allgemeine Risikofaktoren:

  • Höheres Lebensalter (mittleres Erkrankungsalter: 69 Jahre)

  • Nulliparität

  • Hormontherapie

  • Adipositas im Erwachsenenalter

Genetische Risikofaktoren:

  • BRCA1-Mutationen: 39% kumulatives Risiko bis zum 69. Lebensjahr

  • BRCA2-Mutationen: 11-22% Risiko für Ovarialkarzinom

  • Weitere Hochrisikogene: ATM, CDH1, CHEK2, NBN, PALB2, RAD51C, RAD51D, TP5

  • Lynch-Syndrom (MLH1: 11%, MSH2: 17%, MSH6: 10%, PMS2: 3% Risiko bis zum 70. Lebensjahr)

  • Erbliche Vorbelastung (Verwandte ersten Grades mit Eierstockkrebs oder Brustkrebs)

Berufliche Exposition:

  • Asbestexposition

Protektive Faktoren:

  • Orale Kontrazeptiva (40% Risikoreduktion)

  • Sterilisation/Tubenligatur (34% Risikoreduktion)

  • Mehrere Schwangerschaften und Stillzeiten

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Wie erfolgt die Diagnose eines Ovarialkarzinoms?

Zur ersten Diagnose ist nach einer ausführlichen Anamnese eine bimanuelle gynäkologische Spiegel- und Tastuntersuchung nötig. Als erste apparative Maßnahme wird eine transvaginale Ultraschall-Untersuchung der inneren Geschlechtsorgane durchgeführt, bei der eine spezielle Sonde in die Scheide eingeführt wird [1, 2].

Auch bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomographie (PET) werden bei speziellen Fragestellungen eingesetzt, wobei PET/CT eine höhere Genauigkeit zeigt. Wichtig ist jedoch: Es existiert keine apparative diagnostische Maßnahme, die ein operatives Staging beim Ovarialkarzinom ersetzen kann [1, 2].

Zur definitiven Diagnose ist grundsätzlich eine Operation notwendig, bei der das verdächtige Gewebe entfernt und anschließend histologisch im Labor untersucht wird [1, 2].

Molekulare Diagnostik:

Die aktuelle S3-Leitlinie betont die Bedeutung der molekularen Diagnostik [1, 2]:

  • Genetische Testung: Allen Frauen unter 80 Jahren sollte eine Testung auf HBOC angeboten werden

  • HRD-Diagnostik: Bei fortgeschrittenen high-grade Ovarialkarzinomen Testung auf BRCA1/2-Mutationen und HRD-Status für die Therapieplanung mit PARP-Inhibitoren

  • Bei Rezidiv: Zusätzliche Testung auf dMMR/MSIhigh, BRAF und ggf. NTR

Die Labordiagnostik umfasst Blutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Gerinnung, TSH, ggf. CA-125 und CEA beim muzinösen Subtyp [1, 2].

Einteilung der Ovarialkarzinome:

Anhand des entnommenen Gewebes erfolgen Diagnose, Klassifizierung und Staging des Tumors nach TNM-Klassifikation (8. Auflage) und FIGO-Klassifikation mit detaillierter Unterteilung in Substadien (IA-IC, IIA-IIC, IIIA1-IIIC, IVA-IVB). Das Grading reicht von G1 (gut differenziert) bis G3 (schlecht differenziert) [1, 2].

Die WHO-Klassifikation 2020 unterscheidet epitheliale Ovarialkarzinome in: high-grade serös, low-grade serös, endometrioid, klarzellig, muzinös, sowie Karzinosarkome, undifferenzierte Karzinome, maligne Brennertumoren und die neue Kategorie der Mesonephric-like Karzinome [1, 2].

Wie wird ein Ovarialkarzinom behandelt?

Bei der Diagnose Eierstockkrebs kommen verschiedene Behandlungen in Betracht [1, 2]:

Operation

Ziel der Primäroperation ist eine makroskopisch vollständige Resektion aller sichtbaren Tumoranteile. Die Qualität der Operation hat entscheidenden Einfluss auf die Prognose - eine Komplettresektion verlängert das Gesamtüberleben um 30-60 Monate je nach Stadium.

Adjuvante Chemotherapie

  • Stadium IA G1: Keine adjuvante Chemotherapie empfohlen

  • Stadium IA G2, IB G1/2: Adjuvante Chemotherapie kann angeboten werden

  • Stadium IC oder IA/B G3: 6 Zyklen platinhaltige Chemotherapie (Carboplatin AUC5, alternativ + Paclitaxel 175 mg/m²)

  • Stadien II-IV: Standard ist Carboplatin AUC5 + Paclitaxel 175 mg/m² für 6 Zyklen

Erhaltungstherapie

  • PARP-Inhibitoren: Olaparib bei BRCA1/2-Mutationen (70% Risikoreduktion), Niraparib unabhängig vom BRCA-Status, Rucapar

  • Bevacizumab: Bei Stadien FIGO IIIA1 und IIIB-IV parallel zur Chemotherapie und als Erhaltung für max. 15 Monate

Neue Therapieoptionen

  • Mirvetuximab-Soravtansin: Bei platin-resistentem Rezidiv mit Folat-Rezeptor-alpha-positivem, high-grade serösen Karzinom - Ansprechrate 42,3% vs. 15,9% bei Standardchemotherapie

  • Trametinib: Für seröse low-grade Ovarialkarzinome

Rezidivtherapie

Je nach Platin-freiem Intervall kommen verschiedene Chemotherapeutika, PARP-Inhibitoren, Bevacizumab oder die neue zielgerichtete Therapie Mirvetuximab-Soravtansin zum Einsatz.

Gibt es Rezidive bei einem Ovarialkarzinom?

Bei der Mehrzahl der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom kommt es nach einer Behandlung zum Rückfall (Rezidiv), d.h. einem Wiederauftreten des Tumors. Dies erfolgt häufig 6 bis 12 Monate nach Abschluss der Primärtherapie [1, 2].

Moderne Rezidivklassifikation

Die frühere starre Einteilung nach dem 6-Monats-Cut-off ist nicht mehr ausreichend. Heute unterscheidet man zwischen „platingeeignetem“ und „nicht-platingeeignetem“ Rezidiv unter Berücksichtigung von Patientinnenpräferenz, Alter, Belastbarkeit, BRCA-Mutationsstatus, vorheriger PARP-Inhibitor-/Bevacizumab-Therapie und tumorbiologischen Aspekten [1, 2].

Therapieoptionen beim Rezidiv

Platin-resistentes Rezidiv

Therapieziel: Optimierung der Lebensqualität

  • Mirvetuximab-Soravtansin: Monotherapie bei Folat-Rezeptor-alpha-positivem, high-grade serösen Karzinom

  • Nicht-platinhaltige Monochemotherapie: Topotecan, pegyliertes liposomales Doxorubicin (überlegene Aktivität belegt), Gemcitabin, Paclitaxel

  • Bevacizumab-Kombinationen: Mit Paclitaxel, Topotecan oder pegyliertem liposomalem Doxorubicin

Platin-sensitives Rezidiv

Therapieziel: Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens

  • Erneute platinhaltige Chemotherapie

Mirvetuximab Soravtansin verlängert Überleben bei FRα-positivem Ovarialkarzinom

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Strahlentherapie

Anders als bei der Primärbehandlung kann bei Rezidiven in ausgewählten Fällen eine lokalisierte Strahlentherapie zur Symptomkontrolle erfolgreich eingesetzt werden. Moderne Techniken (IMRT, stereotaktische Bestrahlung) ermöglichen nebenwirkungsarme Behandlung von Beckenrezidiven bis hin zur lokalen Brachytherapie bei Vaginalrezidiven [1, 2].

Wichtig: Für Rezidive gibt es derzeit keine kurative Therapie. Die Behandlung orientiert sich am Erreichen einer Remission sowie am Nebenwirkungsprofil und der Lebensqualität [1, 2].

Wie sieht die Prognose mit einem Ovarialkarzinom aus?

Die Prognose beim Ovarialkarzinom ist ungünstiger als bei anderen gynäkologischen Krebserkrankungen. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt bei ca. 43% über alle Stadien. Der Hauptgrund: Etwa 75% der Fälle werden erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert [1].

Wichtigste Prognosefaktoren:

  • Tumorstadium

  • Postoperativer Tumorrest - makroskopische Komplettresektion verlängert das Überleben um 30-60 Monate je nach Stadium

  • Alter, Allgemeinzustand, histologischer Typ, Tumorgrading

  • Leitliniengerechte Therapie

Moderne Therapien (PARP-Inhibitoren, Bevacizumab, neue zielgerichtete Substanzen) und verbesserte operative Techniken haben die Überlebenszeiten in den letzten Jahren deutlich verlängert. Dem Langzeitüberleben (Survivorship bei Patientinnen mit >5 Jahren Krankheitsdauer) kommt zunehmend Bedeutung zu [1].

Häufig gestellte Fragen von Patient:innen

Literatur:

(1)

S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren, Leitlinienprogramm Onkologie, AWMF online, Stand Juli 2025. AWMF-Registernummer: 032/035OL. Abrufbar unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ovarialkarzinom (zuletzt aufgerufen am: 19.08.25)

(2)

Onkpedia-Leitlinie zum Ovarialkarzinom, Stand Juli 2023. Abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/ovarialkarzinom/@@guideline/html/index.html (zuletzt aufgerufen am: 19.08.25)