Journal Onkologie
Ovarialkarzinom

Niedriggradiger seröser Eierstockkrebs macht nur 5–10% aller epithelialen Ovarialkarzinome aus und ist aufgrund seiner biologischen Eigenschaften besonders schwer zu behandeln. Der Ursprung der Erkrankung ist bislang nicht eindeutig geklärt. Viele Patientinnen zeigen zuvor eine nicht-invasive Gewebeveränderung, sogenannte seröse Borderline-Tumore, die meist operativ entfernt werden. In einigen Fällen entwickeln sich daraus jedoch invasive LGSC, die eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellen können. Hinzu kommt, dass LGSC in der Regel nur schlecht auf Standard-Chemotherapien anspricht, was die therapeutischen Optionen zusätzlich einschränkt.

Deep Visual Proteomics und räumliche Transkriptomik kartieren Tumorentwicklung

Um die zugrunde liegenden Mechanismen der Tumorprogression besser zu verstehen, analysierte ein interdisziplinäres Forschungsteam Gewebeproben von Patientinnen in unterschiedlichen Krankheitsstadien – von serösen Borderline-Tumoren über mikropapilläre Zwischenformen bis hin zu invasiven und metastasierten Karzinomen. Mithilfe von Laser-Mikrodissektion wurden Tumorzellen und Zellen der Tumorumgebung isoliert und anschließend mit Deep Visual Proteomics hochauflösend untersucht.

Durch maschinelles Lernen und massenspektrometrische Analyse entstanden im Anschluss zelltypspezifische Proteinsignaturen, die Rückschlüsse auf zentrale biologische Prozesse erlauben. Ergänzt wurde der Ansatz durch räumliche RNA-Analysen, wodurch sich veränderte Signalwege präzise im Gewebe lokalisieren ließen. Die Ergebnisse lieferten Einblicke in die Interaktion von Tumorzellen mit ihrer Umgebung sowie in frühe molekulare Veränderungen, die mit dem Übergang von nicht-invasiven zu invasiven Stadien assoziiert sind.

Deep Visual Proteomics ist eine Methode, die 2022 in der Abteilung von Prof. Dr. Matthias Mann am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried entwickelt wurde. Sie kombiniert moderne Mikroskopie, maschinelles Lernen, Lasermikrodissektion und ultrasensitive Massenspektrometrie mit nachgeschalteten bioinformatischen Analysen, um Proteine zelltypspezifisch und räumlich hochauflösend im Gewebe zu erfassen.

Neuronale Proteine fördern Übergang zur Invasivität

Auf Basis der räumlichen Analysen konnten die Forschenden nicht nur Signalwege charakterisieren, sondern auch neue molekulare Akteure identifizieren, die maßgeblich an der Tumorprogression beteiligt sind. Besonders auffällig war das Protein NOVA2, das in gesundem oder gutartigem Gewebe nicht nachweisbar war, jedoch ausschließlich in invasiven Tumoren und deren Metastasen vorkam.

NOVA2 gehört zu einer Gruppe von Proteinen mit normalerweise neuronaler Funktion, die in diesem Zusammenhang erstmals mit Eierstockkrebs assoziiert wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass NOVA2 als molekularer Schalter wirken könnte, der die Invasionsfähigkeit von Tumorzellen auslöst. Um diese Annahme zu überprüfen, testete das Team die Funktion dieser Proteine in menschlichen Zellkulturen. Wurden sie gezielt entfernt, verringerten sich sowohl die Proliferation als auch die Fähigkeit der Tumorzellen, in gesundes Gewebe einzudringen – ein klarer Hinweis auf ihre zentrale Rolle im malignen Umbauprozess.

16 potenzielle Zielstrukturen erfasst

Basierend auf den räumlich erfassten molekularen Daten identifizierten die Forschenden 16 potenzielle Zielstrukturen und untersuchten deren therapeutisches Potenzial in Zellmodellen. Besonders vielversprechend zeigte sich eine Kombination aus Milciclib, das die Zellvermehrung hemmt, und Mirvetuximab, einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das gezielt FOLR1-positive Tumorzellen angreift. In präklinischen Modellen führte diese Kombination zu einer deutlichen Reduktion der Tumorlast.

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Quelle:

Max-Planck-Institut für Biochemie

Literatur:

(1)

Schweizer L et al. (2025) Spatial proteo-transcriptomic profiling reveals the molecular landscape of borderline ovarian tumors and their invasive progression, Cancer Cell, DOI: 10.1016/j.ccell.2025.06.004

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