Ewing-Sarkom mit hoher Mortalitätsrate verbunden
Das
Ewing-Sarkom ist eine aggressive Tumorform, die mit einer Häufigkeit von 2-2,4 von 1.000.000 bei Kindern und jungen Erwachsenen zu den
seltenen Erkrankungen gehört. Obwohl sich das Gesamtüberleben für 70% der Erkrankten in den letzten Jahren durch Kombinationen von Operation,
Bestrahlung und
Chemotherapie stark verbessert hat, verstirbt etwa ein Drittel der Patienten mit Metastasen innerhalb der ersten 5 Jahre nach Diagnose. Leider gibt es gerade für seltene Erkrankungen von Seiten der pharmazeutischen Industrie oft nur wenig wirtschaftlichen Anreiz zur Entwicklung von wirksamen und möglichst zielgerichteten Therapien. Daher haben sich die Forscher Prof. Dr. Wolfgang Berdel und Dr. Sebastian Bäumer von der Westfälischen Universität (WWU) Münster in diesem Projekt vorgenommen, eine solche Therapie zu entwickeln.
Auslöser für Wachstum eines Ewing-Sarkoms gut erforscht
Ursache für das Wachstum ist eine genetische Veränderung, die die Bildung eines Fusionsproteins EWS-FLI1 hervorruft. Dieser neue Faktor verändert die Zellen so, dass sie ungehemmt wachsen. Im Labor konnte bereits dieser Faktor und damit das Wachstum der Ewing-Tumorzellen gehemmt werden. In Patient:innen gelang dies bislang nicht, der Faktor
EWS-FLI1 galt als „unangreifbar“.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Ewing-Sarkom: Blutuntersuchung statt Tumorbiopsie?
Erschienen am 22.03.2022 • Die Überwachung des Ewing-Sarkoms ist oft sehr belastend. Einfacher soll es mit der Flüssigbiopsie werden. Mehr erfahren Sie bei uns!
Erschienen am 22.03.2022 • Die Überwachung des Ewing-Sarkoms ist oft sehr belastend. Einfacher soll es mit der Flüssigbiopsie werden....
© fotoliaxrender - stock.adobe.com
Wie können siRNAs effektiv in die Zellen transportiert werden?
2005 ging der Nobelpreis für Medizin an die beiden Forscher Craig Mello und Andrew Z. Fire für ihre Entdeckung, dass kleine RNA-Moleküle die Vorlage von jeglichen Proteinen in der Zelle, die
mRNA, hemmen können. In die Anwendung der small interfering RNAs (siRNAs) wurde und wird große Hoffnung gesetzt, da mit ihnen solche bislang unangreifbare Faktoren wie EWS-FLI1 aus den Ewing-Tumorzellen stillgelegt werden könnten. Weil siRNAs aber nicht spontan von Zellen aufgenommen und darüber hinaus rasch in der Blutzirkulation abgebaut werden, suchen viele Forschungsgruppen seither mit Hochdruck nach einer Lösung, wie sich siRNAs sicher und effektiv in Zellen transportieren lassen.
Injektion mit Nanoträger könnte Wachstum des Ewing-Sarkoms hemmen
Um die siRNA vor einem unerwünschten Abbau in der Blutzirkulation zu schützen, wurde sie in einen Nanoträger aus Protamin, einem körpereigenen Spermiumprotein, verpackt. Zudem umgaben die beiden Forscher aus Münster diese Nanoträger mit Antikörpern gegen ein Oberflächenmolekül von Ewing-Tumorzellen. So können sich die Antikörper mitsamt dem Protamin und den siRNAs gegen das EWS-FLI1 an die Einwegzelle binden und sogar aufgenommen werden. Innerhalb der Zelle verhindern die siRNAs dann die Produktion von EWS-FLI1 und entziehen so den Ewing-Tumorzellen die Grundlage für ihr ungehemmtes Wachstum. Mit Hilfe von Mäusen konnte die Forschungsgruppe bereits nachweisen, dass das Wachstum von Ewing-Tumorzellen nach Injektion mit dem Nanoträger samt Fracht stark eingeschränkt wurde, ohne dass die Mäuse dabei Anzeichen von Nebenwirkungen hatten. So kann davon ausgegangen werden, dass sich die Wirkung der siRNAs gegen EWS-FLI1 wie erhofft und erwartet auf die Ewing-Sarkomzellen beschränkt. Dies ist ein bedeutsamer Unterschied zu sonstigen Chemotherapeutika, die prinzipiell in alle Körperzellen aufgenommen werden können. EWS-FLI1 befindet sich nur in den Ewing-Tumorzellen und nur diese Zellen sind von seiner Anwesenheit abhängig. Damit kann die siRNA gegen EWS-FLI1 auch bei unbeabsichtigter Aufnahme in Nicht-Ewing-Tumorzellen voraussichtlich keinen Schaden anrichten und wird schnell vom Körper abgebaut.
Therapeutische RNA-Interferenz als onkologische Therapieoption
Der Forschungsgruppe gelang es, ihre Ergebnisse durch Anpassung der siRNA und des Antikörpers auf andere Krebsarten wie Lungen- oder Blutkrebs auszuweiten. Die RNA-Interferenz kann nun therapeutisch angewendet werden, indem das System modular auf die Bedürfnisse anderer Tumorerkrankungen oder gänzlich anderer Erkrankungen übertragen wird. So ist eine Plattform für die Entwicklung weiterer molekularer und personalisierter Therapieoptionen entstanden.