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Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
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Ist die chronisch lymphatische Leukämie heilbar? Wie lange kann man mit CLL leben? Welche Beschwerden treten bei CLL auf? Die Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema CLL finden Sie in unserem Überblicksartikel!
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Was ist eine chronische lymphatische Leukämie?

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) gilt als häufigste Krebserkrankung der weißen Blutzellen (Leukozyten, auch: weiße Blutkörperchen). Sie tritt hauptsächlich im höheren Alter auf und zeigt sich anfangs oft mit unspezifischen Symptomen. Die Diagnose ist deshalb oft ein Zufallsbefund im Rahmen einer Blutuntersuchung aus einem anderen Grund. Die chronische lymphatische Leukämie schreitet in der Regel nur langsam voran, weshalb nicht alle Patient:innen sofort eine spezifische Behandlung erhalten müssen. Bei fortgeschrittener Erkrankung stehen Chemotherapie, Immuntherapie und zielgerichtete Therapien zur Behandlung bereit. Die Prognose ist häufig gut. Schwierig ist die Behandlung bei Vorliegen einer Richter-Transformation, bei der sich die CLL in ein deutlich bösartigeres diffus großzelliges B-Zell-Lymphom wandelt, das eine maligne Erkrankung darstellt und in jedem Fall behandlungsbedürftig ist.
 
 

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Welche Symptome hat die chronische lymphatische Leukämie?

Es gibt keine Symptome, die spezifisch auf die Erkrankung hindeuten; als mögliche Hinweise auf die Leukämie gelten aber:
 
  • längerfristige, chronische Müdigkeit und Abgeschlagenheit
  • häufige und länger anhaltende Infektionen
  • verringerte Zahl roter Blutkörperchen (Anämie) und blasse Haut
  • häufige und verlängerte Blutungen
  • vermehrte blaue Flecken (Hämatome)
  • vergrößerte, nicht schmerzende Lymphknoten
  • vergrößerte Milz
  • deutlich mehr weiße Blutkörperchen im Blut
  • gemeinsames Auftreten von unerklärbarem Fieber (> 38 °C), starkem Nachtschweiß und ungewolltem Gewichtsverlust (sog. B-Symptomatik)

Welche Risikofaktoren gibt es?

Einige Risikofaktoren begünstigen das Auftreten einer CLL:
 
  • erbliche Vorbelastung
  • bestehende monoklonale B-Lymphozytose (MBL) als mögliche Vorstufe (Präneoplasie) der malignen Erkrankung
  • geschwächtes Immunsystem
  • höheres Alter

Wie wird eine CLL festgestellt?

Die Diagnose wird oftmals gestellt, wenn der oder die Patient:in aufgrund eines anderen Problems in einer ärztlichen Praxis vorstellig wird. Das Durchschnittsalter der Patient:innen zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei Männern bei 70 Jahren und bei Frauen bei 72 Jahren.

Bei Verdacht auf eine Leukämie bzw. einer Erkrankung des lymphatischen Systems können verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, u.a.  
 
  • körperliche Untersuchung
  • ärztliche Befragung zu Familienanamnese
  • kleines oder großes Blutbild (Differenzialblutbild)
  • Immunphänotypisierung der Blutzellen zum Labornachweis bestimmter Zellmerkmale, z.B. B-Zell-Antigene CD19, CD20, CD23; T-Zell-Antigen CD5
  • Nachweis der Monoklonalität der Krebszellen, d.h. ihren Ursprung aus einer einzigen veränderten Zelle
  • Blutuntersuchungen zu Leber- und Nierenwerten, Immunglobulinen
  • Ultraschalluntersuchung der Organe im Bauch
Im Differenzialblutbild werden u.a. die einzelnen Blutzelltypen aufgeschlüsselt. Eine Lymphozytenzahl über 5.000/Mikroliter Blut über mindestens 3 Monate hinweg (chronisch) gilt als deutlicher Hinweis. Auch eine zytogenetische und molekulargenetische Untersuchungen der B-Lymphozyten kann hilfreich sein. In Ausnahmefällen und zum Ausschluss anderer Erkrankungen kann auch eine Knochenmarksuntersuchung nötig sein.
 
 

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Was ist der Ursprung einer CLL?

Eine CLL geht von veränderten B-Lymphozyten aus, die sich übermäßig in Blut und Lymphknoten vermehren, die normalen Blutzellen verdrängen und ihre Funktion in der Immunantwort nicht mehr ausüben.

Bei Leukämien sammeln sich veränderte Zellen vor allem im Blut und Knochenmark, bei Lymphomen dagegen in den Lymphknoten. Weil sich bei der CLL sowohl im Blut als auch in den Lymphknoten veränderte B-Lymphozyten ansammeln, nimmt die Erkrankung eine Zwischenstellung zwischen Leukämien und Lymphomen ein und wird  inzwischen häufiger zu den Lymphomen gezählt.

Wie verläuft eine chronische lymphatische Leukämie?

Etwa ein Drittel der Betroffenen haben über Jahre hinweg keine oder kaum Symptome und müssen keine spezifische Therapie erhalten. Viele haben eine relativ normale Lebenserwartung.
Bei einem weiteren Drittel der Betroffenen treten im Verlauf der Erkrankung Beschwerden auf, deren Ursache meist in einer gestörten Immunabwehr, einem Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und einer verminderte Zahl an Blutplättchen (Thrombozyten) zur Blutstillung liegt. Erst wenn sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert, erhalten sie eine spezifische Therapie, die zum Erhalt der normalen Lebenserwartung führen kann. Darin liegt auch die Chronifizierung bei lymphatischer Leukämie begründet.

Das letzte Drittel der Betroffenen zeigt schon bei Diagnose Beschwerden und erhält relativ rasch eine Behandlung. 

Bei 2-10% aller CLL-Patient:innen kommt es im Laufe der Zeit zur sogenannten Richter-Transformation. Hierbei wandelt sich die Erkrankung in ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL), das eine deutlich bösartigere (malignere) Erkrankung darstellt und die Prognose der Patient:innen wesentlich verschlechtert.

Welche Krankheitsstadien gibt es bei CLL?

Verschiedene Faktoren werden zur Bestimmung des Krankheitsstadiums bei Leukämie betrachtet:
 
  • Tastbefund vergrößerter Lymphknoten, Leber, Milz
  • Hämoglobin-Gehalt des Blutes
  • Thrombozyten-Wert
Die häufig eingesetzte Binet-Klassifikation teilt die chronische Leukämie in 3 Stadien (A, B, C) ein; die überwiegend in den USA genutzte Rai-Klassifikation in 5 Stadien (0-IV).
 
Binet-Klassifikation:
 
  • Stadium A: frühes Stadium mit erhöhter B-Lymphozytenzahl, ohne weitere Blutanomalien, nur sehr begrenzt geschwollene Lymphknoten
  • Stadium B: frühes Stadium mit erhöhter B-Lymphozytenzahl, ohne weitere Blutanomalien, aber Tastbefund in mindestens 3 Körperregionen
  • Stadium C: fortgeschrittenes Stadium mit erhöhter B-Lymphozytenzahl und weiteren Blutanomalien wie verminderte Erythrozyten- und Thrombozytenzahl
     
     

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Was ist der Internationale Prognoseindex (CLL-IPI)?

Anhand des CLL-IPI können Ärzt:innen abschätzen, wie die individuelle Erkrankung ohne Behandlung verlaufen würde und welche Therapie deshalb in Betracht zu ziehen ist. Zur Abschätzung dieses klinischen Outcome werden 5 verschiedene Faktoren in unterschiedlicher Gewichtung berücksichtigt:
 
  • Mutation des TP53-Gens in den Zellen der Leukämie
  • Mutation des Gens IGHV (immunoglobulin heavy chain gene) in Leukämiezellen
  • Vorliegen des Tumormarkers β2-Mikroglobulin im Blut
  • Binet-Stadium der Leukämie
  • Alter der Patient:innen

Welche Behandlung gibt es für die CLL?

Zur Therapie stehen Medikamente zur Verfügung, die teilweise in Kombination eingesetzt werden:
  Die Behandlung zielt im Wesentlichen darauf ab, das Fortschreiten sowie Komplikationen zu verhindern. Auch wenn hiermit eine Heilung nicht möglich ist, können viele Patient:innen so ein normales Lebensalter bei guter Lebensqualität erreichen. Eine Heilung kann lediglich durch eine allogene Stammzelltransplantation (SZT) versucht werden; deren Machbarkeit, Nutzen und Risiken sollten aber gut abgewägt werden.

Welche Faktoren bestimmen die Wahl der Therapie?

 Die Therapie wird gewählt nach
 
  • Charakteristika der individuellen Erkrankung
  • Risikofaktoren
  • Alter und Allgemeinzustand des Betroffenen
  • Begleiterkrankungen

Welche Medikamente werden bei CLL eingesetzt?

Für Patient:innen ohne Begleiterkrankungen gilt die Chemoimmuntherapie als Standard. Dabei werden Chemotherapeutika gemeinsam mit monoklonalen Antikörpern eingesetzt. Bei jüngeren Patient:innen ist dies beispielsweise eine Kombination aus einer Chemotherapie mit Fludarabin und Cyclophosphamid mit dem Antikörper Rituximab, der gegen das Molekül CD20 auf den Krebszellen gerichtet ist (FCR-Regime). Bei älteren Patient:innen kann das Chemotherapeutikum Bendamustin mit Rituximab kombiniert werden (BR-Schema).  

Inzwischen sind auch orale Inhibitoren der zellulären Signalwege, wie Ibrutinib (Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor, BTK-Inhibitor), Idelalisib (PI3K-Inhibitor) und Venetoclax (B-cell-lymphoma-2-Inhibitor, Bcl-2-Inhibitor) für die CLL-Therapie anwendbar.
 
 

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Die Krebszellen von Hochrisiko-CLL-Patient:innen zeigen Veränderung im TP53-Gen, die zum schnellen und aggressiven Fortschreiten der Erkranung beitragen und mit einer schlechteren Prognose einhergehen. Weil diese Patient:innen häufig nicht auf Chemotherapien ansprechen, erhalten sie zunehmend zielgerichtete Therapien, die spezifisch in die Signalwege der Krebszellen eingreifen. Beispiele sind die Substanzen Ibrutinib, Idelalisib und Venetoclax. Weitere zielgerichtete Substanzen werden im Rahmen klinischer Studien gestestet.

Für Patient:innen mit  Richter-Transformation gibt es derzeit keine Standardtherapie. Hier wird in klinischen Studien auch der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren untersucht, zu denen PD-1-blockierende Antikörper wie Pembrolizumab zählen. Checkpoint-Inhibitoren sollen Schranken im Immunsystem lösen, um eine körpereigene Anti-Tumor-Antwort zu unterstützen.

Was ist beim Rezidiv oder bei Komplikationen?

Patient:innen mit einem Rückfall (Rezidiv) nach erfolgter Therapie können erneut eine Erstlinientherapie erhalten, sofern ihre körperliche Verfassung dies zulässt. Bei frühzeitigem Rezidiv oder genetischen Risikofaktoren können weitere Therapieansätze mit monoklonalen Antikörpern, zielgerichteten Therapien oder eine allogene Stammzelltransplantation in Betracht gezogen werden.

Auch verschiedene Komplikationen durch die Erkrankung oder Therapie sind zu bedenken. So können Autoimmunreaktionen wie autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) oder Autoimmunthrombopenie auftreten, bei denen sich das Immunsystem des/der Patient:in gegen den eigenen Körper richtet. Dem kann mit Kortisonbehandlung entgegengewirkt werden.

Bei häufigen Infekten aufgrund des Immunzellmangels werden zum Teil vorsorglich (prophylaktisch) Immunglobuline als Infusion verabreicht, auch wenn die Wirksamkeit umstritten ist.

Empfohlen wird auch eine Impfprophylaxe gegen Lungenentzündung (Pneumokokkenimpfung), gegen Herpes-simplex-Virus, gegen Influenza-Virus und gegen Sars-CoV-2 (COVID-19), um das Risiko zusätzlicher Infektionen zu verringern.

Weitere Informationen zur chronischen lymphatischen Leukämie erhalten Sie in der S3-Leitlinie zur CLL des Leitlinienprogramms Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF).
 
 

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Redaktion journalonko.de

Literatur:

(1) S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einerchronischen lymphatischen Leukämie (CLL), Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und Deutschen Krebshilfe (DKH). Langversion 1.0 – März 2018 AWMF-Registernummer: 018-032OL.
(2) Wendtner, C,-M. et al, Chronische lymphatische Leukämie (CLL), Sept. 2020, https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/chronische-lymphatische-leukaemie-cll/@@guideline/html/index.html.
(3) CLL: Chronische lymphatische Leukämie, Stand 23.12.2021 https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/leukaemien/einteilung.php.
(4) Patientenleitlinie Chronische lymphatische Leukämie (CLL), „Leitlinienprogramm Onkologie“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und der Stiftung Deutsche Krebshilfe, Juli 2018, 5. https://www.krebshilfe.de › Patientenleitlinien.
(5) Tresckow J, Eichhorst B, Bahlo J, Hallek M: The treatment of chronic lymphatic leukemia. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 41–6. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0041.
(6) Rieger, C.T., Impfungen in der Hämatoonkologie, InFo Hämatol Onkol. 2021; 24(3): 21–23. doi: 10.1007/s15004-021-8572-3.

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