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25. März 2020 Seite 1/3
Onkopedia-Leitlinie: Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen
Grundlagen
SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen Viren (Community acquired respiratory viruses=CARV), die obere und untere Atemwegsinfektionen auslösen können. SARS-CoV-2 ist ein 2019 neu beschriebenes RNA-Betacoronavirus, das Ähnlichkeit mit dem SARS-Erreger von 2003 besitzt und seit Ende 2019 in China als Auslöser der Atemwegsinfektion COVID-19 entdeckt wurde. Atemwegsinfektionen durch CARV werden generell unterteilt in obere und untere Atemwegsinfektionen. Eine obere Atemwegsinfektion (Upper Respiratory Tract Infectious Disease=URTID) wird angenommen, wenn neu-aufgetretene typische Symptome einer Erkältung wie Husten, Halsschmerzen, Schnupfen oder Luftnot mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Myalgien, Fiebergefühl und Fieber auftreten sowie dieser Symptomkomplex als infektionsbedingt eingeschätzt wird, und ein Virus nachgewiesen werden konnte. CARV-Infektionen können auch initial die unteren Atemwege befallen und mit zunehmender Lungenbeteiligung zu lebensgefährlichen Störungen des Gasaustausches führen. Diese virale Pneumonie kann objektiviert werden, wenn zusätzlich zu den genannten Symptomen eine fortschreitende Abnahme der Sauerstoffsättigung bei Raumluft bzw. 6 Liter O2-Zufuhr zusammen mit radiologischen Infiltraten auftritt, die sich früh meist nur mittels Computertomographie darstellen lassen. Zwar gehen bestimmte CARVs häufiger mit bestimmten Symptomen einher, der Symptomkomplex ist aber nicht spezifisch, da alle CARV alle Symptome auslösen können. Eine Lungenbeteiligung bei CARV Infektionen wird bei Krebspatienten überproportional häufig beobachtet und der geschwächten Mobilisierung der Immunantwort zugeordnet, und auch die Mortalität ist höher als in der gesunden Bevölkerung (1-7).
Epidemiologie und Risikofaktoren
SARS-CoV-2 ist hoch kontagiös. Einen aktuellen Überblick geben die Weltgesundheitsorganisation (8) und das Robert-Koch-Institut (RKI) (9).
Generell ist das Risiko für Krebspatienten, durch eine Infektion mit respiratorischen Viren eine Lungenentzündung zu erleiden, deutlich höher als für Gesunde (1). Dies gilt wahrscheinlich auch für Infektionen durch SARS-CoV-2 (10, 11).
Potenzielle Risikofaktoren, die bei anderen CARV-Infektionen eine Rolle spielen, sind u.a.
Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Patienten mit schwerem Verlauf einer COVID-19 Erkrankung älter waren und häufig eine Lymphozytopenie beobachtet wurde, sollten diese Risikofaktoren besondere Aufmerksamkeit finden (10-12).
Vorbeugung
Händedesinfektion und freiwillige Isolation
Die wichtigsten Maßnahmen sind hygienische Händedesinfektion, Einhalten von Abstand (2m) zu anderen Personen und Eingrenzung der sozialen Kontakte. Aktuelle Hinweise hierzu finden sich unter www.rki.de (8). Patienten, die aktuell eine immunsuppressive Therapie erhalten bzw. aktuell unter einer unkontrollierten Krebserkrankung leiden, sollten besonders vorsichtig sein.
Begleiterkrankungen
Da vor allem Menschen mit Begleiterkrankungen schwere Verläufe einer SARS-CoV-2 Infektion haben, erscheint es sinnvoll, besonders auf eine gute generelle Gesundheit zu achten. Deswegen sollte unbedingt auf einen ausreichenden Ernährungsstatus (Behandlung einer Tumorkachexie, Ausgleich potenzieller Mangelzustände wie Vitamin D und Eisen-Mangel) und auf eine ausreichende Mobilität u.a. als Pneumonieprophylaxe (Physiotherapie, Atemtherapie) geachtet werden. Nichtrauchen ist wie immer dringend empfohlen.
Sekundäre Immundefizienz
Patienten mit sekundärer Immundefizienz, einer Vorgeschichte von rezidivierenden Infekten und IgG-Werten < 4g/l erfüllen gemäß EMA die Kriterien für eine Immunglobulinsubstitutionstherapie (13). Intravenöse Immunglobuline wirken zum aktuellen Zeitpunkt aus Mangel an spezifischen Antikörpern nicht spezifisch neutralisierend gegen SARS-CoV-2, aber sie können bei Patienten mit ausgeprägter Hypogammaglobulinämie die Defizienz abmildern und andere virale oder bakterielle Infektionen vermindern. Da im Verlauf der Pandemie gerade jüngere Personen zunehmend immun werden, ist absehbar, dass zunehmend protektive Immunglobulinpräparationen erhältlich werden.
Arterielle Hypertonie
Patienten, die eine arterielle Hypertonie haben, sollten gut eingestellt sein, da dies einer der wichtigsten klinischen Risikofaktoren zu sein scheint (12). Experimentell gibt es Hinweise auf mögliche negative Effekte von ACE-Hemmern (14). Da allerdings klinische Daten hierzu fehlen, ist ein unkritisches Umstellen der antihypertensiven Medikation nicht empfohlen (15).
Verschieben und Aussetzen einer Krebstherapie
Bei Patienten mit Krebs- oder Blutkrankheiten soll individuell abgewogen werden, ob die Verschiebung, Verzögerung oder Änderung einer Behandlung der Grundkrankheit indiziert ist. Daten aus Studien oder Registern liegen hierfür nicht vor. Entscheidungskriterien sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Die graphische Darstellung führt auf, welche Kriterien bei einer Entscheidung berücksichtigt werden sollen. Sie illustriert auch, dass die Relevanz der jeweiligen Faktoren variabel ist. Dabei können sowohl Kriterien für als auch gegen eine Beeinflussung der Behandlungsentscheidung durch COVID-19 sprechen. Für einen Punkte-Score fehlt die Evidenz. Die jeweilige Gewichtung erfolgt individuell. Meinungen von Experten zu einzelnen Arzneimitteln finden sich im Anhang Management gezielter Therapie (Targeted Therapy) bei Krebspatienten mit COVID-19.
Generell gilt, dass zum jetzigen Zeitpunkt in den meisten Fällen die effektive Behandlung der Krebserkrankung für das Überleben der Patienten wichtiger ist als übertriebene Vorsichtsmaßnahmen im Sinne unnötiger Unterbrechungen oder Verschiebungen.
Vor diesem Hintergrund sollte auch noch einmal betont werden, dass Patienten, deren Erkrankung durch eine bestimmte Therapie kontrolliert ist, meistens weniger Infektionen erleiden als Patienten, die nicht effektiv behandelt sind (16). Außerdem kann ein unnötiges Absetzen gut eingestellter Medikamente Patienten durch unerwünschte Ereignisse gefährden – beispielsweise beschrieben für das Rebound-Phänomen nach Absetzen von Ruxolitinib (17).
In Abwägung individueller Faktoren kann es sinnvoll sein, manche Therapien auszusetzen oder zu verschieben. Für alle Patienten unter immunsuppressiver Therapie sollte strengstmögliche (häusliche) Isolation empfohlen werden. Auch kann bei Patienten, die vom RKI als Verdachtsfall eingestuft werden, nach Beginn einer strengen Quarantäne soweit klinisch vertretbar einige Tage zugewartet werden, um die Entwicklung möglicher Symptome abzuschätzen, siehe auch Empfehlung der EBMT zur Stammzelltransplantation (18).
Da COVID-19 einen ähnlichen Verlauf wie eine Hypersensitivitätspneumonie haben kann, sollte man bei Medikamenten, die diese Nebenwirkung ebenfalls verursachen können (z.B. Checkpoint-Inhibitoren), besondere Vorsicht walten lassen (19).
SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen Viren (Community acquired respiratory viruses=CARV), die obere und untere Atemwegsinfektionen auslösen können. SARS-CoV-2 ist ein 2019 neu beschriebenes RNA-Betacoronavirus, das Ähnlichkeit mit dem SARS-Erreger von 2003 besitzt und seit Ende 2019 in China als Auslöser der Atemwegsinfektion COVID-19 entdeckt wurde. Atemwegsinfektionen durch CARV werden generell unterteilt in obere und untere Atemwegsinfektionen. Eine obere Atemwegsinfektion (Upper Respiratory Tract Infectious Disease=URTID) wird angenommen, wenn neu-aufgetretene typische Symptome einer Erkältung wie Husten, Halsschmerzen, Schnupfen oder Luftnot mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Myalgien, Fiebergefühl und Fieber auftreten sowie dieser Symptomkomplex als infektionsbedingt eingeschätzt wird, und ein Virus nachgewiesen werden konnte. CARV-Infektionen können auch initial die unteren Atemwege befallen und mit zunehmender Lungenbeteiligung zu lebensgefährlichen Störungen des Gasaustausches führen. Diese virale Pneumonie kann objektiviert werden, wenn zusätzlich zu den genannten Symptomen eine fortschreitende Abnahme der Sauerstoffsättigung bei Raumluft bzw. 6 Liter O2-Zufuhr zusammen mit radiologischen Infiltraten auftritt, die sich früh meist nur mittels Computertomographie darstellen lassen. Zwar gehen bestimmte CARVs häufiger mit bestimmten Symptomen einher, der Symptomkomplex ist aber nicht spezifisch, da alle CARV alle Symptome auslösen können. Eine Lungenbeteiligung bei CARV Infektionen wird bei Krebspatienten überproportional häufig beobachtet und der geschwächten Mobilisierung der Immunantwort zugeordnet, und auch die Mortalität ist höher als in der gesunden Bevölkerung (1-7).
Epidemiologie und Risikofaktoren
SARS-CoV-2 ist hoch kontagiös. Einen aktuellen Überblick geben die Weltgesundheitsorganisation (8) und das Robert-Koch-Institut (RKI) (9).
Generell ist das Risiko für Krebspatienten, durch eine Infektion mit respiratorischen Viren eine Lungenentzündung zu erleiden, deutlich höher als für Gesunde (1). Dies gilt wahrscheinlich auch für Infektionen durch SARS-CoV-2 (10, 11).
Potenzielle Risikofaktoren, die bei anderen CARV-Infektionen eine Rolle spielen, sind u.a.
- schwere Immunsuppression
- Neutropeniephase
- Lymphozytopenie < 0,2x109/L
- Alter > 65 Jahre (3).
Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Patienten mit schwerem Verlauf einer COVID-19 Erkrankung älter waren und häufig eine Lymphozytopenie beobachtet wurde, sollten diese Risikofaktoren besondere Aufmerksamkeit finden (10-12).
Vorbeugung
Händedesinfektion und freiwillige Isolation
Die wichtigsten Maßnahmen sind hygienische Händedesinfektion, Einhalten von Abstand (2m) zu anderen Personen und Eingrenzung der sozialen Kontakte. Aktuelle Hinweise hierzu finden sich unter www.rki.de (8). Patienten, die aktuell eine immunsuppressive Therapie erhalten bzw. aktuell unter einer unkontrollierten Krebserkrankung leiden, sollten besonders vorsichtig sein.
Begleiterkrankungen
Da vor allem Menschen mit Begleiterkrankungen schwere Verläufe einer SARS-CoV-2 Infektion haben, erscheint es sinnvoll, besonders auf eine gute generelle Gesundheit zu achten. Deswegen sollte unbedingt auf einen ausreichenden Ernährungsstatus (Behandlung einer Tumorkachexie, Ausgleich potenzieller Mangelzustände wie Vitamin D und Eisen-Mangel) und auf eine ausreichende Mobilität u.a. als Pneumonieprophylaxe (Physiotherapie, Atemtherapie) geachtet werden. Nichtrauchen ist wie immer dringend empfohlen.
Sekundäre Immundefizienz
Patienten mit sekundärer Immundefizienz, einer Vorgeschichte von rezidivierenden Infekten und IgG-Werten < 4g/l erfüllen gemäß EMA die Kriterien für eine Immunglobulinsubstitutionstherapie (13). Intravenöse Immunglobuline wirken zum aktuellen Zeitpunkt aus Mangel an spezifischen Antikörpern nicht spezifisch neutralisierend gegen SARS-CoV-2, aber sie können bei Patienten mit ausgeprägter Hypogammaglobulinämie die Defizienz abmildern und andere virale oder bakterielle Infektionen vermindern. Da im Verlauf der Pandemie gerade jüngere Personen zunehmend immun werden, ist absehbar, dass zunehmend protektive Immunglobulinpräparationen erhältlich werden.
Arterielle Hypertonie
Patienten, die eine arterielle Hypertonie haben, sollten gut eingestellt sein, da dies einer der wichtigsten klinischen Risikofaktoren zu sein scheint (12). Experimentell gibt es Hinweise auf mögliche negative Effekte von ACE-Hemmern (14). Da allerdings klinische Daten hierzu fehlen, ist ein unkritisches Umstellen der antihypertensiven Medikation nicht empfohlen (15).
Verschieben und Aussetzen einer Krebstherapie
Bei Patienten mit Krebs- oder Blutkrankheiten soll individuell abgewogen werden, ob die Verschiebung, Verzögerung oder Änderung einer Behandlung der Grundkrankheit indiziert ist. Daten aus Studien oder Registern liegen hierfür nicht vor. Entscheidungskriterien sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Die graphische Darstellung führt auf, welche Kriterien bei einer Entscheidung berücksichtigt werden sollen. Sie illustriert auch, dass die Relevanz der jeweiligen Faktoren variabel ist. Dabei können sowohl Kriterien für als auch gegen eine Beeinflussung der Behandlungsentscheidung durch COVID-19 sprechen. Für einen Punkte-Score fehlt die Evidenz. Die jeweilige Gewichtung erfolgt individuell. Meinungen von Experten zu einzelnen Arzneimitteln finden sich im Anhang Management gezielter Therapie (Targeted Therapy) bei Krebspatienten mit COVID-19.
Generell gilt, dass zum jetzigen Zeitpunkt in den meisten Fällen die effektive Behandlung der Krebserkrankung für das Überleben der Patienten wichtiger ist als übertriebene Vorsichtsmaßnahmen im Sinne unnötiger Unterbrechungen oder Verschiebungen.
Vor diesem Hintergrund sollte auch noch einmal betont werden, dass Patienten, deren Erkrankung durch eine bestimmte Therapie kontrolliert ist, meistens weniger Infektionen erleiden als Patienten, die nicht effektiv behandelt sind (16). Außerdem kann ein unnötiges Absetzen gut eingestellter Medikamente Patienten durch unerwünschte Ereignisse gefährden – beispielsweise beschrieben für das Rebound-Phänomen nach Absetzen von Ruxolitinib (17).
In Abwägung individueller Faktoren kann es sinnvoll sein, manche Therapien auszusetzen oder zu verschieben. Für alle Patienten unter immunsuppressiver Therapie sollte strengstmögliche (häusliche) Isolation empfohlen werden. Auch kann bei Patienten, die vom RKI als Verdachtsfall eingestuft werden, nach Beginn einer strengen Quarantäne soweit klinisch vertretbar einige Tage zugewartet werden, um die Entwicklung möglicher Symptome abzuschätzen, siehe auch Empfehlung der EBMT zur Stammzelltransplantation (18).
Da COVID-19 einen ähnlichen Verlauf wie eine Hypersensitivitätspneumonie haben kann, sollte man bei Medikamenten, die diese Nebenwirkung ebenfalls verursachen können (z.B. Checkpoint-Inhibitoren), besondere Vorsicht walten lassen (19).
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