Dienstag, 19. März 2024
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Überblick zum malignen Melanom

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Überblick zum malignen Melanom
© bertys30 - stock.adobe.com
Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 23.000 Menschen neu am malignen Melanom (1). Dessen Inzidenz ist in den letzten vierzig Jahren deutlich gestiegen, was einerseits am jahrelangen sorglosen Umgang mit Sonnenschutz und Solariennutzung, andererseits an der gesteigerten Detektion im Rahmen des Hautkrebs-Früherkennungsprogramms liegen mag. Inwieweit das Programm Auswirkungen auf die Mortalitätsrate hat, müssen zukünftige Auswertungen noch zeigen. So versterben derzeit in Deutschland jedes Jahr fast 3.000 Patienten am Melanom (1-3). Wichtig für Therapie und Prognose ist die Abgrenzung zum „hellen Hautkrebs“, zu dem das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom zählen. Das maligne Melanom („schwarzer Hautkrebs“) betrifft in erster Linie die Haut (90% der Todesfälle); selten sind Auge oder Schleimhäute betroffen (2).
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Klassifikation

Klinisch und histologisch unterscheidet die WHO-Klassifikation 4 Melanomtypen: Lentigo-maligna-Melanom, superfiziell spreitendes Melanom, knotiges Melanom und akrolentiginöses Melanom; seltene Varianten (etwa 5 % aller Melanome) sind u.a. spitzoides Melanom, nävoides Melanom und desmoplastisches bzw. neurotropes Melanom. Die Melanome zeigen ein teils deutlich unterschiedliches klinisches Bild und variieren farblich von blau-schwarz über braun-rot bis selten farblos/pigmentfrei; die Beschaffenheit reicht von flach über plaqueartig bis knotig (2, 4).

Als wichtigste Grundlagen für die Eingruppierung des Primärtumors gelten die genaue Lokalisation am Integument, die TNM-Klassifikation sowie molekulare Marker, die zunehmend mit den einzelnen Melanomtypen assoziiert werden (2). In die AJCC-Klassifikation gehen die Tumordicke nach Breslow und Ulzerationen des Primärtumors ein, wohingegen die Mitoserate in der neusten Version der AJCC-Klassifikation (8. Fassung von 2017, seit 2018 verbindlich) nicht mehr relevant ist (2, 5).

Risikofaktor UV-Strahlung

Als bedeutendster Risikofaktoren gilt nach heutigem Erkenntnisstand die UV-Strahlung, deren UV-Photonen mit verschiedensten zellulären Komponenten (Membran-Lipide, Proteine, intrazelluläre photosensible Moleküle (Flavine, Porphyrine), Nukleinsäuren) wechselwirken können. Eine starke UV-Exposition und schwere Sonnenbrände in der Kindheit und Jugend, sowie Suszeptibilitätsgene (CDKN2A (p16INK4A), Cyclin-abhängige Kinasen CDK4 und CDK6) werden mit der Melanomentwicklung in Zusammenhang gebracht, wenn auch hinsichtlich der Details von Induktion, Promotion und Progression des Melanoms noch Forschungsbedarf besteht (4). 

Serin/Threonin-Kinase BRAF als entscheidendes Onkogen

In 50-60% aller malignen Melanome finden sich genetische Veränderungen in Form on BRAF-Mutationen. Das Protein BRAF ist als Serin/Threonin-Kinase am RAS-RAF-MEK-ERK-(MAPK)-Signalweg auch in Normalzellen beteiligt (BRAF Wildtyp, BRAF wt). Bestimmte Gen-Mutationen, wie die in 90% aller Melanome vorkommende Valin-Glutamat-Mutation in Codon 600 (BRAFV600), führen zur Deregulation und übermäßigen Aktivierung des Signalwegs und sind damit an der verstärkten Proliferation und Apoptoseinhibition bei Melanomzellen beteiligt (4, 6). Die Mutationen sind die Basis für die Behandlung mit BRAF-Inhibitoren, wie dem seit 2011 in Europa zugelassenen Vemurafenib, sowie adjuvanten Therapien mit BRAF- und MEK-Inhibitoren (4).

Diagnose des malignen Melanoms

Zur Diagnostik des Melanoms gehören die Ganzkörperuntersuchung mit Inspektion des Integuments einschließlich der einsehbaren Schleimhäute, sowie die Palpation der Lymphknotenstationen und Lymphabstromgebiete. Mittels Exzisionsbiopsie lassen sich Tumordicke und Histologie bestimmen. Ab einer Tumordicke von 1,0 mm ohne Hinweis auf lokoregionale oder Fernmetastasierung soll eine Wächterlymphknoten-Biopsie zur Stadienzuordnung durchgeführt werden (2).

Auch die molekulare Analyse mit einem ganzen Panel an Techniken gilt inzwischen als fester Bestandteil der Diagnostik. Zu den Techniken zählen Karyotypisierung, In-situ-Hybridisierung (ISH) und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), komperative genomische Hybridisierung (CGH), DNA-Olignonukleotid-Mircro-Array-Technologien, Polymerasekettenreaktion (PCR), DNA-Sequenzierung und epigenetische Markerbestimmung (7).

Leitliniengerechte Therapie des malignen Melanoms

Die Heilungschancen bei früher Detektion und Entfernung des Melanoms sind bei einer relativen 10-Jahres-Überlebensrate von 92% (Frauen) und 88% (Männer) relativ hoch. Allerdings haben Patienten im Stadium IIC bereits ein hohes Rezidivrisiko, dass mit dem einer Mikrometastasierung im Stadium III vergleichbar ist (2, 3). Ab Stadium III (jede Tumordicke, Befall Lymphknoten, keine Fernmetastasen) sollten die Therapieempfehlungen im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenzen gegeben werden. Zur Kontrolle der Lymphknotenstationen sollte unter folgenden Konditionen eine postoperative adjuvante Radiotherapie durchgeführt werden: 3 Lymphknoten befallen, Kapseldurchbruch, LK-Metastase > 3 cm, lymphogenes Rezidiv. Ob das Entfernen des Wächterlymphknotens das Überleben der Patienten verbessert, ist Gegenstand aktueller Studien (2).

Adjuvante Therapie: Krebs-Immuntherapien und Kinase-Inhibitoren

Das primäre Ziel der adjuvanten Therapie ist die Verlängerung des Gesamtüberlebens. Weil sich der Nutzen aber erst nach Jahren nachweisen lässt, ist inzwischen das rezidivfreie Überleben als weiterer Endpunkt etabliert (8). Bisher wurden verschiedenste Strategien zur adjuvanten Therapie von Hochrisikopatenten in Studien getestet, von denen etliche keine anhaltende Verlängerung des rezidivfreien Überlebens oder Gesamtüberlebens erwirken konnten. Hierzu zählen zytostatikabasierte Strategien wie Polychemoimmuntherapie mit Dacarbazin+Cisplatin+Vinblastin+Interleukin-2+IFNalfa-2b+GCSF, unspezifische immunstimulatorische Maßnahmen wie BCG oder Levamisol, spezifische Tumorvakzinen mit denaturierten Melanomzelllinien oder Gangliosid GM2-KLH21 und anti-Angiogenese-Ansätze wie Bevacizumab (2).

Inzwischen wurden neuste Erkenntnisse zu vielversprechenden weiteren Therapieprinzipien bekannt, einerseits für die auf BRAF-Mutationen basierenden Kinase-Inhibitoren als sog. zielgerichtete Therapie und andererseits für die Krebs-Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren (3).
So zeigen zwei Studien mit Checkpoint-Inhibitoren eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens: Die Studie Checkmate238 verglich Nivolumab mit dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab, die zweite Studie (KEYNOTE-054) verglich den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab mit Placebo (2, 3, 8, 9).
Für die auf BRAF-Mutationen basierenden Kinase-Inhibitoren liegen Ergebnisse zu zwei randomisierten Studien vor, zum einen aus der COMBI-AD-Studie mit Patienten in den Stadien IIIA und IIIC und zum anderen aus der BRIM-8- Studie mit Patienten im Stadium IIC+IIIA+IIIB (B). Zum spezifischen Einsatz von Inhibitoren soll laut Leitlinienempfehlung ab Stadium IIIB auf relevante Mutationen getestet werden, wie BRAF, NRAS bei BRAF Wildtyp, c-kit bei akrolentiginösem Melanom und Schleimhautmelanom (2).

Für Patienten im Stadium III mit BRAF-V600-Mutation steht nach Operation des Melanoms mit Lymphknotenmetastasen eine unterstützende Behandlung mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib zur Verfügung. Für die Wirkstoffkombination wurde vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ein deutlicher Zusatznutzen beschrieben (10).

Redaktion von journalonko.de (EG)

Literatur:

(1) Zentrum für Krebsregisterdaten, Robert Koch Institut, Malignes Melanom der Haut, ICD-10 C43,
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Melanom/melanom_node.html
(2) AWMF online, S3-Leitliniezur Diagnostik,Therapie und Nachsorge des Melanoms, Leitlinienprogramm Onkologie,  
Version 3.3, Juli 2020 AWMF-Register-Nummer: 032/024OL, Langversion
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-024OLl_S3_Melanom-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2020-08.pdf (letzter Abruf: 23.05.2023)
(3) Arnold, D, Fortgeschrittener schwarzer Hautkrebs: Immun- und zielgerichtete Therapie verhindern Rezidive und verlängern das Leben, Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG), Presemitteilung, 01.02.2021, https://idw-online.de/de/pdfnews762261
(4) AWMF online, S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs, Leitlinienprogramm Onkologie, Version 2.0, März 2021, AWMF-Registernummer: 032/052OL, Langversion
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Hautkrebspraeventationsleitlinie_1.1/Version_2/LL_Pr%C3%A4vention_von_Hautkrebs_Langversion_2.0.pdf
(5) Keung, Z & Gershenwald, J.E., The eighth edition American Joint Committee on Cancer (AJCC) melanoma staging system: implications for melanoma treatment and care, Emily Z. Keunga, Jeffrey E. Gershenwalda, Expert Rev Anticancer Ther. 2018 August; 18(8): 775–784. doi:10.1080/14737140.2018.1489246.
(6) Vanni, I. et al, The Current State of Molecular Testing in the BRAF-Mutated Melanoma Landscape. Front. Mol. Biosci. 2020, 7:113. doi: 10.3389/fmolb.2020.00113
(7) Stadler, R., Has, C., Bruckner-Tuderman, L., Suche nach dem molekularen „Fingerabdruck“, Dermatologische Diagnostik, 2018, DOI: 10.3238/PersDerma.2018.05.21.05
(8) Eigentler, T., Kernpunkte der aktualisierten Leitlinie, Perspektiven der Dermatologie, 2020, Dt. Ärzteblatt, DOI: 10.3238/PersDerma.2020.06.12.01
(9) Lamos, C. & Hunger, R.E., Checkpoint-Inhibitoren – Indikation und Verwendung bei Melanompatienten, Z Rheumatol 2020,79:818–825; https://doi.org/10.1007/s00393-020-00870-8
(10) https://www.journalonko.de/news/lesen/melanom_dabrafenib_trametinib_zusatznutzen

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