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JOURNAL ONKOLOGIE 06/2019
Seite 5/6

Diagnostik bei gehäuften Infektionen

Anlass zu weitergehenden Untersuchungen sollten gehäufte Infektionen bei Patienten mit MM oder nach autoSCT geben, insbesondere wenn diese trotz adäquater antiinfektiver Prophylaxen aufteten.
 
Neben der Suche nach einem Infektfokus sollten auch Umstände untersucht werden, die rezidivierende Infektionen begünstigen, wie Blasen- und Gefäßkatheter oder andere Fremdkörper.
 
Über den Zustand des Immunsystems können neben dem Differentialblutbild die Zählung der CD4+ Helferzellen sowie die Bestimmung der CD4/CD8-Ratio und der Immunglobuline Aufschluss geben.
 
Um bei Patienten mit Hypogammaglobulinämie und gehäuften Infektionen die Funktionalität des Immunsystems zu untersuchen, kann auch eine diagnostische Impfung erwogen werden.
 
Hierzu wird 4-6 Wochen nach einer Tetanus-Toxoid- (Protein-Vakzine, T-Zell-abhängig) sowie einer PPV23-Pneumokokken-Impfung (Polysaccharid-Vakzine, T-Zell-unabhängig) untersucht, ob es zu einem ausreichenden und somit nach Einschätzung des lokalen Labors vermutlich protektiven Titer-Anstieg gekommen ist. Wichtigster Endpunkt nach Komplettierung der jeweils empfohlenen Impfungen ist  der klinische Impferfolg (34).

Therapeutischer Einsatz von Immunglobulinen

Immunglobuline bestehen aus jeweils 2 identischen Leicht- und 2 identischen Schwerketten. Die variablen Domänen je einer Leicht- und einer Schwerkette machen die Antigen-bindenden Fragmente (Fab) aus, deren hohe Variabilität dem Organismus eine Immunantwort auf eine Vielzahl von Antigenen ermöglicht. Die konstanten Domänen der Leicht- sowie der Schwerketten ergeben das Fc-Fragment, welches die Effektorfunktionen vermittelt (Abb. 3).

 
Abb. 3: Struktur eines Immunglobulins (IgG) (mit biorender.com erstellt). hell=variable Domänen, dunkel=konstante Domänen
Struktur eines Immunglobulins

 
Humanes Immunglobulin zur intramuskulären Anwendung ist seit den 1940er Jahren verfügbar. Mit der weiteren Entwicklung etablierten sich ab den 1970er Jahren intravenös zu verabreichende Immunglobuline (IVIG). Hierfür werden aus gepooltem Spenderplasma in mehrstufigen Fraktionierungsprozessen hochreine IgG-Präparate hergestellt. Mittlerweile sind auch subkutan zu verabreichende Immunglobulin-Präparate (SCIG) verfügbar, die durch den Patienten selbst oder durch Angehörige verabreicht werden können. IgM und IgA werden durch IVIG und SCIG nicht substituiert.

Klinische Anwendung

Die therapeutische Gabe von Immunglobulinen hat sich zu einer wichtigen Säule in der Therapie nicht nur der primären oder sekundären Hypogammaglobulinämie, sondern auch von Autoimmunerkrankungen wie der Immunthrombozytopenie oder von Vaskulitiden entwickelt (35, 36).
 
Bei Patienten mit primärer Hypogammaglobulinämie konnte durch Therapie mit IVIG eine deutliche Abnahme von Infektionen mit Erreichen eines Talspiegels von > 400 mg/dl IgG gezeigt werden (37).
 
Die Daten zur klinischen Wirksamkeit der Substitution von Immunglobulinen beim MM wurden in 2 älteren Studien erhoben. In einer randomisierten kontrollierten Doppelblind-Studie durch Chapel et al. wurde bei 82 MM-Patienten über 12 Monate die Gabe von IVIG mit Placebo verglichen. Es kam unter IVIG seltener zu lebensbedrohlichen Infektionen (19 vs. 38 Episoden, p=0,019). Unter IVIG-Substitution gab es keine Septikämien und keine Pneumonien, verglichen mit 3 Septikämien und 7 Pneumonien im Placebo-Arm (38).
 
Eine Studie mit Crossover-Design bei 25 MM-Patienten zeigte über einen Zeitraum von 2 Jahren unter IVIG gegenüber keiner Substitution ebenso signifikant weniger ernsthafte Infektionen (10 unter IVIG gegenüber 30 ohne Substitution; p<0,002) (39).
 
Die Patienten erhielten in diesen älteren Studien allerdings nicht die heute üblichen antimikrobiellen Prophylaxen oder mittlerweile etablierte Therapeutika wie IMiDs, Proteasom-Inhibitoren oder Antikörper.
 
Für die Substitution bei MM-Patienten nach autoSCT liegen retrospektive Untersuchungen vor. Ein Vorteil durch eine ungezielte prophylaktische IVIG-Gabe konnte dabei nicht gesehen werden (40, 41). Ist nach autoSCT im Einzelfall eine Substitution mit IVIG oder SCIG indiziert, so wird ebenso das Erreichen eines Talspiegels von > 400 mg/dl IgG empfohlen (42).
 
 

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"Hypogammaglobulinämie beim Multiplen Myelom 06/2019"

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