16. Juni 2017 „One fits all“-Konzept hat in der Strahlentherapie ausgedient
Deeskalation: Für die meisten Patientinnen kann die bisher 5 - 6,5-wöchige Strahlentherapie der Brust nach der Operation auf 3 - 4,5 Wochen verkürzt werden. Basis für diese Verkürzung ist eine Meta-Analyse von neun randomisierten, kontrollierten Studien (2) die zeigte, dass bei Patientinnen in frühen Brustkrebsstadien nach brusterhaltender OP (die meisten Patientinnen hatten einen Lymphknoten-negativen Tumor < 3 cm, der im Gesunden entfernt werden konnte) eine geänderte Fraktionierung der Strahlentherapie (weniger Bestrahlungstage, höhere Einzeldosis) von Vorteil sein kann. Zwar zeigte sich kein Unterschied in der Rückfallrate, die akute Strahlentoxizität war aber geringer, die Therapie damit verträglicher.
Bei Niedrigrisikopatientinnen kann eine Teilbestrahlung der Brust ausreichend sein
Gegenüber der externen Bestrahlung der ganzen Brust bietet eine gezielte Teilbestrahlung die Möglichkeit, das umliegende Gewebe zu schonen und die Nebenwirkungen zu reduzieren. Möglichkeiten einer solchen gezielten Strahlentherapie stellen die Brachytherapie oder die
intraoperative Bestrahlung des Tumorbettes dar. Befürchtet wurde allerdings ein gegenüber der Ganzbrust-Bestrahlung erhöhtes Rückfallrisiko. So fand man in einer Studie (3) bei der intraoperativen Bestrahlung im Vergleich zur Ganzbrustbestrahlung signifikant mehr Lokalrezidive – das Gesamtüberleben war allerdings in beiden Studiengruppen gleich. Neue Studien geben nun Hinweise, dass die „sanfteren Formen“ der Strahlentherapie nicht mit einem höheren Rückfallrisiko verbunden sind: Strnad et al. (4) zeigten, dass die Lokalrezidiv-Rate bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs (Stage 0, I und II a) nach brusterhaltender Operation mit einer akzelerierten Teilbrust-Bestrahlung mit Brachytherapie der Ganzbrust-Bestrahlung nicht unterlegen ist. Auch die TARGIT-A-Studie (5) ergab, dass bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs eine sofortige intraoperative Einzeldosis-Bestrahlung (gleichzeitig mit Lymphknotenentfernung) eine risikoadaptierte Alternative – gleichwertig zur postoperativen Ganzbrust-Bestrahlung – darstellen kann. Bei beiden Studien handelt es sich um die 5-Jahres-Ergebnisse von randomisierten Phase 3-Studien. „Wir sollten also nicht länger bei allen Patientinnen an der Ganzbrust-Bestrahlung festhalten“, so Budach.
Umgekehrt kann aber auch eine Eskalation der Therapie sinnvoll sein, wie neue Daten zur Lymphknotenbestrahlung gezeigt haben.
Eskalation: Zusätzliche regionale Lymphknotenbestrahlung
Die Bestrahlung der regionalen Lymphknoten wurde bislang nur bei Patientinnen mit über drei positiven axillären Lymphknoten empfohlen. Doch Thorsen et al. (6) zeigten im vergangenen Jahr, dass die Bestrahlung der Brustwandlymphknoten das Gesamtüberleben bei Patientinnen mit Lymphknoten-positivem Brustkrebs signifikant verbessert. Zuvor hatte eine Metaanalyse von Budach et al. (7) ergeben, dass die Bestrahlung der medialen supraklavikulären Lymphknoten und der Brustwand-Lymphknoten („internal mammary“) zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens, des Fernmetastasen-freien sowie des tumorfreien Überlebens führt. Bei den meisten Patientinnen, die in diese Metaanalyse eingegangen waren, lag ein Lymphknotenbefall vor, die positiven Effekte waren aber auch bei den Frauen nachweisbar, deren Lymphknoten nicht befallen war.
„Alle diese Beispiele zeigen: Das One fits all-Konzept hat ausgedient, gerade auch in den frühen Brustkrebsstadien. Die Strahlentherapie muss sich in Zukunft stärker am individuellen Risiko der Patientin orientieren. Die DEGRO setzt sich dafür ein, dass jede Betroffene zukünftig so viel Therapie wie nötig und so wenig wie möglich bekommt“, erklärte Budach.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
Literatur:
(1) http://www.awmf.org/leitlinien/leitlinien-suche.html
(2) Hickey BE, James ML, Lehman M et al. Fraction size in radiation therapy for breast conservation in early breast cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Jul 18;7:CD003860. doi: 10.1002/14651858.CD003860.pub4.
(3) Veronesi U, Orecchia R, Maisonneuve P et al. Intraoperative radiotherapy versus external radiotherapy for early breast cancer (ELIOT): a randomised controlled equivalence trial. Lancet Oncol 2013; 14 (13): 1269-77
(4) Strnad V, Ott OJ, Hildebrandt G et al. Groupe Européen de Curiethérapie of European Society for Radiotherapy and Oncology (GEC-ESTRO). 5-year results of accelerated partial breast irradiation using sole interstitial multicatheter brachytherapy versus whole-breast irradiation with boost after breast-conserving surgery for low-risk invasive and in-situ carcinoma of the female breast: a randomised, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2016; 387 (10015): 229-38
(5) Vaidya JS, Wenz F, Bulsara M et al. TARGIT trialists' group. Risk-adapted targeted intraoperative radiotherapy versus whole-breast radiotherapy for breast cancer: 5-year results for local control and overall survival from the TARGIT-A randomised trial. Lancet 2014; 383 (9917): 603-13
(6) Thorsen LB, Offersen BV, Danø H et al. DBCG-IMN: A Population-Based Cohort Study on the Effect of Internal Mammary Node Irradiation in Early Node-Positive Breast Cancer. J Clin Oncol 2016; 34 (4): 314-20
(7) Budach W, Bölke E, Kammers K et al. Adjuvant radiation therapy of regional lymph nodes in breast cancer - a meta-analysis of randomized trials- an update. Radiat Oncol 2015; 10: 258
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