Morbus Hodgkin aus Sicht einer Patientin
Dr. med. vet. Astrid HeinlIn Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 2.400 Menschen an Morbus Hodgkin. Die Krankheit tritt in zwei Altersgipfeln auf: zwischen 15 bis 30 Jahren sowie bei Menschen über 50 Jahren. Zwischen dem 15. und dem 35. Lebensjahr gehört diese Erkrankung zu den 5 häufigsten Krebsdiagnosen. Dank moderner Therapieansätze sind die Heilungschancen heute sehr hoch, insbesondere bei frühzeitiger Diagnose. Dennoch können sowohl die Erkrankung selbst als auch die Behandlung physische und psychische Belastungen für die Betroffenen mit sich bringen. In der Podcastserie „O-Ton Onkologie“ wird die Erkrankung aus Sicht einer Patientin beleuchtet, die 2023 mit 23 Jahren mitten im Studium die Diagnose Morbus Hodgkin erhielt.
Geschwollener Lymphknoten am Hals als einziges Anzeichen
Die Patientin entdeckte einen geschwollenen Lymphknoten am Hals. Weitere Symptome wie Nachtschweiß oder Gewichtsverlust fehlten. Bis zur finalen Diagnose vergingen fast 3 Monate. Als sich der Verdacht auf eine ernsthafte Erkrankung erhärtete, durchlebte die Studentin eine intensive Phase emotionaler Reaktionen. Doch mit der Zeit entwickelte sich ein pragmatischer Überlebensmodus: „Ich mach das jetzt einfach.“ Diese Haltung half ihr, mit der Belastung umzugehen, noch bevor die offizielle Diagnose Morbus Hodgkin feststand.
Offener Umgang mit der Erkrankung
Die Behandlung bestand aus 4 Chemotherapiezyklen, gefolgt von einer Strahlentherapie. Während sich die junge Patientin relativ gut an die Therapie anpasste, war ihre größere Angst, für eine lange Zeit aus dem Leben herausgerissen zu sein. Der Verlust an Normalität und sozialem Leben stand stärker im Fokus als die physischen Beschwerden. Deshalb waren Alltagsstrukturen wichtig, z.B. durch ihre Mitarbeit bei einem Radiosender. Die Patientin setzte sich offen mit ihrer Diagnose auseinander und erläuterte über soziale Medien, wie sie sich den Umgang mit ihrer Krankheit durch andere wünscht.
Ihre emotionale Hauptstütze waren ihre Eltern und Freund:innen, die sie zu Arztterminen begleiteten, bei der Chemotherapie anwesend waren und sie durch Nachrichten, Besuche oder Geschenke unterstützten. Es gab aber auch Menschen im Umfeld, die mit der Krankheit nicht umgehen konnten und sich zurückzogen.
Psychische Verarbeitung, Therapie und Rückkehr ins Leben
Parallel zur Krebstherapie wurde die Patientin auch psychotherapeutisch betreut. Diese Unterstützung war besonders zu Beginn der Erkrankung hilfreich, um mit der Angst besser umgehen zu können. Auch Achtsamkeitsübungen, Meditation und kreative Hobbys wie Malen oder Schreiben waren hilfreich.
Nachsorgeuntersuchungen alle 3 Monate, später halbjährlich, wecken immer wieder Ängste – besonders, wenn körperliche Symptome auftreten. Gleichzeitig hilft der Patientin die Erfahrung, dass nicht jeder Alarm ein Rezidiv bedeutet. Die emotionale Verarbeitung setzt erst jetzt, nach der akuten Krankheitsphase, richtig ein. Sie beschreibt es als eine Art „verzögerte Reaktion“, in der all das nachwirkt, was sie während der Therapie stark gemacht hatte.
Leben nach der Erkrankung: neue Prioritäten und Veränderungen
Die Krankheit veränderte die Patientin nachhaltig – im Positiven. Sie hat gelernt, besser auf sich selbst zu achten, insbesondere in Bezug auf Stress und Überforderung. Die Diagnose war für sie ein Einschnitt, der sie dazu brachte, ihr Leben neu auszurichten. Der Wunsch, Regisseurin zu werden, wurde dadurch stärker, ebenso wie die Entschlossenheit, Träume tatsächlich zu verfolgen und nicht aufzuschieben. Die Studentin achtet noch bewusster auf Ernährung, Bewegung und seelisches Gleichgewicht. Spaziergänge, Yoga, gesunde Ernährung und regelmäßige Meditation gehören zu ihrem Alltag. Diese neue Achtsamkeit beschreibt sie als Entscheidung für ein bewusstes Leben.
Mehr Klarheit, Mut und neue Perspektive
Die Geschichte dieser jungen Patientin zeigt, dass eine schwere Krankheit nicht nur Leid mit sich bringt, sondern auch Klarheit, neue Perspektiven und persönliche Reife. Trotz Ängsten, medizinischer Herausforderungen und zwischenmenschlicher Enttäuschungen entwickelte sie eine bemerkenswerte Resilienz und zeigt auf, dass man, auch wenn man das Leben nicht kontrollieren kann, immer noch selbst entscheiden kann, wie man damit umgeht. Besonders inspirierend ist ihr pragmatischer Optimismus: Statt sich von der Krankheit dominieren zu lassen, zerlegte sie die Herausforderungen in kleine, bewältigbare Teile – ein Ansatz, der in Krisensituationen Mut machen kann.