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Medizin

Akute Myeloische Leukämie: Zuerst Stammzelltransplantation oder Chemotherapie?

Akute Myeloische Leukämie: Zuerst Stammzelltransplantation oder Chemotherapie?
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Bei einer Akuten Myeloischen Leukämie (AML) mit mittlerer Risiko-Prognose und Verfügbarkeit eines potentiellen Stammzellspenders gilt: Eine unmittelbare Stammzelltransplantation während der ersten Komplettremission führt verglichen mit einer fortgesetzten Chemotherapie und möglichen Transplantation bei Krankheitsrückfall nicht zu einem verbesserten Gesamtüberleben. Zu diesem Ergebnis kommt eine deutschlandweite Studie unter Leitung von Forschenden der Hochschulmedizin Dresden, am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
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Verbesserte Therapien zur Heilung einer Akuten Myeloischen Leukämie werden dringend benötigt

Die weltweit erste randomisierte Studie zu dieser Fragestellung liefert eine wichtige Grundlage für künftige Therapieentscheidungen. In Ländern wie den USA, in denen eine sofortige Stammzelltransplantation als Standard gilt, könnten die Ergebnisse zu einem grundlegenden Umdenken bei diesem Behandlungsschritt führen. Die Studie wurde in der Zeitschrift JAMA Oncology veröffentlicht. Trotz Fortschritten in der Behandlung überleben bislang nur etwa 30% aller erwachsenen Erkrankten mit einer Akuten Myeloischen Leukämie (AML) einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren. Bei Patient:innen, die für eine intensive Therapie geeignet sind, ist die Transplantation von Stammzellen eines gesunden Spenders häufig die Methode mit der größten Heilungschance. Weitere Verbesserungen der Therapie werden dringend benötigt.

Optimale Therapieentscheidung: Bestimmte genetische Merkmale der Krebszellen geben Rückschlüsse auf weiteren Verlauf der Erkrankung

Eine Studie an 16 deutschen Kliniken liefert nun eine wichtige Grundlage für die optimale Therapieentscheidung bei Erkrankten mit mittlerem Risiko. Wichtigste Indikatoren für die Einstufung in 3 Risikogruppen – günstige Prognose, mittleres Risiko, ungünstige Prognose – sind bestimmte genetische Merkmale der Krebszellen, die Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf der Erkrankung zulassen. Nach einer initialen Chemotherapie und einer Komplettremission werden Erkrankte mit günstiger Prognose mit einer Chemotherapie weiterbehandelt, während Betroffene mit ungünstiger Prognose bei Vorhandensein eines geeigneten Spenders eine Stammzelltransplantation erhalten. Bei Patient:innen mit mittlerem Risiko herrschte bislang Uneinigkeit darüber, welche der beiden Behandlungsmethoden zu bevorzugen ist.
 
 

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Sofortige Transplantation allogener Stammzellen bringt keinen Vorteil für das Gesamtüberleben von AML-Betroffenen

Die aktuelle Studie konnte nun zeigen, dass eine sofortige Transplantation allogener Stammzellen bei der größten Gruppe der AML-Patient:innen mit mittlerem Risiko während der ersten Komplettremission zwar sehr effektiv ist, aber gegenüber einer fortgesetzten Chemotherapie und Transplantation im Bedarfsfall keinen Vorteil für das Gesamtüberleben bringt. In die Studie eingeschlossen waren 143 erwachsene AML-Erkrankte zwischen 18 und 60 Jahren, bei denen ein passender Spender für eine Stammzelltransplantation verfügbar war und nach der ersten intensiven Chemotherapie eine Komplettremission der Erkrankung erzielt werden konnte. Nach dem Zufallsprinzip wurden die Betroffenen in 2 Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 erhielt eine Stammzelltransplantation, Gruppe 2 wurde mit einer Chemotherapie weiterbehandelt. Wenn Erkrankte der Gruppe 2 einen Rückfall erlitten, erfolgte auch bei ihnen eine Stammzelltransplantation.

Sowohl Stammzelltransplantation als auch Chemotherapie als vergleichbar gute Strategien für AML-Betroffene

Insgesamt waren die Behandlungsergebnisse in beiden Studien-Armen sehr ermutigend; das 2-Jahres-Überleben lag bei 74 beziehungsweise 84%. Im Vergleich der beiden Gruppen zeigte die sofortige Stammzelltransplantation jedoch keinen statistisch signifikanten Vorteil. „Dies ist ein wichtiges Ergebnis, da für Patient:innen mit verfügbaren Spender:innen nun 2 im Ergebnis vergleichbar gute Strategien zur Wahl stehen“, sagt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC). Beide Behandlungsoptionen sind mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden: Während bei einer Stammzelltransplantation etwa die therapiebedingten Risiken größer sind, besteht bei fortgesetzter Chemotherapie ein höheres Rückfallrisiko. „Aufgrund der Ergebnisse kann es durchaus gerechtfertigt sein, dass die Patient:innen sich zunächst für die Weiterbehandlung mit einer Chemotherapie entscheiden und eine Stammzelltransplantation erst bei einem möglichen Wiederaufflammen der Krankheit durchgeführt wird. Erstmals war es möglich, dies in einer randomisierten, also besonders aussagekräftigen Studie zu überprüfen. Kaum ein:e AML-Patient:in ist bereit, die Entscheidung für oder gegen eine sofortige Transplantation einer zufälligen Zuordnung im Rahmen einer Studie zu überlassen. Wir sind allen Teilnehmenden sehr dankbar, dass sie diese wichtige Untersuchung ermöglicht haben“, erklärt Prof. Bornhäuser.
 
 

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Angst vor Rückfall: Sofortige Stammzelltransplantation birgt ein höheres therapiebedingtes Risiko

In der Studie erlitten 60% der Patient:innen, die zunächst mit einer Chemotherapie weiterbehandelt wurden, in den ersten 2 Jahren nach Therapiebeginn einen Rückfall und wurden daran anschließend mit einer allogenen Stammzelltransplantation behandelt. „Wenn Betroffene große Angst vor einem Rückfall und weiteren Krankenhausaufenthalten haben, kann – nach einer intensiven gemeinsamen Abwägung durch die behandelnden Ärzt:innen und den Patient:innen – eine Entscheidung für eine sofortige Stammzelltransplantation sinnvoll sein. Denn diese ist mit einem deutlich geringeren Rückfallrisiko verbunden. Dafür sind Betroffene dann unter Umständen bereit, ein höheres therapiebedingtes Risiko in Kauf zu nehmen“, sagt Prof. Matthias Stelljes, Leiter des Bereichs Knochenmarktransplantation am Universitätsklinikum Münster, sowie Co-Leiter der Studie und Letztautor der Publikation.

Keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Lebensqualität von AML-Betroffenen bei beiden Behandlungsoptionen

Hinsichtlich der Lebensqualität der Patient:innen zeigte die Untersuchung für beide Behandlungswege – die mit 4 bis 6 Wochen Krankenhausaufenthalt einhergehende Stammzelltransplantation wie die fortgesetzte Chemotherapie im Zeitraum von etwa einem halben Jahr – keinen relevanten Unterschied. „Unmittelbar während der Stammzelltransplantation war die empfundene Lebensqualität der Betroffenen etwas schlechter, ansonsten waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellbar. Hier interessiert uns künftig vor allem auch das Ergebnis der Langzeitnachbeobachtung nach 10 Jahren“, sagt Prof. Stelljes.

Ergebnisse der Studie als Grundlage für eine verbesserte Therapieentscheidung für Leukämie-Erkrankte

Die Ergebnisse der Studie sind für Ärzt:innen eine wichtige Grundlage, um gemeinsam mit den Betroffenen die Entscheidung für die bestmögliche Therapie zu treffen. „In Europa setzen Ärzt:innen alternativ zur Stammzelltransplantation bereits auf eine Weiterbehandlung mittels Chemotherapie – durch die Ergebnisse der Untersuchung erhalten sie zusätzliche Sicherheit für die patientenindividuelle Wahl zwischen beiden Methoden. In anderen Ländern wie den USA hingegen gilt bislang eine sofortige Stammzelltransplantation als Standard, hier könnte unsere Studie zu einem grundlegenden Umdenken führen“, betont Prof. Bornhäuser. „Wir sind stolz darauf, dass unter Federführung der Hochschulmedizin Dresden Impulse ausgehen, die Therapieentscheidungen für Leukämie-Patient:innen weltweit verbessern können“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden.

Frühe Suche nach passenden Stammzell-Spender:innen sichert AML-Betroffene bei einem möglichen Rückfall ab

„In jedem Fall sollte bei einer Akuten Myeloischen Leukämie so früh wie möglich nach passenden Stammzell-Spender:innen gesucht werden. Deutschland ist hierbei durch die großen Spenderregister hervorragend aufgestellt; nirgendwo sonst auf der Welt gelingt die Spendersuche so schnell. Das Vorhandensein geeigneter Spender:innen ist auch bei einer zunächst gewählten Chemotherapie die Versicherung für Patient:innen, dass bei einem möglichen Rückfall schnell gehandelt werden kann“, erklärt Prof. Stelljes.
 
 

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Ziel künftiger Studien: Optimalen Zeitpunkt für eine Transplantation patientenindividuell bestimmen

Neueste diagnostische Methoden ermöglichen es zudem, den Verlauf einer AML-Erkrankung immer genauer zu überwachen. Ziel künftiger Studien wird es daher auch sein, den optimalen Zeitpunkt für eine Transplantation möglichst patientenindividuell zu bestimmen. „Ideal wäre es, wenn wir bei einer zunächst fortgesetzten Chemotherapie künftig bereits bei einer deutlichen Verschlechterung wichtiger Krankheitsparameter und nicht erst bei einem für den Patienten gefährlichen Rückfall transplantieren könnten – in diese Richtung geht die aktuelle Entwicklung“, sagt Prof. Bornhäuser.

Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)


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