Darmkrebs: Genveränderungen bestimmen, wo sich Metastasen bilden
Jährlich erkranken rund 60.000 Menschen in Deutschland neu an Darmkrebs. Trotz rückläufiger Sterblichkeitsraten zählt das kolorektale Karzinom weiterhin zu den häufigsten Tumorarten weltweit und verursacht etwa 10% aller krebsbedingten Todesfälle. Prognostisch ungünstig wirkt sich vor allem die Metastasierung aus – typischerweise in Leber und Lunge, seltener im Gehirn. Ein Team um Dr. Dr. Björn Sander, Pathologe an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat untersucht, wie genetische Veränderungen die Bildung von Metastasen beeinflussen.
Hirnmetastasen zeigen besonders viele genetische Auffälligkeiten
Kolorektale Karzinome entwickeln sich häufig aus zunächst gutartigen Polypen, die im Verlauf zu malignen Tumoren entarten können. Diese Tumoren weisen oft komplexe genetische Veränderungen auf – etwa den Verlust oder die Vervielfältigung bestimmter Gene. Ihre Ausprägung ist individuell verschieden und kann selbst innerhalb eines Tumors variieren. Die Mechanismen der Metastasierung gelten bislang als schwer vorhersehbar. „Wir haben mehr als 3800 Fälle von Darmkrebs nun genau untersucht und herausgefunden, dass Hirnmetastasen im Vergleich zu Leber- und Lungenmetastasen besonders viele genetische Veränderungen aufweisen“, sagt Dr. Dr. Sander.
KRAS-Gen im Fokus
Besonders im Fokus steht das KRAS-Gen, das für ein Protein kodiert, das zentral an der zellulären Signalübertragung und dem Wachstum beteiligt ist. Mutationen in KRAS kommen häufig bei Lungen-, Darm- und Pankreaskarzinomen vor und fördern das Tumorwachstum. Bei Hirnmetastasen fanden die Forschenden auffällig häufig eine Kombination aus Mutationen und Vervielfältigungen dieses Gens.
Die Besiedlung des Gehirns stellt für Tumorzellen eine besondere Herausforderung dar: Sie müssen nicht nur die Blut-Hirn-Schranke überwinden, sondern sich auch an ein Gewebe mit eingeschränkter Sauerstoffverfügbarkeit anpassen. „Das Gehirn hat selbst einen hohen Sauerstoffverbrauch. Tumorzellen mit nachgewiesenen Veränderungen im KRAS-Gen zeigen einen Vorteil bei der Anpassung an das begrenzte Sauerstoffangebot im Gehirn“, erklärt der Pathologe.
Hirnmetastasen entwickeln genetische Muster erst in späten Tumorstadien
Ein zentrales Ergebnis der Studie betrifft die Entwicklung genetischer Muster bei Metastasen: Während Leber- und Lungenmetastasen mit vergleichsweise weniger komplexen Veränderungen einhergehen, entstehen die vielfältigen genetischen Muster bei Hirnmetastasen überwiegend in späten Tumorstadien. Daraus lässt sich ableiten, dass die Art der genetischen Veränderungen mitbestimmt, in welchem Organ sich Metastasen ansiedeln. „Durch die Untersuchung von Proben aus an Darmkrebs Erkrankten, die noch keine zielgerichtete Therapie erhalten hatten, konnten wir sicherstellen, dass die beobachteten genetischen Veränderungen tatsächlich natürlich und nicht durch Einfluss neuer zielgerichteter Medikamente entstehen“, sagt Dr. Dr. Sander.
Schwachstellen gezielt therapierbar?
Neben dem verbesserten Verständnis der Metastasierung liefern die Ergebnisse auch Hinweise auf potenzielle therapeutische Angriffspunkte. Die genetische Instabilität der Tumorzellen eröffnet möglicherweise neue Strategien für gezielte Behandlungen. Dr. Dr. Sander und sein Team sehen darin einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung personalisierter Therapien – mit dem Ziel, Darmkrebspatient:innen künftig individueller und wirksamer behandeln zu können.
Quelle:Medizinische Hochschule Hannover
Literatur:
- (1)
Golas M. et al. (2025) Cytogenetic signatures favoring metastatic organotropism in colorectal cancer, Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-025-58413-1