Journal Onkologie
Prostatakarzinom
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Die Bemühungen um eine breitere Früherkennung des Prostatakarzinoms werden von den Medizinischen Fachgesellschaften immer noch als zu lasch bemängelt. Prof. Dr. Peter Albers, Leiter der Abteilung Personalisierte Früherkennung des Prostatakarzinoms am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, kritisiert, dass die Politik die Krebsfrüherkennung bei Männern seit vielen Jahren vernachlässigt: „Prostatakrebs ist auch nicht Bestandteil des Nationalen Krebsplans, der 2009 eingeführt wurde“, sagt Albers. Da es kein Screening-Programm gibt, würde der Krebs in 20% der Fälle erst entdeckt, wenn der Tumor bereits metastasiert hat. Dies verringere nicht nur die Heilungschancen, sondern verursache auch enor­me Kosten im Gesundheitssystem.

S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom aktualisiert: PSA-Test als neuer Standard in der Früherkennung

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Die Fakten sprechen für sich: Während beispielsweise jede zweite teilnahmeberechtigte Frau in Deutschland zum Mammografie-Screening geht, meiden die meisten Männer die Prostatakrebs-Früherkennung. Derzeit hat im Rahmen der gesetzlichen Krebsfrüherkennung jeder Mann ab dem 45. Lebensjahr einen Anspruch auf eine jährliche Krebsfrüherkennungsuntersuchung. Sie umfasst eine Untersuchung der Prostata, der regionären Lymphknoten und der äußeren Geschlechtsorgane und eine Beurteilung der Haut. Der Prostata-spezifisches Antigen (PSA)-Test und die Magnetresonanztomografie (MRT) zur Früherkennung gelten zurzeit als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die privat bezahlt werden müssen. 

Laut der Selbsthilfeorganisation Prostata Hilfe Deutschland e.V. nahmen 2019 bundesweit nur rund 4,73 Millionen Männer eine Tastuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs wahr. Das waren gerade einmal 12%. „Die rektale Untersuchung ist bei Männern äußerst unbeliebt und wird daher selten wahrgenommen“, begründet Albers die Zurückhaltung.

Die neue S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom könnte auch schon deshalb den Präventionsbemühungen ganz neuen Auftrieb geben. Denn künftig soll nicht die rektale Untersuchung, sondern der PSA-Test per Blutentnahme die maßgebliche Präventionsmaßnahme werden. Die neue Prostatakrebs-Leitlinie, die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) umfassend überarbeitet wurde, stelle einen „Paradigmenwechsel“ dar, sagt Albers: „Das sind umwälzende neue Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung des Prostatakarzinoms.“

Testintervalle hängen vom Risiko ab

Erstmals wird in der aktualisierten Leitlinie die digitale rektale Untersuchung, DRU, zur Früherkennung ausdrücklich nicht mehr empfohlen. Stattdessen soll Männern ab 45 Jahren, die nach ärztlicher Beratung eine Früherkennung wünschen, ein Screening auf Basis des PSA-Tests angeboten werden. Je nach Höhe des PSA-Werts sieht die Leitlinie eine risikoadaptierte Früherkennungsstrategie mit unterschiedlichen Intervallen für die nächste Kontrolluntersuchung vor: Bei einem PSA-Wert unter 1,5 ng/ml soll der nächste Test erst nach 5 Jahren erfolgen. Bei einem PSA-Wert zwischen 1,5-2,99 ng/ml ist die nächste Kontrolle nach 2 Jahren vorgesehen. 

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Nächster diagnostischer Schritt ist ggf. eine Gewebeentnahme aus der Prostata. Auch an dieser Stelle greift eine weitere wesentliche Neuerung der aktualisierten Leitlinie: Bei PI-RADS 1 und 2-Befunden, die auf eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit von Prostata­krebs hinweisen, soll keine Biopsie durchgeführt werden.

Früher PSA-Test mit hoher Prädiktion

Diese Empfehlungen basieren wesentlich auf den Ergebnissen der von Albers geleiteten PROBASE-Studie** am DKFZ, für die 46.642 Männer im Alter von 45 Jahren rekrutiert wurden. Ein wichtiges Ergebnis der Studie: Die Tastuntersuchung erkennt frühe Stadien des Prostatakrebs häufig nicht zuverlässig, während der PSA-Test in Verbindung mit neuen Diagnoseverfahren deutlich bessere Ergebnisse liefert.

Albers weist zudem auf die Bedeutung des ersten PSA-Tests bereits in jüngeren Jahren hin: „Der PSA-Wert ist dann gut, wenn er bei noch relativ jungen Männern im Alter zwischen 45 und 50 Jahren bestimmt wird. Dieser Basiswert hat eine unglaublich hohe Prädiktion für Metastasen eines Prostatakarzinoms 25 Jahre später.“ Diese Prädiktionskraft des PSA-Werts verliere sich, je älter der Mann wird, weil die Drüse sich dann auch aus gutartigen Gründen vergrößert. Der PSA-Wert erhöhe sich also, ohne dass das etwas mit einem Tumor zu tun haben muss. Das führe zu vielen unnötigen Abklärungen. Mit der neuen Prostatakrebs-Richtlinie ließe sich das künftig deutlich besser umgehen. Die Ermittlung des PSA-Werts biete darüber hinaus eine gute und unkomplizierte Screening-Maßnahme. Bei 90% der Männer im Alter von 45 Jahren liege der PSA-Wert unter 1,5 ng/ml: „Dann würde man sich im Unterschied zu heute nur noch um die 10% kümmern, die erhöhte Werte und damit ein erhöhtes Risiko haben, im Laufe ihres Lebens an einem Prostatakarzinom zu erkranken“, sagt Albers.

PSA-Test in Apotheken und Zentren

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will nun prüfen, ob die Kosten für den PSA-Test und auch für die MRT-Diagnostik von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollen. Mit einer Entscheidung sei voraussichtlich frühestens in 2-3 Jahren zu rechnen, schätzt Albers.

Bis dahin sollte für ein Männer-Screening-Programm eine Infrastruktur aufgebaut werden, empfiehlt er. Ähnlich wie beim Mammografie-Screening, das in eigenen Zentren durchgeführt wird, sollte auch für gesunde Männer räumlich eine extra Möglichkeit geschaffen werden, den PSA-Test durchführen zu lassen. Um den Gang zum Urologen zu vermeiden, könnten beispielsweise Apotheken eine Blutentnahme aus der Fingerkuppe anbieten. Das DKFZ und das Leibniz-Institut für Präventionsforschung in Bremen testen derzeit ein solches Modell mit mehreren Apotheken in der Hansestadt. Das DKFZ plant zudem, in Heidelberg ein nicht-ärztliches Screening-Zentrum zur Prostatakrebs-Früherkennung aufzubauen, das als Modell dienen könnte.

Kassendaten für individuelle Früherkennung 

Zu einer besseren Früherkennung von Prostatakrebs könnten künftig auch die Krankenkassen beitragen. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ermöglicht es den Kranken- und Pflegekassen seit 2024, Versichertendaten für die Erkennung von Gesundheitsrisiken zu nutzen. Dazu zählen neben seltenen Erkrankungen, schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen durch Arzneimitteltherapien sowie nicht genutzten, aber empfohlenen Schutzimpfungen auch Krebserkrankungen. Die Versicherten haben wie bei der ePA die Möglichkeit, der Verwendung ihrer persönlichen Daten zu widersprechen.

Die Kassen können nun frühzeitig ihre Versicherten auf ihre individuellen Gesundheitsrisiken hinzuweisen, und einige machen bereits davon Gebrauch. So startete die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) im Mai 2025 eine Erhebung von Risikofaktoren für Brustkrebs. Versicherte mit einem oder mehreren Risikofaktoren, bei denen in den letzten 3 Jahren keine gynäkologische Vorsorgeuntersuchung oder Mammografie dokumentiert ist, informiert die KKH schriftlich zu Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen. Die Techniker Krankenkasse (TK) hat im November 2024 ihre Daten ausgewertet, um das individuelle Darmkrebsrisiko ihrer Versicherten zu bestimmen. Ermittelt wurde das persönliche Erkrankungsrisiko auf Basis der Daten von bereits durchgeführten Darmspiegelungen. Betroffene Versicherte erhielten schriftliche Informationen, wann eine neue Spiegelung sinnvoll ist.

Albers zufolge könnte eine solche Datenbankabfrage der Krankenkassen auch einen wertvollen Baustein für eine effektive Prostatakrebs-Früherkennung liefern: „Die Möglichkeit, dass Krankenkassen Daten ihrer Versicherten auf etwaige familiäre Risiken analysieren können, halte ich für einen großen Schritt zu mehr Prävention“, betonte er. Das ließe sich bei Prostatakrebs auch sehr genau eingrenzen: „Wenn ein Verwandter ers­ten Grades im Alter von unter 60 Jahren an Prostatakrebs erkrankt, hat der Verwandte ein 5-fach erhöhtes Risiko. Man könnte also jeden Fünften allein durch eine solche Datenbankabfrage identifizieren und eine Empfehlung für den PSA-Test aussprechen. Das ist meiner Ansicht nach ein idealer Mechanismus, der durch das neue Gesetz ermöglicht wird.“

*  Die neue S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom ist abrufbar unter: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom

** Die PROBASE-Studie ist abrufbar unter: https://www.dkfz.de/personalisierte-frueherkennung-des-prostatakarzinoms/die-probase-studie 

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