Journal Onkologie
Medizin

Leber-Botenstoffe aktivieren abbauende Prozesse im Gewebe

Der Leberstoffwechsel wird bei Kachexie umfassend neu programmiert. Dabei verliert insbesondere ein Gen seine Funktion, das normalerweise den tageszeitlichen Rhythmus der Leberaktivität steuert. In einem Mausmodell zeigte sich, dass diese sogenannte innere Uhr nahezu vollständig ausgeschaltet war. Wurde das Gen REV-ERBα gezielt in der Leber reaktiviert, ließ sich der Verlust von Körpermasse signifikant abschwächen.

REV-ERBα kontrolliert die Expression mehrerer Gene, die für die Bildung bestimmter Leber-Botenstoffe – sogenannter Hepatokine – verantwortlich sind. Fällt das Gen aus, steigt die Produktion krankheitsfördernder Signalproteine deutlich an. Drei dieser Hepatokine – LBP, ITIH3 und IGFBP1 – stehen im Zentrum des identifizierten Mechanismus. Sie lösen in Zellkulturen katabole Prozesse in Muskel- und Fettzellen aus, die mit der klinischen Auszehrung bei Kachexie korrelieren. Auch bei Patient:innen mit unterschiedlichen Tumorerkrankungen waren die Konzentrationen dieser Proteine im Blut deutlich erhöht. In präklinischen Modellen ließ sich ihre schädliche Wirkung durch gezielte Hemmung reduzieren.

Neue Ansatzpunkte für Diagnose und Therapie der Kachexie

Die Ergebnisse belegen erstmals, dass die Leber nicht nur passiv auf Kachexie reagiert, sondern aktiv zum Fortschreiten der Erkrankung beiträgt. Daraus ergeben sich neue Perspektiven für die Diagnostik und Therapie. Die Forschenden stellten zudem einen umfassenden Datensatz bereit, der molekulare Signalnetzwerke, zelltypspezifische Veränderungen und funktionelle Auswirkungen in präklinischen Modellen umfasst – und damit auch über das untersuchte System hinaus nutzbar ist.

Langfristig könnten die identifizierten Faktoren als Biomarker für das Kachexie-Risiko eingesetzt oder therapeutisch adressiert werden. Da bislang keine zugelassene Behandlung gegen das Syndrom existiert, stellen solche Ansätze einen wichtigen Fortschritt dar. Die Studie unterstreicht darüber hinaus, wie stark systemische Organwechselwirkungen den Verlauf onkologischer Erkrankungen beeinflussen.

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Quelle:

Helmholtz Munich

Literatur:

(1)

Kaltenecker D et al. (2025): Functional liver genomics identifies hepatokines promoting wasting in cancer cachexia. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2025.06.039