Aneuploidie: Folgen abnormaler Chromosomenzahl weiter entschlüsselt
Dass eine abnormale Chromosomenzahl zu einem Proteinungleichgewicht in den betroffenen Zellen führt, ist seit einigen Jahren bekannt. Wie sich ein solches Ungleichgewicht im Detail auswirkt, haben Forschende der RPTU untersucht. Dabei haben sie überraschenderweise festgestellt, dass Proteomveränderungen die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigen. Das wiederum könnte für die medikamentöse Behandlung von Krebserkrankungen relevant sein. Die Ergebnisse sind aktuell im Fachjournal Nature Communications erschienen [1].
Aneuploidie: Fehlerhafte Chromosomenzahl belastet die Zelle
Jede gesunde menschliche Zelle enthält 23 Chromosomenpaare, die während der Zellteilung dupliziert und gleichmäßig auf zwei Tochterzellen verteilt werden müssen. Wenn dabei jedoch etwas schiefgeht, erhält eine Tochterzelle ein zusätzliches Chromosom, während der anderen Tochterzelle ein Chromosom fehlt. Dieser Zustand einer unausgewogenen Chromosomenzahl wird als Aneuploidie bezeichnet und kommt besonders häufig in Krebszellen und in Zellen von Menschen mit Downsyndrom vor. „Schon ein einziges zusätzliches Chromosom führt zu vielen Problemen für die Zelle. Darunter fällt die Produktion unnötiger Proteine aus den zusätzlichen Chromosomen, die den Mechanismus der Zelle zur Aufrechterhaltung eines gesunden Proteingleichgewichts stören. Wie sich all dies jedoch auf molekularer Ebene manifestiert, ist noch nicht klar“, erklärt Prof. Zuzana Storchová, Leiterin des Fachgebiets Molekulare Genetik an der RPTU.
In einer aktuellen Studie haben Forschende um Prof. Storchová und Prince Saforo Amponsah die damit verbundenen Prozesse in Zelllinien genauer entschlüsselt. Aus der nahezu diploiden Darmkrebszelllinie HCT116 wurden im Labor Zelllinien mit einer oder zwei zusätzlichen Chromosomenkopien hergestellt.
Zusätzliche Chromosomen führen zu Proteinaggregaten im Zytoplasma
Die Forschenden konnten zeigen, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen Proteinaggregate in ihrem Zytoplasma ansammeln. Die Proteinaggregate enthalten hauptsächlich ein Protein namens Sequestrosom 1 (SQSTM1, auch bekannt als p62) – ein bekannter Rezeptor, der bereits bei der Verwertung defekter Proteine und beschädigter Zellorganellen identifiziert wurde. „Wir haben beobachtet, dass die Konzentration dieses Proteins in Zellen mit zusätzlichen Chromosomen höher war und dass die Menge mit der Größe des zusätzlichen Chromosoms zunahm“, so Prince Saforo Amponsah.
p62-positive Aggregate behindern Proteinimport in Mitochondrien
Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen eine veränderte mitochondriale Struktur und Funktion aufweisen. Der Grund: Mitochondriale Vorläuferproteine werden in p62-positiven Aggregaten sequestriert, also gewissermaßen „beschlagnahmt“, was wiederum ihren Transport in die Mitochondrien beeinträchtigt. „Da zusätzliche Chromosomen bei Krebs, Trisomie-Syndromen und verschiedenen anderen pathologischen Zuständen wie dem Altern häufig vorkommen, stellen unsere Zelllinien ein physiologisch relevantes Modellsystem für die Untersuchung der Auswirkungen von Proteom-Ungleichgewichten in menschlichen Zellen dar“, beschreibt Prof. Storchová die Besonderheiten ihrer Forschung. „Unsere Forschung zeigt einen bisher unbekannten Zusammenhang zwischen genomischen Anomalien, proteotoxischem Stress und mitochondrialer Homöostase.“
Proteotoxischer Stress könnte Arzneimittelresistenz fördern
Das Fazit: Obwohl Krebszellen Chromosomenanomalien aufweisen und ein Proteom-Ungleichgewicht zeigen, sind sie interessanterweise in der Lage, proteotoxischen Stress zu tolerieren, der für normale Zellen oft schädlich ist. „Unsere Ergebnisse deuten nun darauf hin, dass Krebszellen dafür möglicherweise ihren mitochondrialen Stoffwechsel ändern“, sagt Prince Saforo Amponsah. Diese Eigenschaft könnte zu einer erhöhten Arzneimittelresistenz bei aneuploiden Krebsarten beitragen. Prince Saforo Amponsah: „Langfristig hoffen wir, dass unsere Forschung mehr Licht in diesen Aspekt bringt und zu neuen therapeutischen Strategien zur Verbesserung der Gesundheit von Krebspatienten beiträgt.“
Quelle:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Literatur:
- (1)
Amponsah P S et al. Nat Commun 2025;16(5328). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-60857-4