Sichelzellkrankheit: Wendepunkt Gentherapie?
Jahrelang galt die Sichelzellkrankheit als unheilbar – eine genetische Erkrankung, die Betroffene ein Leben lang mit schmerzhaften Krisen und fortschreitenden Organschäden konfrontiert. Doch jetzt zeichnet sich ein medizinischer Durchbruch ab: Die erste Gentherapie für diese Erkrankung ist zugelassen und verspricht echte Heilungschancen. Was bedeutet das für die rund 3.000 Patient:innen in Deutschland und die 150 Neugeborenen, die jährlich mit dieser Krankheit zur Welt kommen? Wie funktioniert die revolutionäre CRISPR-Technologie und welche Rolle spielt das seit vier Jahren bestehende Neugeborenen-Screening? In der neuen Folge von O-Ton-Onkologie spricht Antje Blum mit Dr. Lena Oevermann, Expertin für Hämoglobinopathien an der Charité Berlin, über die aktuellen Entwicklungen in der Sichelzelltherapie – von der frühen Diagnose bis hin zur Gentherapie, die das Leben der Patient:innen grundlegend verändern könnte.
Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten im Wandel
Die Sichelzellkrankheit, eine genetische Erkrankung der roten Blutkörperchen, betrifft in Deutschland etwa 3.000 Patienten mit steigender Tendenz – jährlich kommen 150 Neugeborene hinzu. Bislang standen nur begrenzte Therapieoptionen zur Verfügung: Hydroxycarbamid als Standardtherapie ab dem zweiten Lebensjahr, Transfusionen und als einzige kurative Option die allogene Stammzelltransplantation. Letztere ist jedoch nur für etwa 20 Prozent der Patienten mit passendem Geschwisterspender möglich. Die neue CRISPR-Cas-basierte Gentherapie revolutioniert nun die Behandlungslandschaft. Sie kostet zwar 2,2 Millionen Euro pro Patient, bietet aber erstmals eine funktionelle Korrektur für Patienten ab 12 Jahren ohne passenden Spender. Dabei werden die eigenen Blutstammzellen genetisch so verändert, dass sie wieder fetales Hämoglobin produzieren und die Sichelzell-Symptome verschwinden.
Neugeborenen-Screening und Leitlinien als Grundpfeiler
Das seit vier Jahren in Deutschland etablierte Neugeborenen-Screening ermöglicht eine frühe Diagnose bereits im ersten Lebensmonat. Dies ist entscheidend, da Eltern so über lebensbedrohliche Komplikationen wie die Milzsequestration aufgeklärt werden können. Die S2K-Leitlinie gewährleistet eine exzellente pädiatrische Versorgung, während die Betreuung erwachsener Patienten aufgrund der Komplexität und unzureichender Vergütung noch Verbesserungsbedarf zeigt.
Was Eltern wissen müssen
Eltern betroffener Kinder sollten die Warnsignale kennen: Bei Fieber muss sofort ein Arzt aufgesucht werden, da die funktionsgestörte Milz Infektionen begünstigt. Die Milz regelmäßig zu tasten ist wichtig, um eine lebensbedrohliche Sequestration zu erkennen. Eine frühe Penicillin-Prophylaxe und konsequente Hydroxycarbamid-Therapie sind essentiell. Vor allem aber gilt: Den Schmerzen der Kinder glauben und sie ernst nehmen – sie sind Ausdruck einer systemischen Erkrankung, die das ganze Leben prägt.
Hören Sie rein!
Das sind die Highlights dieser Folge
(Minuten:Sekunden)
02:00 Was ist die Sichelzellkrankheit?
05:19 Epidemiologie: Patientenzahlen in Deutschland und weltweit
06:56 Herausforderungen in der pädiatrischen Versorgung
11:25 Differentialdiagnosen und diagnostische Herausforderungen
15:58 Ablauf nach positivem Neugeborenen-Screening
17:40 Etablierte Therapiemöglichkeiten
24:38 Ethische Aspekte bei minderjährigen Geschwisterspendern
26:54 Gentherapie: Funktionsweise und Zulassungsgrundlage
34:50 Fallbeispiel 1: Milzsequestration bei 1,5-jährigem Kind
38:10 Fallbeispiel 2: Erfolgreiche Transplantation bei jungem Flüchtling
41:12 Ausblick: Neue Therapieansätze in der Entwicklung
42:44 Drei wichtigste Take-Home-Messages
Shownotes zur Podcastfolge „Sichelzellkrankheit: Wendepunkt Gentherapie?“
Stammzellspende:
Nur 17% der Patient:innen mit Sichelzellkrankheit finden einen Spender in der Familie. Bitte registriert euch bei der DKMS (vormals Deutsche Knochenmarkspenderdatei): https://www.dkms.de/aktiv-werden/spender-werden
Support Group DS auf Instagram:
https://www.instagram.com/wir_schaffen_das.de?igsh=aThpcjE5ajRrNHg2
O-Ton Onkologie, Folge „Gar nicht mehr so selten: Thalassämien“:
https://www.journalhaema.de/anaemien/thalassaemie/podcast-thalassaemien-seltene-haemoglobinopathien-relevanz bzw. https://www.journalonko.de/podcast/o-ton-onkologie/o-ton-onkologie-staffel-7/gar-nicht-mehr-so-selten-thalassaemien
O-Ton Onkologie – der Podcast für Mediziner:innen
Dieser Podcast ist eine Kooperation zwischen dem JOURNAL ONKOLOGIE und der Medical Tribune Onkologie · Hämatologie. Neue Folgen gibt es alle 14 Tage mittwochs.
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