Neuer Ansatz zur Behandlung von Chordomen
Chordome gehören zu den therapeutisch schwierigsten Knochentumoren – bislang existieren keine wirksamen Medikamente gegen diese seltenen, aber aggressiven Malignome. Heidelberger Forscher:innen haben es nun geschaft mit Hilfe von bestimmten Proteinen den zentralen Tumortreiber auszuschalten. Dabei enthüllen sie außerdem weitere molekulare Schwachstellen des Tumors, die sich mit bereits verfügbaren Wirkstoffen adressieren lassen [1].
Chordome: Therapeutische Herausforderung bei seltenen Knochentumoren
Chordome sind seltene Knochentumoren mit Prädilektion für Schädelbasis und Wirbelsäule. Charakteristisch ist ihr lokal aggressives Wachstum, die hohe Rezidivneigung und die schlechte Chemotherapie-Responsivität. Die Standardtherapie beschränkt sich auf chirurgische Resektion und Radiatio, während effektive systemische Therapieoptionen fehlen.
TBXT als zentraler onkogener Treiber
Als Schlüsselfaktor der Chordom-Pathogenese gilt der Transkriptionsfaktor TBXT (T-Box Transcription Factor T), der physiologisch während der embryonalen Morphogenese aktiv ist. Während TBXT beim Erwachsenen normalerweise nicht exprimiert wird, zeigt sich in über 90% der Chordome eine pathologische Überexpression dieses Proteins.
DARPins: Innovative Strategie gegen intrazelluläre Targets
Ein Forschungsteam um Claudia Scholl (DKFZ) und Stefan Fröhling (NCT Heidelberg/DKFZ) entwickelte eine neuartige Strategie zur TBXT-Inhibition mittels Designed Ankyrin Repeat Proteins (DARPins). Diese maßgeschneiderten Mini-Proteine funktionieren ähnlich wie Antikörper, lassen sich jedoch bakteriell produzieren und können - im Gegensatz zu konventionellen Antikörpern - intrazelluläre Targets erreichen.
In Kooperation mit Andreas Plückthun (Universität Zürich) identifizierten die Forschenden mittels Hochdurchsatz-Screening DARPins, die spezifisch an die DNA-Bindedomäne von TBXT andocken und dessen Transkriptionsaktivität blockieren.
Präklinische Wirksamkeit und molekulare Mechanismen
In Chordom-Zellkulturen demonstrierten die selektierten DARPins eine effektive Blockade der TBXT-DNA-Interaktion. Dies resultierte in verlangsamter Zellteilung, gehemmtem Tumorwachstum im Mausmodell sowie Induktion von Seneszenz und Differenzierung der Tumorzellen. „Wir haben hier nun erstmals demonstriert, dass DARPins auch gegen Zielproteine im Zellkern wirksam sein können - das ist ein Machbarkeitsnachweis mit Signalwirkung über das Chordom hinaus", erklärt Studienleiterin Claudia Scholl.
Identifikation therapeutischer Vulnerabilitäten
Durch systematische Kartierung TBXT-abhängiger Genexpression identifizierte das Team komplexe Regulationsnetzwerke, deren Störung als Wachstumsbremse fungiert. Besonders relevant erwies sich die TBXT-vermittelte Aktivierung des JAK-STAT-Signalwegs, was eine therapeutische Vulnerabilität gegenüber JAK2-Inhibitoren offenbart.
Klinische Perspektiven und Drug Repurposing
„Die Abhängigkeit von der JAK-STAT-Signalübertragung zeigt uns eine neue therapeutische Strategie auf, die wir relativ zeitnah prüfen können, denn es sind bereits mehrere etablierte JAK2-Inhibitoren verfügbar", erläutert Erstautor Sam Umbaugh.
Ko-Studienleiter Stefan Fröhling ergänzt: „Unsere Ergebnisse eröffnen gleich zwei Perspektiven: Zum einen liefern die TBXT-blockierenden DARPins Werkzeuge für die weitere Forschung an diesem schwierigen Tumor. Zum anderen zeigen sie konkrete Ansatzpunkte für Therapien auf, die in zukünftigen klinischen Studien untersucht werden könnten."
Quelle:Deutsches Krebsforschungszentrum
Literatur:
- (1)
Umbaugh S.C. et al. (2025) Selective targeting of TBXT with DARPins identifies regulatory networks and therapeutic vulnerabilities in chordoma. Science Advances 2025, DOI: 10.1126/sciadv.adu2796.