Journal Onkologie
Medizin

Multimodale Datenverarbeitung als Grundlage klinischer Entscheidungen

In der Onkologie müssen zahlreiche Informationen zusammengeführt werden – von Bildgebung und genetischen Profilen bis hin zu Patientendaten und Leitlinien. Damit KI-gestützte Systeme hier unterstützen können, müssen sie nicht nur unterschiedliche Datentypen verarbeiten, sondern auch in der Lage sein, komplexe Zusammenhänge ähnlich wie menschliches Fachpersonal zu erfassen und zu bewerten.

Für die Entwicklung ihres autonomen KI-Agenten nutzte das Forschungsteam das Sprachmodell GPT-4 und ergänzte es um spezifische digitale Werkzeuge. Dazu gehörten Module zur automatisierten Auswertung von MRT- und CT-Bildern, zur Analyse histopathologischer Schnitte zur Erkennung genetischer Veränderungen sowie Funktionen zur Literaturrecherche über Plattformen wie PubMed, OncoKB und Google. Damit das System auf aktuellem Wissensstand operiert, wurde es zusätzlich mit etwa 6800 Dokumenten aus anerkannten onkologischen Leitlinien und klinischen Fachquellen verknüpft.

Hohe Genauigkeit in Testszenarien mit simulierten Fällen

Um die Leistungsfähigkeit des Systems zu überprüfen, wurde der KI-Agent an 20 realitätsnahen, simulierten Krebsfällen getestet. In einem zweistufigen Verfahren wählte das Modell zunächst eigenständig geeignete digitale Werkzeuge aus und recherchierte anschließend relevante medizinische Informationen, um daraus therapeutische Schlussfolgerungen abzuleiten. Fachärzt:innen überprüften die Resultate hinsichtlich Richtigkeit, Vollständigkeit und korrekter Quellenangaben. Das System erzielte in 91% der Fälle korrekte klinische Einschätzungen. In über 75% der Fallanalysen wurden zudem die jeweils zutreffenden onkologischen Leitlinien korrekt zitiert.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war der gezielte Einsatz spezialisierter Tools in Kombination mit validierter medizinischer Fachinformation. Diese Kombination erhöhte die Zuverlässigkeit des Modells und reduzierte das Auftreten sogenannter Halluzinationen – also sachlich falscher, aber plausibel klingender Aussagen – deutlich. Besonders im sensiblen Kontext der Patientenversorgung ist diese Ergebnislage von hoher Relevanz.

„KI-Tools sollen medizinisches Fachpersonal unterstützen und wertvolle Zeit für die Patientenversorgung schaffen“, so Dyke Ferber, Erstautor der Veröffentlichung. „Sie könnten im Alltag helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, stets über die neuesten Behandlungsempfehlungen informiert zu sein – und dadurch zur optimalen personalisierten Therapie von Krebspatientinnen und -patienten beizutragen.“

Potenzial und Perspektiven für den klinischen Einsatz

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass KI-Agenten grundsätzlich geeignet sind, Onkolog:innen im klinischen Alltag bei Entscheidungsprozessen zu unterstützen. Zugleich verweisen die Autor:innen auf bestehende Einschränkungen: Das System wurde bislang ausschließlich an einer begrenzten Zahl simuliert dargestellter Fälle getestet und erfordert eine weiterführende Validierung, bevor ein breiterer Einsatz infrage kommt. Künftige Entwicklungen sollen sich darauf konzentrieren, dialogbasierte Interaktionen mit menschlichem Feedback („Human-in-the-Loop“) zu integrieren sowie datenschutzkonforme Lösungen für den Einsatz auf lokalen Serverstrukturen zu ermöglichen.

Langfristig halten die Forschenden den Einsatz vergleichbarer KI-Systeme auch in anderen medizinischen Fachgebieten für möglich – vorausgesetzt, sie werden jeweils mit geeigneten Datenquellen und spezialisierten Werkzeugen ausgestattet. Für eine erfolgreiche Implementierung sei zudem entscheidend, dass medizinisches Fachpersonal im Umgang mit solchen Systemen geschult wird, ohne die ärztliche Entscheidungsverantwortung abzugeben. „Diese Agenten sollen das Klinikpersonal unterstützen, es aber keinesfalls ersetzen“, betont Kather.

Die Studie liefert damit eine erste, vielversprechende Grundlage für den künftigen Einsatz KI-gestützter Entscheidungsunterstützung in der personalisierten Krebsmedizin.

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Quelle:

Technische Universität Dresden

Literatur:

(1)

Ferber D et al. (2025) Development and validation of an autonomous artificial intelligence agent for clinical decision-making in oncology, Nature Cancer, DOI: 10.1038/s43018-025-00991-6

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