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Medizin

Schmerzen bei Hämophilie: Diagnostik und Therapie

Schmerzen bei Hämophilie: Diagnostik und Therapie
© dimamoroz - stock.adobe.com
„Orchestrating Haemophilia“ überschrieb der Titel des Symposiums alle Beiträge zu aktuellen Aspekten der Hämophilie-Therapie. Neben einem optimalen Blutungsschutz stehen für Hämophilie-Patient:innen Gelenkschutz und eine Vermeidung oder Reduktion von Schmerzen im Fokus. Für Behandelnde und Therapeut:innen sind multidisziplinäre und multimodale Ansätze der Schlüssel zum Erfolg. Unter Vorsitz von Prof. Dr. Bettina Kemkes-Matthes, Gießen, referierten Dr. Katharina Holstein, Hamburg, Dr.  Johannes Horlemann, Kevelaer, und Prof. Dr. Dr. Thomas Hilberg, Wuppertal, zum Thema „Schmerz bei Hämophilie“. PD Dr. Dr. Christoph Königs, Frankfurt, stellte Real-World-Daten zu rFVIIIFc (rekombinanter Gerinnungsfaktor VIII-Fc) vor und abschließend zeigte PD Dr. Robert Klamroth, Berlin, neue Perspektiven in der Hämophilie A (HA)-Therapie auf.
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Großteil der Hämophilie-Patient:innen leidet unter Schmerzen

Schmerzen bei Hämophilie-Patient:innen sind häufig und belastend: Bei 86% der Patienten treten Schmerzepisoden auf, 18 bis 39% seien nicht ausreichend behandelt, erläuterte Dr. Katharina Holstein. Eigene Daten aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf belegen: 90% der Hämophilie-Patient:innen berichten über Schmerzepisoden, davon 81% über Gelenkschmerzen. Auch bei Patient:innen mit milder Hämophilie traten Schmerzepisoden in den Gelenken auf. Akute Schmerzen entstehen durch Gelenk- und Muskelblutungen; chronische Schmerzen durch Synovitis, Arthritis und Arthropathie. Sie treten in Folge von Blutungen auf und ein Teufelskreis setzt ein: Blutungen können zu Synovitis führen, die wiederum neue Blutungen begünstigt und damit auch weitere Gelenkschäden. Schmerz in einer Region kann zur Störung der gesamten Bewegungskette führen. Schmerz bedeutet für Patient:innen nicht nur Einschränkungen im täglichen Leben, sondern kann auch einen Einfluss auf die Stimmung haben.

Schmerzen bei Hämophilie multidisziplinär und multimodal begegnen

Eine Möglichkeit zur Prophylaxe und Therapie von Schmerzen bei Hämophilie besteht in der Substitution mit Faktorkonzentrat, einerseits zur Behandlung akuter Blutungen und andererseits um Blutungen, chronischer Synovitis und Arthropathie vorzubeugen. So konnten unter rFVIIIFc Schmerzen signifikant reduziert werden: Ergebnisse des Haem-A-QoL im Rahmen der A-LONG-Studie zeigen, dass zu Studienende im Vergleich zur Ausgangssituation ein signifikant größerer Anteil von Patienten mit rFVIIIFc-Prophylaxe keine Schmerzen in den Gelenken hatte.

Schmerztherapie bei Hämophilie umfasst auch Physiotherapie, Sport und Bewegung

Weitere Bausteine der Schmerztherapie von Patient:innen mit Hämophilie können Physiotherapie sowie Sport und Bewegung sein. Eine medikamentöse Behandlung kann mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) mit antiphlogistischem Effekt (Präparate sind unterschiedlich effektiv und antiinflammatorisch), Opioiden (schnell wirksam, kurz wirksam, lang wirksam) und ergänzenden Medikamenten (z. B. Antidepressiva) erfolgen. Dazu kann eine orthopädische/chirurgische Behandlung entsprechend des individuellen Befundes erfolgen. Zu beachten bei Patient:innen mit Hämophilie ist, dass NSAR mit gastrointestinalem Blutungsrisiko einhergehen, sowie mit einem kardiovaskulären Risiko bei der Behandlung mit COX-2-Inhibitoren.

Kein ASS bei Hämophilie-Schmerzen

Opioide sollten vorsichtig eingesetzt werden, bei Lebererkrankungen ist eine Maximaldosis Paracetamol einzuhalten und Acetylsalicylsäure (ASS) ist wegen des erhöhten Blutungsrisikos ausgeschlossen.
 
 

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Schmerzen müssen bei Hämophilie systematisch erfasst werden

Eine Schmerzerfassung sollte über einen hämophiliespezifischen Schmerzfragebogen durchgeführt werden. Eine systematische Schmerzerfassung sei sehr wichtig, so die Referentin.

Gelenke und Rücken bei Hämophilie oft von Schmerzen betroffen

Prof. Dr. Thomas Hilberg ergänzte, dass die meist betroffenen Gelenke bei Patient:innen mit Hämophilie das Sprunggelenk (41%), das Knie (27%) und die Ellbogen (11%) sind. Eine häufige Schmerzquelle ist neben diesen Gelenken auch oft der Rücken. Schmerztherapie bei Hämophilie umfasst Medikation, lokale Therapie, Radiosynoviorthese, operative Optionen (Arthrodese, Synovektomie, Gelenkersatz), manuelle Therapie, Krankengymnastik, Osteopathie, sowie andere Maßnahmen wie Transkutane Elektrische Nervenstimulation, Kälte, Wärme, Ultraschall, Training oder orthopädisches Schuhwerk.

Schmerztherapie bei Hämophilie: Physio-/Sporttherapie, Edukation/Psychologie, Biomechanik und Operationen

Komponenten einer multimodalen Therapie sind daher Physio-/Sporttherapie, Edukation/Psychologie (auch Gewichtsmanagement), Biomechanik (z. B. Orthesen, orthopädische Einlagen) und Operationen. Einer hämophilen Arthopathie kann zudem mit Physiotherapie, körperlicher Aktivität, Aquatraining, Bewegungs- sowie kognitiver Verhaltenstherapie begegnet werden. Darüber hinaus kann Akupunktur zum Einsatz kommen und psychologische Unterstützung bedeutsam sein.

Wie wird „Schmerz“ definiert?

Das Thema „Schmerz“ als definitionsgemäß unangenehme Sinnes- und/oder Gefühlsempfindung vertiefte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, Dr. Johannes Horlemann, aus einer diagnostischen Perspektive und differenzierte dabei zwischen akutem und chronischem Schmerz-Geschehen: Akute Schmerzen sind biologisch sinnvoll, zeitlich begrenzt (< 3 Monate) und ein Symptom mit imperativer Warnfunktion, das einen Hinweis auf eine Gewebeschädigung liefert. Es besteht eine Kongruenz zwischen Beschwerdebild und organischem Befund. Schützende, schmerzvermeidende Maßnahmen sind einzuleiten. Demgegenüber sind chronische Schmerzen abzugrenzen. Hier kommt es zu einem Verlust der biologischen Warn- und Schutzfunktion, es besteht häufig eine Diskrepanz zwischen Beschwerden und organischem Befund. Chronische Schmerzen bilden ein eigenständiges Krankheitsbild, so Horlemann.

Diagnostik von Schmerzen

Grundsatzfragen in der Diagnostik umfassen die Aspekte: Wo beginnt der Schmerz? Wohin strahlt er aus? Wann tritt er auf? Wodurch wird er verstärkt oder gelindert? Liegt ein neurologischer Reiz vor und/oder gibt es Ausfallsymptome? Zur Erfassung der subjektiven Schmerzwahrnehmung kommt die VAS (visuelle Analogskala), eine grafische Rating-Skala, zum Einsatz. Abzugrenzen sind mechanischer Schmerz, entzündlicher Schmerz und psychogener Schmerz. Eine schmerz-medizinische Diagnose erfolgt in verschiedenen Ebenen: Chronischer Schmerz vs. Akutschmerz, nozizeptive vs. neuropathische und organisch erklärbare Schmerzen vs. Erlebnisebene. Neue Leitlinien zur Schmerztherapie bei Hämophilie seien aktuell auf dem Weg.

Quelle: Sobi


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