Journal Onkologie
Hämatologie
Inhaltsverzeichnis

Welche Funktionen erfüllt Blut im menschlichen Körper?

Blut erfüllt im menschlichen Organismus lebenswichtige Funktionen. Als zirkulierendes Gewebe verbindet es nahezu alle Organsysteme miteinander und übernimmt dabei vielfältige Aufgaben [1]:

  • Gasaustausch: Erythrozyten transportieren Sauerstoff aus der Lunge zu den Körperzellen und führen Kohlendioxid zur Lunge zurück.

  • Transportfunktion: Blut befördert Nährstoffe aus dem Verdauungstrakt, Hormone aus endokrinen Drüsen sowie Stoffwechselabbauprodukte zur Leber und Niere.

  • Immunabwehr: Leukozyten und humorale Faktoren wie Antikörper oder Komplementsystem erkennen und bekämpfen Krankheitserreger.

  • Thermoregulation: Durch Veränderungen des Blutflusses in Haut und Extremitäten trägt das Blut zur Aufrechterhaltung einer konstanten Körpertemperatur bei.

  • Hämostase: Bei Gefäßverletzungen initiieren Thrombozyten zusammen mit Gerinnungsfaktoren die Blutstillung und Wundheilung.

Aus welchen Bestandteilen setzt sich das Blut zusammen?

Das menschliche Blut besteht aus zwei Hauptkomponenten: einem flüssigen Anteil, dem Plasma, und einem festen Anteil, den zellulären Blutbestandteilen. Das gesamte Blutvolumen eines Erwachsenen beträgt etwa 5 bis 6 Liter [1].

Feste Bestandteile (~45%): Dazu zählen drei Zelltypen [1]:

  • Erythrozyten (rote Blutkörperchen): verantwortlich für den Sauerstofftransport.

  • Leukozyten (weiße Blutkörperchen): Teil des Immunsystems.

  • Thrombozyten (Blutplättchen): beteiligt an der Blutgerinnung.

Plasma (~55%): Das Plasma ist zu etwa 92% Wasser und enthält Proteine (z. B. Albumin, Gerinnungsfaktoren, Immunglobuline), Elektrolyte, Glukose, Lipide, Vitamine und Hormone. Es dient als Transportmedium und spielt eine zentrale Rolle in der Homöostase [1].

Das Verhältnis zwischen Plasma und Blutzellen – also der Hämatokrit – ist entscheidend für die Fließeigenschaften des Blutes. Bei übermäßiger Zellzahl, etwa im Rahmen hämatologischer Neoplasien wie dem Multiplen Myelom, kann das Blut viskös werden. Dies erhöht das Risiko für Thrombosen und damit für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Organinfarkte [1].

Was sind Erythrozyten?

Erythrozyten, auch rote Blutkörperchen genannt, sind die mit Abstand häufigsten Zellen im Blut und machen etwa 45% des Blutvolumens aus. Ihre Hauptaufgabe besteht im Transport von Sauerstoff von der Lunge ins Körpergewebe sowie von Kohlendioxid zurück zur Lunge. Die Zellen besitzen eine charakteristische bikonkave Form, die ihre Oberfläche maximiert und ihnen Flexibilität verleiht – eine wichtige Eigenschaft für die Passage durch enge Kapillaren. Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, den Erythrozyten in hoher Konzentration enthalten, bindet den Sauerstoff reversibel. Die Bildung der Erythrozyten erfolgt beim Erwachsenen hauptsächlich im roten Knochenmark, insbesondere in Wirbelsäule, Becken und proximalen Röhrenknochen. Bei Kindern ist zusätzlich das Knochenmark der langen Röhrenknochen aktiv. Ihre Lebensdauer beträgt etwa 120 Tage, anschließend werden sie primär in der Milz abgebaut. Verliert ein Erythrozyt seine physiologische Form, kann dies die Sauerstofftransportkapazität und die Zirkulation erheblich beeinträchtigen. Solche deformierten Zellen neigen zur Aggregation und können Mikrogefäße blockieren, was zu schmerzhaften Krisen und Organschäden führen kann [1, 2].

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Was sind Leukozyten?

Leukozyten, auch weiße Blutkörperchen genannt, sind eine heterogene Zellgruppe des Blutes, die für die Immunabwehr verantwortlich ist. Obwohl sie mengenmäßig nur etwa 1% des Vollbluts ausmachen, spielen sie eine zentrale Rolle beim Schutz des Körpers vor Infektionen, Tumoren und anderen Fremdstoffen. Gebildet werden sie – wie die meisten Blutzellen – im Knochenmark [1, 2].

Leukozyten lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen [1, 2]:

Lymphatische Zellen (Lymphozyten):

  • T-Lymphozyten erkennen virusinfizierte oder entartete Körperzellen und zerstören sie gezielt.

  • B-Lymphozyten produzieren spezifische Antikörper, die an Antigene binden und so zur Immunneutralisation beitragen.

  • Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) sind Teil der angeborenen Immunantwort und eliminieren abnormale Zellen unabhängig von Antikörpern.

Myeloische Zellen (Granulozyten und Monozyten):

  • Neutrophile Granulozyten sind die wichtigsten Zellen bei der Abwehr bakterieller Infektionen. Sie erkennen, umschließen und zerstören Krankheitserreger durch Phagozytose.

  • Eosinophile und basophile Granulozyten spielen eine Rolle bei allergischen Reaktionen und der Bekämpfung von Parasiten.

  • Monozyten zirkulieren im Blut und differenzieren im Gewebe zu Makrophagen und dendritischen Zellen, die Krankheitserreger „auffressen“ oder Antigene präsentieren.

Was sind Thrombozyten?

Thrombozyten, auch Blutplättchen genannt, sind kleine, kernlose Zellfragmente, die aus Megakaryozyten im Knochenmark abgeschnürt werden. Sie zirkulieren etwa 7–10 Tage im Blut und spielen eine zentrale Rolle bei der Hämostase, also dem Stillen von Blutungen. Nach einer Gefäßverletzung werden Thrombozyten durch Kontakt mit subendothelialen Strukturen aktiviert. Sie haften an die Gefäßwand, verbinden sich untereinander (Aggregation) und setzen gerinnungsfördernde Botenstoffe frei. Diese leiten die Gerinnungskaskade ein, an deren Ende ein stabiler Fibrinthrombus steht, der die Blutung verschließt. Dieser Vorgang ist essenziell, um Blutverluste zu stoppen und eine Wundheilung einzuleiten. Ein Mangel an Thrombozyten oder eine Funktionsstörung kann zu vermehrter Blutungsneigung führen, während eine überschießende Aktivität das Risiko für Thrombosen erhöht.

Was versteht man unter Hämato-Onkologie?

Die Hämato-Onkologie ist ein Teilbereich der Hämatologie und Onkologie, der sich mit der Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen des Blutsystems, des Knochenmarks und des lymphatischen Systems befasst. Sie umfasst die Behandlung von Neoplasien hämatopoetischer oder lymphatischer Zellen – also bösartigen Zellveränderungen, die die normale Blutbildung oder Immunabwehr stören.

Zu den wichtigsten Krankheitsgruppen der Hämato-Onkologie zählen:

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Welche Verfahren werden für die hämatologische Diagnostik verwendet?

Die Diagnostik beginnt mit der Anamnese und körperlichen Untersuchung, gefolgt von der Analyse eines kleinen oder großen Blutbilds, das erste Hinweise auf Bluterkrankungen liefert. Bei Auffälligkeiten folgen weitere Verfahren wie Blutausstrich, Knochenmarkpunktion, Immunphänotypisierung oder molekulargenetische Analysen (z. B. zur Identifikation von Genmutationen wie BCR-ABL oder JAK2) [1].

Das kleine Blutbild

Das kleine Blutbild gibt Auskunft über die Anzahl und Form der Blutzellen (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten) sowie über die Konzentration des Hämoglobins. Dieses sauerstoffbindende Protein der roten Blutkörperchen verleiht dem Blut seine rote Farbe und ist entscheidend für den Sauerstofftransport im Körper sowie den Abtransport von Kohlendioxid [2].

Welche Werte beinhaltet das kleine Blutbild? [3]

Zelltyp

Normwerte Männer

Normwerte Frauen

Erythrozyten

4,5 - 5,9 Mio. pro µl

4,1 - 5,2 Mio. pro µl

Leukozyten

4.000 - 10.000 pro µl

4.000 - 10.000 pro µl

Thrombozyten

150.000 - 380.000 pro µl

150.000 - 380.000 pro µl

Hämatokrit

42 - 50%

37 - 45%

Hämoglobin

13 - 17 g pro dl

12 - 16 g pro dl

MCH (mittlerer Gehalt an Hämoglobin pro Erythrozyt)

27 - 34 pg pro Zelle

27 - 34 pg pro Zelle

MCHC (mittlere Konzentration an Hämoglobin pro Erythrozyt)

32 - 36 g pro dl

32 - 36 g pro dl

MCV (mittleres zelluläres Volumen)

85 - 98 fl

85 - 98 fl

Retikulozyten (jugendliche Erythrozyten)

3 bis 18 pro 1.000 Erythrozyten

3 bis 18 pro 1.000 Erythrozyten

Welche Werte behinhaltet das große Blutbild / Differentailblutbild?

Das große Blutbild beinhaltet neben den Werten des kleinen Blutbildes die Zelltypen der Leukozyten [3].

Zelltyp

Normwerte Männer

Normwerte Frauen

Neutrophile Granulozyten

3.000 - 5.800 pro µl

3.000 - 5.800 pro µl

Eosinophile Granulozyten

50 - 250 pro µl

50 - 250 pro µl

Basophile Granulozyten

15 - 50 pro µl

15 - 50 pro µl

Monozyten

285 - 500 pro µl

285 - 500 pro µl

Lymphozyten

1.500 - 3.000 pro µl

1.500 - 3.000 pro µl

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Was sind hämatologische Erkrankungen?

Hämatologische Erkrankungen betreffen das Blut, das Knochenmark oder das lymphatische System. Sie lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: Erkrankungen mit verminderten Blutzellen, Erkrankungen mit vermehrten Blutzellen sowie bösartige Erkrankungen [1, 4].

Erkrankungen mit zu wenig Blutzellen (Zytopenien)

  • Anämie: Mangel an Hämoglobin oder Erythrozyten → Müdigkeit, Blässe, Konzentrationsprobleme

  • Leukozytopenie: Verminderte Anzahl weißer Blutkörperchen → Infektanfälligkeit

  • Thrombozytopenie: Zu wenig Blutplättchen → Blutungsneigung, Petechien

  • Panzytopenie: Verminderung aller drei Zellreihen

  • Aplastische Anämie: Versagen der Blutbildung im Knochenmark

Erkrankungen mit zu vielen Blutzellen (Zytosen)

  • Erythrozytose (z.B. bei Polycythaemia vera): Zuviel rote Blutkörperchen → Kopfschmerz, Thromboserisiko

  • Leukozytose: Erhöhte Leukozytenzahl, oft infektionsbedingt

  • Thrombozytose / Essenzielle Thrombozythämie: Zuviel Thrombozyten → Thrombosen oder Blutungen

Erbliche Bluterkrankungen

  • Sichelzellanämie: Fehlgebildete Erythrozyten, chronische Anämie

  • Thalassämien: Gestörte Hämoglobinbildung, unterschiedlich schwer

  • Von-Willebrand-Syndrom: Blutgerinnungsstörung durch Mangel an Von-Willebrand-Faktor

Maligne hämatologische Erkrankungen

  • Leukämien: Bösartige Erkrankungen des Knochenmarks, übermäßige Produktion unreifer Leukozyten → akute (AML, ALL) und chronische (CML, CLL) Form

  • Lymphome: Bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems → Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin-Lymphome (z.B. diffus großzelliges B-Zell-Lymphom, T-Zell-Lymphome)

  • Multiples Myelom: Plasmazellerkrankung mit Bildung funktionsloser Immunglobuline

  • Myeloproliferative Neoplasien (MPN): Chronische Überproduktion reifer Blutzellen → PV, ET, PMF, CML

  • Myelodysplastische Syndrome (MDS): Bildung unreifer, funktionsloser Blutzellen mit möglicher Leukämieentwicklung

Literatur:

(1)

Hoffbrand’s Essential Hematology. 8th Edition. Wiley-Blackwell, 2023.

(2)

Wintrobe’s Clinical Hematology, 14th Edition, Wolters Kluwer, 2019.

(3)

https://www.muenchen-klinik.de/blutkrankheiten/blutbild/

(4)

Onkopedia – Hämatologische Erkrankungen. Abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines (zuletzt aufgerufen am: 04.08.25)