Journal Onkologie
Medizin
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Gemeinsam mehr erreichen

Angesichts geopolitischer Umbrüche, demografischer Verschiebungen und der enormen Innovationsdynamik in Bereichen wie KI, molekularer Diagnostik oder personalisierter Therapie ist klar: Kein Mitgliedstaat kann diese Herausforderungen allein bewältigen. Wie es Enrico Letta und Mario Draghi in ihren Berichten betonen, geht es nicht mehr um Konkurrenz zwischen Nationalstaaten – sondern darum, die „beste Version Europas“ zu werden. Europa muss sich selbst ernst nehmen: als gemeinsamer Gesundheitsraum, als digitaler Binnenmarkt für Forschung und Versorgung, als globaler Partner auf Augenhöhe. Das gilt auch – und gerade – in der Krebsbekämpfung.

Strategien mit Anschlussfähigkeit

Mit der EU Mission on Cancer und dem Europe’s BeatingCancer Plan hat die EU starke politische und operative Instrumente geschaffen. Die Mission zielt darauf ab, bis 2030 mehr als drei Millionen Leben zu retten, die Forschung zu beschleunigen, Bürgerinnen und Bürger aktiv einzubindenund nationale Strategien zu verbinden. Der Europe's Beating Cancer Plan ergänzt dies durch konkrete Umsetzungs-vorhaben in Prävention, Früherkennung, Versorgung undLebensqualität. Beide Instrumente setzen auf Evidenz, Partizipation und digitale Infrastruktur – zentrale Erfolgsfaktoren auch in der deutschen Krebspolitik.

Der deutsche Beitrag: Dekade, Plan - und Mission Hub

Deutschland hat sich mit dem Nationalen Krebsplan (seit 2008) und der Nationalen Dekade gegen Krebs (seit 2019) frühzeitig positioniert. Der Fokus des Nationalen Krebsplans liegt auf der Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung, der onkologischen Versorgung, dem fairen Zugang zu Innovationen und einer stärkeren Patientenorientierung. Die Nationale Dekade gegen Krebs wiederum fördert translationale Forschung, Prävention und Datenvernetzung. Besonders hervorzuheben ist: Der Strategiekreis der Dekade wird zum deutschen National Cancer Mission Hub und wird sich auch in Zukunft aktiv im europäischen ECHoS-Netzwerk (Projekt zur Errichtung von Zentren für die Krebsmission: Netzwerke und Synergien; engl. Establishing of Cancer Mission Hubs: Networks and Synergies, ECHoS) der nationalen Mission Hubs einbringen. Damit ist Deutschland aktiv an der Umsetzung der europäischen Krebsmission beteiligt – institutionell verankert und strategisch eingebunden. Die enge Vernetzung zwischen Nationaler Dekade und Krebsmission ermöglicht einen harmonisierten Austausch zwischen deutschen und europäischen Strukturen und wird Deutschlands Position in Europa weiter stärken.

Keine Parallelstrukturen - sondern Mehrwert

Dr. med. C. Benedikt Westphalen

Worauf es jetzt ankommt, ist die kluge Verzahnung dieser Initiativen. Es geht nicht um Doppelung von Aktivitäten, sondern um Kohärenz: Die EU kann durch große Datenräume und strategische Forschungsförderung punkten; Deutschland durch bewährte Versorgungsmodelle, hochwertige Leitlinien und ein enges Zusammenspiel von Wissenschaft, Versorgung und Zivilgesellschaft. Wenn wir es schaffen, diese Ebenen zusammenzuführen – etwa durchgemeinsame Projekte, interoperable Register, grenzüberschreitende Studien oder abgestimmte Innovationspfade – entsteht echter Mehrwert.

Wettbewerb als Antrieb, nicht als Ziel

Wie Draghi es formuliert: Europa muss nicht „wettbewerbsorientierter als andere werden, sondern wettbewerbsfähiger in sich selbst“. Wir sollten unseren Erfolg nicht daran messen, ob wir schneller sind als China oder die USA, sondern ob wir die eigenen Potenziale freisetzen – für bessere Forschung, bessere Versorgung, bessere Leben. Die Krebsmission ist dafür ein ideales Vehikel. Und sie braucht ein starkes, engagiertes Deutschland – nicht als Einzelkämpfer, sondern als integraler Teil einer europäischen Gesundheitsunion.

Vision Zero als verbindender Anspruch

Der Vision Zero Gedanke – vermeidbare Krebstodesfälle langfristig zu verhindern – verbindet nationale und europäische Perspektiven. Er kann zum normativen Kompass werden: für gemeinsame Forschungsagenden, strukturierte Datenräume, zielgerichtete Innovationsförderung. Und für eine Gesellschaft, die Krebs nicht nur behandelt, sondern strukturell zurückdrängt – durch Aufklärung, Prävention, personalisierte Therapie und gelebte Solidarität.

Fazit: Europas Krebspolitik beginnt zu Hause - und brauch Europa

„Von Brüssel nach Berlin“ ist kein eindimensionaler Richtungswechsel, sondern ein Dialog: zwischen Strategien, Systemen, Menschen. Die Krebspolitik ist dabei ein ideales Feld, um zu zeigen, wie europäische Souveränität, nationale Verantwortung und gemeinsames Handeln zusammenkommen können. Jetzt gilt es, diesen Dialog in konkrete Projekte, strukturierte Zusammenarbeit und sichtbare Erfolge zu übersetzen. Damit aus Plänen Fortschritt wird – für die Menschen, die davon am meisten profitieren: die Patientinnen und Patienten.

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Quelle:

Vision Zero Magazin Nr.1/25