Soziale Ungleichheit bei der Inzidenz von Krebserkrankungen nimmt zu
Anne Krampe-ScheidlerDie altersstandardisierte Krebsinzidenz in Deutschland war zwischen 2007 und 2018 rückläufig. Allerdings profitierten Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Regionen signifikant weniger von diesem Trend. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Höhere Krebsinzidenz in benachteiligten Regionen
Wie Dr. Lina Jansen vom Epidemiologischen Krebsregister Baden-Württemberg, DKFZ, berichtete, lag die Krebsinzidenz 2007 in stark benachteiligten Regionen um 7% höher als in weniger benachteiligten Gebieten. Im Jahr 2018 war dieser Unterschied bei Männern auf 23% und bei Frauen auf 20% gestiegen. Besonders ausgeprägt war die Diskrepanz bei Lungenkrebs (2018: Männer +82%, Frauen +88%). Bei Prostata- und Brustkrebs wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Die Forscherin verwies auf den Bedarf an geeigneten Interventionen. „Das Ziel ist, dass jede Person die Ressourcen und die Unterstützung bekommt, die sie braucht. Das heißt nicht, jeder bekommt das Gleiche, sondern jeder sollte das an Hilfe bekommen, was er braucht, um das gleiche Outcome zu erreichen“, so Dr. Jansen.
Bessere Daten und mehr Gesundheitskompetenz erforderlich
Prof. Dr. Klaus Kraywinkel vom Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut betonte, dass sozioökonomische Unterschiede bei vielen chronischen Erkrankungen bestehen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass eine tiefergehende Analyse auf individueller Ebene aufgrund von Datenschutzbestimmungen und fehlender Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Datensätzen wie z.B. zu Einkommen oder Bildungsstatus erschwert sei. „Da sind wir mit unserem dezentralen Gesundheitssystem mit vielen Playern im Nachteil gegenüber Systemen, die zentral organisiert sind und in denen es nur eine staatliche Krankversicherung gibt“, konstatierte er.
Sozioökonomische Benachteiligung habe zwar einen deutlichen Einfluss auf das Präventionsverhalten und den Lebensstil, jedoch nicht auf die Qualität der Behandlung, hob Prof. Dr. Wolfgang Knauf, Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland, hervor. Er forderte mehr Bildung und Aufklärung sowie ein Pflichtfach „Gesundheitslehre“ in den Schulen, um die allgemeine Gesundheitskompetenz zu verbessern. „Wer einen höheren Bildungsstand, einen höheren Ausbildungsgrad hat, hat ein anderes Bewusstsein für seine Körperlichkeit. Und das äußert sich dann in einer bewussteren Lebensführung. Das muss trainiert und ausgebildet werden“, so sein Fazit.
Quelle:Zi insights: „Krebs trifft nicht alle gleich – Entwicklung der sozioökonomischen Ungleichheiten in der Krebsinzidenz“, Digitales Diskussionsforum, 07.05.2025