16. September 2020 EHA/ASCO-Updates zu myeloischen Neoplasien und Rituximab-Biosimilar
Myeloische Neoplasien – AML und MDS
Zur Therapie der AML und MDS wurden auf dem diesjährigen EHA-Kongress zahlreiche Studienergebnisse vorgestellt. Wie PD Dr. Klaus Metzeler, München, berichtete, wurde beispielsweise in mehreren Studien der BCL2-Inhibitor Venetoclax als Kombinationspartner für verschiedene Therapieregime getestet. Gezeigt wurden Daten der Phase-III-Studie VIALE-A, denen zu Folge eine Kombination aus Venetoclax + Azacitidin bei unfitten AML-Patienten (aufgrund von hohem Alter oder Komorbiditäten) die Ansprechrate (CR/CRi) im Vergleich zu Placebo + Azacitidin erhöhte (66,4% vs. 28,3%; p<0,001) sowie das Gesamtüberleben (OS) verbesserte (14,7 Monate vs. 9,6 Monate, HR=0,66; p<0,001) (1). Beide Vorteile erwiesen sich dabei über alle untersuchten Subgruppen konsistent. An Toxizitäten kam es im Venetoclax-Arm v.a. häufiger zu febrilen Neutropenien verglichen mit dem Placebo-Arm. Doch allgemein erwies sich die Kombination als gut verträglich, wie Metzeler anmerkte. „Damit ist Azacitidin + Venetoclax der neue therapeutische Standard für die Erstlinientherapie von „non-fit“ AML-Patienten mit intermediärem oder ungünstigem Genotyp“, erklärte Metzeler, er wies jedoch darauf hin, dass die Verwendung dieser Kombination derzeit in Deutschland noch off-label sei. Wegen der Gefahr eines Tumorlysesyndroms müsse die Dosis von Venetoclax langsam gesteigert werden, so Metzeler. Wie er weiter ausführte, sei die Kombination aus Venetoclax + Azacitidin einer Phase-1b-Studie (n=38, medianes Alter 74 Jahre) zu Folge auch bei vorbehandelten MDS-Patienten wirksam, gehe aber mit erhöhten Toxizitätsraten einer (2). In einer Phase-III-Studie konnte auch Venetoclax + Decitabin bei fitten, älteren AML-Patienten zu hohen Ansprechraten (CR/CRi-Rate 81%) führen (3). In der VIALE-C-Studie, in der niedrig dosiertes Ara-C (LDAC) + Venetoclax in einer primären Analyse keinen signifikanten Vorteil gegenüber LDAC alleine zeigen konnte, zeigte sich nun mit einem 6 Monate längeren Follow-up ein verbessertes OS im Venetoclax-LDAC-Arm (4).Eine weitere Therapiestrategie, die derzeit in Studien untersucht wird, zielt auf die IDH1/IDH2-Mutationen ab. IDH1-Mutationen kommen bei ca. 7%, IDH2-Mutationen bei 14% aller AML-Patienten vor. Spezifische Inhibitoren, Ivosidenib bei vorliegender IDH1-Mutation und Enasidenib bei IDH2-Mutation wurden jeweils in Kombination mit Azacitidin bei „non-fit“ AML-Patienten mit entsprechender IDH1- oder IDH2-Mutation untersucht. Nach der Dosisfindung in Phase-1b wurden die IDH2-mutierten Patienten 2:1 randomisiert zu einer Erstlinientherapie mit Enasidenib + Azacitidin oder einer Azacitidin-Monotherapie. Die Auswertung der Studie ergab, dass die Kombination aus Enasidenib und Azacitidin dabei zwar die Ansprechrate verbesserte, nicht aber das ereignisfreie Überleben (EFS) oder das OS (5). Wie Metzeler ausführte, blieben noch viele Fragen offen, z.B. ob die Kombination trotzdem klinische Vorteile bieten könne, wie etwa eine bessere Lebensqualität bei Patienten mit Ansprechen, oder aber Vorteile durch weniger Transfusionen oder weniger Infekte. In einer weiteren Studie war eine Kombination aus Ivosidenib + Venetoclax +/- Azacitidin bei AML-Patienten mit IDH1-Mutation getestet worden. Laut Metzeler zeigten die Patienten den ersten Studienergebnissen zu Folge gute Ansprechraten (78%) (6). Dies könne für bestimmte genetische Subgruppen die Perspektive einer chemotherapiefreien AML-Therapie bieten, gab sich Metzeler zuversichtlich.
Als neuen, spannenden Ansatz stellte Metzeler auch die Daten zu dem Antikörper Magrolimab vor, der gegen das CD47-Checkpoint-Molekül für Makrophagen gerichtet ist. Magrolimab blockiert das „do not eat me“-Signal CD47, das häufig auf Tumorzellen exprimiert wird, wodurch die Phagozytose der Tumorzellen induziert wird. Eine hohe Expression von CD47 gilt bei der AML als prognostisch ungünstig. Dazu gibt es sehr überzeugende Daten aus einer Studie (5F9005-Studie), die sowohl auf dem ASCO als auch auf dem EHA vorgestellt wurden (7, 8). Eine Kombination aus Magrolimab + Azacitidin führte dabei zu hohen Ansprechraten bei AML- und Hochrisiko-MDS-Patienten. Was Metzeler als besonders bemerkenswert erachtete, war, dass auch MDS/AML-Patienten mit einer TP53-Mutation profitierten. Derzeit wird eine Phase-III-Studie initiiert, die die Kombination bei Patienten mit Intermediär/Hochrisiko-MDS untersuchen wird.
Schließlich ging Metzeler noch auf die Daten zu oralem Azacitidin (CC-486) ein. Zum einen gab es neue Auswertungen der QUAZAR AML-001-Studie, in der eine Erhaltungstherapie mit CC-486 im Vergleich zu Placebo bei AML-Patienten, die nicht für eine allogene Stammzelltransplantation in Frage gekommen sind, bereits in einer früheren Analyse einen OS-Vorteil zeigen konnte. Einem aktuellen Update der Studie zu Folge hatten die Patienten während der Therapiephase (vor Progression) insgesamt eine gute Lebensqualität, sowohl unter CC-486 als auch unter Placebo, darüber hinaus zeigte sich die Erhaltungstherapie als gut verträglich (9). Eine Subgruppenanalyse kam zu dem Ergebnis, dass auch AML-Patienten ≥ 75 Jahre unter CC-486-Erhaltungstherapie Vorteile hinsichtlich OS und rezidivfreiem Überleben (RFS) haben – bei guter Verträglichkeit (10). In der AZA-MDS-003-Studie wurden Patienten mit IPSS-lower risk und einer transfusionsabhängigen Anämie oder Thrombozytopenie mit dem oralen Azacitidin oder Placebo behandelt (11). Die Therapie mit CC-486 führte bei einer Subgruppe von Patienten mit Niedrig-Risiko-MDS zu Anstiegen von Hb und Plättchenzahl sowie zur Transfusionsunabhängigkeit. Die mediane Dauer der Transfusionsfreiheit bei Patienten mit Ansprechen betrug 11 Monate. Es zeigte sich jedoch kein Einfluss auf das OS. Die Mortalität in den ersten Therapiezyklen war, v.a. aufgrund von Infekten, erhöht.
Rituximab-Biosimilar bewährt sich weiterhin
Prof. Dr. Wolfgang Knauf, Frankfurt, stellte eine aktuelle gepoolte Analyse aus 2 Phase-III-Studien zu dem Rituximab-Biosimilar CT-P10 (Truxima®) vor, die auf dem diesjährigen EHA präsentiert wurde. Die Auswertung der AFL-Studie und der LTFBL-Studie bestätigte nun erneut die Langzeiteffektivität (progressionsfreies Überleben (PFS), OS) bei Patienten mit follikulärem Lymphom (FL) und die therapeutische Äquivalenz zum Originator (12). In beiden Studien war CT-P10 randomisiert mit dem Referenz-Rituximab bei zuvor unbehandelten FL-Patienten verglichen worden. Es zeigte sich, dass das Biosimilar gut toleriert wird und ein vergleichbares Sicherheitsprofil gegenüber dem Referenzprodukt aufweist. „Truxima® ist gleichermaßen effektiv und sicher wie der Originator“, so Knauf. Daher gebe es aus seiner Sicht keinen Grund, das Biosimilar nicht einzusetzen. „In unserer Klinik ist Rituximab schon zu 100% durch Truxima® ersetzt“, sagte Knauf.(sk)
Quelle: Virtueller Münchener Fachpresse-Workshop der POMME-med und dpmed, 16.07.2020
Literatur:
(1) DiNardo C et al. EHA 2020, #LB2601.
(2) Zeidan A et al. EHA 2020, #S188.
(3) Maiti A et al. EHA 2020, #S141.
(4) Wei AH et al. EHA 2020, #S136.
(5) DiNardo C et al. EHA 2020, #S139.
(6) DiNardo C et al. EHA 2020, #S143.
(7) Sallman D et al. ASCO 2020, #7507.
(8) Daver N et al. EHA 2020, #S144.
(9) Roboz G et al. EHA 2020, #S334.
(10) Ravandi F et al. EHA 2020, EP550.
(11) Garcia-Manero G et al. EHA 2020, #S180.
(12) Buske C et al. EHA 2020; #EP1189.
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