Nebenwirkungen von Krebstherapien: KI erkennt Organschäden frühzeitig
Einem Team der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, eine abnehmende Nierenfunktion infolge bestimmter Krebstherapien frühzeitig vorherzusagen. Bereits Monate bevor sich die Nierenfunktion verschlechterte, zeigen die Nieren eine leichte Volumenabnahme. Das stellten die Forschenden anhand von CT-Aufnahmen fest, die sie mit einem KI-gestützten Algorithmus untersuchten. Ähnliche Effekte konnten sie auch für die Milz nachweisen. In Zukunft könnten auf dieser Grundlage Therapien frühzeitig angepasst werden.
Studie untersucht mögliche Nierenschäden nach Lutetium-177-PSMA-Therapie
In einer aktuellen Studie (1) hat das Team um Forschende aus den Kliniken für Radiologie und Nuklearmedizin des TUM Klinikums Daten von 121 Patient:innen unter die Lupe genommen, deren Prostatakrebs mit Lutetium-177-PSMA behandelt wurde. Diese Radioligandentherapie, eine Form der nuklearmedizinischen Therapie, ist relativ neu und gilt für bestimmte Tumore als besonders vielversprechend. Eine mögliche Nebenwirkung sind allerdings Einschränkungen der Nierenfunktion, die im Laufe der Behandlung auftreten.
„In einer früheren Arbeit hatten wir festgestellt, dass Patienten, deren Nierenwerte nach einer Lutetium-177-PSMA Therapie schlechter wurden, Veränderungen im Nierengewebe aufwiesen“, sagt Erstautorin Dr. Lisa Steinhelfer. „Da Gewebeproben, mit denen sich das feststellen ließe nicht routinemäßig entnommen werden können, wollten wir untersuchen, ob sich diese Veränderungen auch auf andere Weise nachweisen lassen.“
Nierenvolumen als Biomarker
Dr. Steinhelfer und ihre Kolleg:innen haben einen Ansatz gewählt, der keinerlei zusätzliche Belastung für die Betroffenen bedeutet. Bei Krebstherapien werden zu verschiedenen Zeitpunkten routinemäßig Computertomographie-Aufnahmen erstellt und Blutwerte erfasst, um den Erfolg der Behandlung zu messen. Die Münchner Forschenden überprüften eine Vielzahl von Faktoren aus diesen standardmäßig erfassten Daten, um frühe Anzeichen für Nierenschäden zu finden. Während Daten wie Veränderungen der Länge der Nieren oder das Alter der Patient:innen keine Prognosen ermöglichten, waren Veränderungen des Nierenvolumens aussagekräftig: War 6 Monate nach Behandlungsstart das Volumen der Nieren um 10% oder mehr verringert, war die Nierenfunktion mit großer Wahrscheinlichkeit nach weiteren 6 Monaten deutlich eingeschränkt.
„Die Veränderungen des Nierenvolumens sind so klein, dass sie bei einer routinemäßigen Begutachtung der Aufnahmen leicht übersehen werden können. Ärztinnen und Ärzte suchen ja in erster Linie Tumore und andere schwerwiegende Probleme“, sagt Prof. Matthias Eiber, gemeinsam mit Prof. Rickmer Braren Letztautor der Studie. „Bildanalyse-Algorithmen erkennen dagegen selbst kleine Veränderungen zuverlässig, wenn man sie vorher darauf trainiert“, ergänzt Dr. Friederike Jungmann, wie Dr. Steinhelfer Erstautorin der Studie.
Ansatz vermutlich auf viele Krebstherapien anwendbar
„Wenn erkennbar ist, dass ein Patient nach 6 Monaten Behandlung ein erhöhtes Risiko für eine spätere Nierenfunktionseinschränkung hat, könnte man sowohl die Anzahl der Therapiezyklen als auch die verabreichte Aktivität im Rahmen eines individuellen Therapiekonzepts gezielt anpassen“, sagt Dr. Steinhelfer. Derzeit nimmt das TUM Klinikum auch an 2 prospektiven Studien zu diesem Thema teil.
Quelle:Technische Universität München
Literatur:
- (1)
Steinhelfer et al. Radiology 2025; 314(2):e240427. DOI: 10.1148/radiol.240427