Wer braucht tatsächlich Blutprodukte?
Die Versorgung von Patient:innen mit Blutprodukten sollte evidenzbasiert und multidisziplinär erfolgen, um Betroffene optimal zu versorgen, allogene Bluttransfusionen zu reduzieren und die Verfügbarkeit allogener Blutprodukte sicherzustellen. Expert:innen diskutierten diese Aspekte in einer Session auf der 69. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in Lausanne.
Wir steuern auf einen Mangel an Blutprodukten zu
Als Herausforderung in der Transfusionsmedizin nannte Prof. Dr. Andrea Steinbicker, Köln, den demografischen Wandel: Derzeit sind rund 25% der EU-Bevölkerung > 65 Jahre alt; dieser Anteil wird bis 2032 auf 38% steigen. Bereits heute wird etwa die Hälfte aller Bluttransfusionen für Patient:innen >75 Jahre benötigt; Blutspendende finden sich vor allem in der Gruppe der > 60-Jährigen. „Sie werden in wenigen Jahren unsere Patient:innen sein. Dann steuern wir auf einen Mangel an Blutprodukten zu“, so Steinbicker.
Wie lässt sich der Fremdbluteinsatz senken?
Laut Netzwerk-Daten an > 1 Mio. Personen liegt die Prävalenz einer präoperativen Anämie bei 25-35%, wobei sie in den höheren Altersgruppen höher ist als bei Jüngeren (1). Auch zeigt das Projekt, dass anämische Patient:innen in der Klinik im Vergleich zu denen ohne Anämie ein gesteigertes Sterberisiko haben (1). Anämische Patient:innen erhalten perioperativ häufiger Erythrozytenkonzentrate (EK) als die ohne Anämie, wobei die Rate mit zunehmendem Alter steigt. „Bei Patient:innen > 80 Jahre ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie perioperativ mindestens ein EK erhalten, in jedem deutschen Krankenhaus höher als bei Jüngeren“, so Steinbicker. Hier ist Forschung nötig um zu klären, ob Ältere diese Transfusionen tatsächlich brauchen. Um einem Mangel an Blutprodukten vorzubeugen, wird in Leitlinien empfohlen, bei herzchirurgischen Eingriffen mit ihrem hohen Bedarf an Blutprodukten zusätzlich die maschinelle Autotransfusion zu nutzen, um den Fremdbluteinsatz zu senken (2).
Wie steht es um den Bedarf von Blutprodukten bei Kindern?
Daten zum Transfusionsbedarf bei Kindern gibt es nur spärlich. Vertiefte Erkenntnisse zur Transfusionspraxis bei Interventionen sowie in Intensivmedizin und Neonatologie erhofft man sich von der Beobachtungsstudie TRAPA bei Kindern ab Geburt und bis < 18 Jahre. Die 1365 Datensätze der Studie werden derzeit ausgewertet. Sie zeigen aber bereits, dass die Mehrzahl der Transfusionen im nicht-interventionellen Setting erfolgt. Davon abweichend sind allerdings die Ergebnisse bei Säuglingen, bei denen die Transfusionen überwiegend intra- und perioperativ stattfinden. Kleinkinder zwischen ein und 5 Jahren erhalten generell am häufigsten Blutprodukte.
Quelle:Session „Perioperative blood management“ im Rahmen der 69. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), Lausanne, Schweiz, 19.02.2025
Literatur:
(1) Blum LV et al.; BJS Open 2022;6(6):zrac128
(2) Baker RA, Merry AF. J Extra Corpor Technol 2012; 44:P38-41