JOURNAL ONKOLOGIE – Artikel
16. September 2020 Seite 1/4
Lebertransplantation bei Metastasen des kolorektalen Karzinoms
F. Rauchfuß,U. Settmacher, Klinik für Allgemein-, Viszeral- u. Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Jena, A. Königsrainer, S. Nadalin, Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral- u. Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen.
Einleitende Kasuistik Bei einer 59-jährigen Frau wird ein Karzinom des Colon sigmoideum diagnostiziert und mittels laparoskopischer Sigmaresektion behandelt. Bereits zum Zeitpunkt der Tumordiagnose wurden Lebermetastasen beschrieben; somit betrug die initiale Tumorformel nach der Sigmaresektion pT3 L1 V1 pN2a (5/18) cM1a(HEP). Es erfolgte eine Systemtherapie mit 10 Zyklen Panitumumab/FOLFIRI sowie eine selektive interne Radiotherapie (SIRT) des rechten Leberlappens, bei Hauptmetastasenlast in diesem Lappen. Es erfolgte daraufhin die Zuweisung aus dem auswärtigen Haus an das Transplantationszentrum zur Prüfung der Indikation zur Lebertransplantation unter Studienbedingungen. Im Rahmen der ersten Vorstellung wurde eine Positronenemissions-/Computertomographie (PET-CT) mit Nachweis einer hypermetabolen Raumforderung im Coecum durchgeführt, die nachfolgend mit einer Hemikolektomie rechts versorgt wurde. Hierbei stellte sich ein Adenom heraus, kein Anhalt für ein invasives Karzinom. Nach Prüfung der Transplantationskriterien wurde die Möglichkeit einer Lebertransplantation mit der Patientin und den Angehörigen besprochen und indiziert. Nach Komplettierung der Evaluierung der Patientin zur Lebertransplantation stellte sich der Sohn der Patientin als Spender des links-lateralen Leberlappens zur Verfügung. Die Spenderevaluierung erbrachte keine somatischen oder psychologischen Kontraindikationen. Somit konnte die Lebendspende erfolgen. Bei der ersten Operation erfolgte die Hemihepatektomie links und Transplantation der links-lateralen Segmente (II/III) des Sohnes der Patientin (Abb. 1A). Hierbei wurden ca. 200 ml Lebergewebe transplantiert. Nach einer Wartezeit von 16 Tagen und Nachweis einer exzellenten Transplantatfunktion erfolgte die Rest-Hepatektomie (Abb. 1B). Die Patientin konnte zeitnah in die Rehabilitation entlassen werden. Nach nunmehr 27 Monaten ist die Patientin tumorfrei. Das Transplantat weist aktuell ein Volumen von ca. 1.300 ml auf und zeigt keinerlei Funktionseinschränkungen.
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CRC sind eine der häufigsten Malignome in Deutschland, sowohl, was die Anzahl an Neuerkrankungen (2016: zweithäufigste Entität bei Frauen, dritthäufigste Entität bei Männern) als auch die Krebssterbefälle betrifft. Ungefähr die Hälfte aller CRC-Patienten hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Lebermetastasen entwickelt (synchrone Metastasierung) bzw. wird innerhalb der ersten 5 Jahre nach Diagnosestellung des Darmtumors Lebermetastasen entwickeln (metachrone Metastasierung) (1). Die Resektabilität der Lebermetastasen ist durchaus prognoserelevant: Patienten, deren Metastasen chirurgisch entfernt werden können, haben eine 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit (5-Jahres-OS) von ca. 50%, wohingegen Patienten bei nicht-resektablen Metastasen (determiniert u.a. durch Verteilung der Metastasen und des nach einer Resektion verbleibenden zu kleinen funktionellen Lebervolumens) und damit der Notwendigkeit einer dauerhaften Systemtherapie als Therapiealternative lediglich ein 5-Jahres-OS von ca. 10% haben (1, 2).
Trotz moderner Konditionierungsverfahren (Pfortaderembolisation; „Associating Liver Partition and Portal vein Ligation for Staged hepatectomy“ (ALPPS)-Verfahren) liegt die Rate an resektablen Befunden lediglich zwischen 20 und 30%. Zudem weisen auch Patienten nach einer ALPPS-basierten Trisektorektomie (d.h. mit einer hohen intrahepatischen Tumorlast) lediglich 5-Jahres-OS-Raten von ca. 22% auf (3).
Bereits in den 1990er-Jahren stellte sich die Frage, ob eine chirurgische Entfernung der Metastasenlast durch eine komplette Hepatektomie und nachfolgende Lebertransplantation das Überleben der Patienten verbessern könnte. Die größte Erfahrung in den 1990er Jahren wies die Gruppe um Prof. Dr. Ferdinand Mühlbacher in Wien auf, allerdings waren die Ergebnisse sehr schlecht (5-Jahres-OS: 12%) (4). Es ist zu vermuten, dass eine nicht optimale Patientenselektion Ursache für die schlechten Ergebnisse war. Daraufhin galt die Lebertransplantation bei kolorektalen Lebermetastasen lange Zeit als obsolet, insbesondere da die Lebertransplantation bei lebereigenen Tumoren deutlich bessere Ergebnisse erreichte und in der gesamten Welt ein zunehmender Organmangel zu verzeichnen war.
Erst durch bahnbrechende Ergebnisse der Arbeitsgruppe in Oslo rückte die Lebertransplantation bei nicht-resektablen Lebermetastasen des CRC langsam wieder in den Fokus der Transplantationsmedizin. In einer 2013 publizierten Serie von 21 lebertransplantierten Patienten konnte ein beeindruckendes 5-Jahres-OS von 60% beschrieben werden. Insgesamt wurden 25 Patienten auf die Warteliste aufgenommen, von denen bei 3 Patienten während der Exploration zur Transplantation Lymphknotenmetastasen im Ligamentum hepatoduodenale sowie bei einem Patienten ein Tumorprogress im Sinne von Lungenmetastasen während der Wartezeit festgestellt wurden und somit diese 4 Patienten nicht transplantiert wurden. Die wesentlichen Einschlusskriterien waren eine vorangegangene radikale Entfernung des Primarius, ein guter Patientenzustand und die Durchführung einer Chemotherapie für mind. 6 Wochen.
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