JOURNAL ONKOLOGIE – Artikel
25. Januar 2021 Braess: ASH 2020 Highlight – „Wirklich ZNS-Prophylaxe mit i.v. HDMTX bei hochmalignen Lymphomen?!“
Statement von Prof. Dr. med. Jan Braess, Chefarzt, Klinik für Onkologie und Hämatologie, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Regensburg.

Das Risiko für ein ZNS-Rezidiv liegt bei jungen Niedrigrisiko-Patienten bei < 1% und steigt mit entsprechenden Risikofaktoren auf > 30%. Mit einem speziellen Score (ZNS-IPI) kann das Risiko für ein solches Auftreten erfasst werden. Mit einem Hochrisiko ZNS-IPI, der ca. 12% aller DLCL-Patienten umfasst, besteht ein Risiko für ein ZNS-Rezidiv von > 10%. In dieser Situation empfehlen internationale Leitlinien wie auch Onkopedia eine Therapie mit 3,5 g/m2 i.v. HDMTX („... Die erfolgversprechendsten Daten liegen für hochdosiertes Methotrexat vor (bei einer 6 R-CHOP-Zyklen umfassenden Behandlung z.B. je ein Methotrexat-Zyklus à 3,5 g/m² vor oder nach dem ersten und vierten R-CHOP-Zyklus)...“) (3).
In der Arbeit von Puckrin et al. wurden 906 Patienten aus Alberta, Kanada, mit DLCL in der Erstlinie untersucht, von denen 326 eine Hochrisiko-Konstellation für ein ZNS-Rezidiv boten. Bei 115 (35%) dieser Patienten wurde im Rahmen der Erstlinientherapie eine i.v. HDMTX Therapie durchgeführt (im Median 2 Zyklen), während die anderen 211 (65%) Patienten eine solche Prophylaxe trotz der Hochrisiko-Konstellation nicht bekamen. Die Gründe für diese Entscheidung gegen eine Prophylaxe waren zum Großteil nicht dokumentiert. Zwischen beiden Gruppen fand sich weder hinsichtlich des Auftretens von ZNS-Rezidiven (mit/ohne i.v. HDMTX) 11,2% vs. 12,2%, noch des progressionsfreien Überlebens (PFS: HR=1,06) noch des Gesamtüberlebens (OS: HR=1,12) ein Unterschied (1).
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Arbeit von Orellana-Noia et al. mit Daten aus den USA. Hier waren insgesamt 1.030 Patienten mit hochmalignen Lymphomen (75% DLCL, kein Burkitt) analysiert worden, die im Rahmen ihrer Erstlinientherapie alle eine Form der ZNS-Prophylaxe erhalten hatten. 20% der Patienten erhielten eine i.v. HDMTX-Therapie, 77% eine intrathekale Prophylaxe (Cave: Von letzterer ist schon in der Vergangenheit gezeigt worden, dass sie keinen Vorteil gegenüber keiner Therapie hinsichtlich der Verhinderung von ZNS-Rezidiven bietet!). Anhand der Risikocharakteristika der Patientengruppe konnte mittels des oben erwähnten ZNS-IPI eine erwartete Rate an ZNS-Rezidiven von 6,1% berechnet werden. Tatsächlich beobachtet wurde eine Rate von 5,5% für die Gesamtgruppe, bzw. eine Rate von 5,3% nach intrathekaler Therapie sowie von 7,1% nach i.v. HDMTX-Therapie (2). Auch hier ergab sich also keinerlei Hinweis auf einen protektiven Effekt der intensiveren i.v. HDMTX-Therapie.
Während beide Arbeiten keinen Hinweis für einen Nutzen einer i.v. HDMTX-Therapie belegten, konnte dagegen in beiden Analysen die prognostische Wertigkeit des ZNS-IPI und der hohe „clinical need“ für die Hochrisikogruppe bestätigt werden. In einer ASH Today Session zu diesen beiden Beiträgen diskutierten Peter Borchart, Köln, und Lorenz Trümper, Göttingen, ob (insbesondere bei jüngeren Patienten) möglicherweise eine noch genauere Eingrenzung der Hochrisikogruppe (FACS-Analyse im Liquor, MRT etc.) erfolgen sollte, die eine prophylaktische Therapie triggern könnte. Einigkeit bestand, dass insbesondere bei älteren Patienten mit 60+ Jahren die ungute Kombination von potenzieller MTX-Toxizität und dem jetzt nicht mehr belegbaren therapeutischen Nutzen dazu führen sollte, diese Therapie in dieser Indikation nicht mehr durchzuführen. Die deutschen Standards sollten daher zügig an die neue Datenlage angepasst und im klinischen Alltag zumindest bei 60+ Patienten die i.v. HDMTX-Therapie als ZNS-Prophylaxe vermieden werden.“
Literatur:
(1) Puckrin R et al. ASH 2020; Abstract 477.
(2) Orellana-Noia V et al. ASH 2020; Abstract 478.
(3) Onkopedia, DLCL, Stand Nov 2018, abgefragt 03.01.2021.
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