Eisenmangel bei onkologischen Patienten: Prävention, Diagnostik, Therapie
Die mangelhafte Eisenversorgung der Körperzellen, die zu Eisenmangel und Eisenmangelanämie führt, wird in der Hauptsache durch entleerte Eisenspeicher und eine reduzierte Eisenmobilisierung ausgelöst. Für entleerte Eisenspeicher sind
- (chronischer) Blutverlust (2-4, 6)
- Ernährungsdefizit (2, 3, 6)
- Resorptionsstörung (2-4, 6) und
- Therapie mit Erythopoese-stimulierenden Substanzen (ESA)
Die reduzierte Eisenmobilisierung resultiert aus:
- Therapie-induzierter Anämie (Myelosuppression) (2, 3, 5) und
- Tumor-induzierter Anämie (2-4, 6).
Bestimmung des Eisenstatus über 4 Laborparameter
Der Eisenstatus wird über die 4 Parameter Serum-Ferritin, Transferrin-Sättigung, C-reaktives Protein und den Hb-Wert bestimmt. Bei entleerten Eisenspeichern liegen diese Werte vor:
- Serum-Ferritin < 100 ng/ml
- Transferrin-Sättigung < 20%
- C-reaktives Protein < 5 mg/l
- Hb-Wert Frauen < 12 g/dl (7,5 mmol/l); Männer < 13 g/dl (8,1 mmol/l) (7).
- Serum-Ferritin > 100 ng/ml
- Transferrin-Sättigung < 20%
- C-reaktives Protein > 5 mg/l
- Hb-Wert Frauen < 12 g/dl (7,5 mmol/l); Männer < 13 g/dl (8,1 mmol/l) (7).
Einfluss auf Rezidivrisiko, Überlebenschancen und Lebensqualität
Der rechtzeitigen Diagnostik eines Eisenmangels bei onkologischen Patienten komme deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil zu niedrige Eisenwerte das Risiko für ein Rezidiv um das 4,1-Fache erhöhen (8), warnte Till. „Zudem sinken die Überlebensraten signifikant.“
Auch die Lebensqualität anämischer Patienten kann beeinflusst werden. Zu diesem Ergebnis gelangt eine prospektive Studie mit 179 anämischen Patienten mit Mamma-, Ovarial- oder Bronchialkarzinom oder Multiplem Myelom (9): Bei einem Hb < 9,8 g/dl waren körperliches Wohlbefinden, soziale Funktionsfähigkeit und psychisches Wohlbefinden deutlich schlechter als bei Patienten mit einem Hb > 11,6 g/dl (9). Außerdem geben 61% der Patienten an, unter Fatigue mehr zu leiden als unter Schmerzen (10).
„Hinzu kommt ein nicht unwesentlicher Einfluss auf die Therapiewirksamkeit aufgrund von Dosismodifikationen. Bei einer moderaten Anämie – Grad 2 – ist das Risiko für Dosiserniedrigungen oder -unterbrechungen um das 1,5-Fache erhöht, bei schwerer Anämie, also Grad 3-4, sogar um das 2,8-Fache“ (11), sagte Till.
Therapieoptionen
Till stellte mehrere Therapieoptionen, ihre Vorteile, aber auch ihre Grenzen vor:
Therapieoption | Vorteile / Grenzen |
Bluttransfusion | schnelle Korrektur der Anämie Notfallmedikation |
ESA ohne Eisen | 50-70% Therapieansprechen Reduktion des Transfusionsbedarfs Verbesserung der Lebensqualität erhöhtes Thromboserisiko |
orales Eisen | nur unter bestimmten klinischen Voraussetzungen anwendbar |
orales Eisen zusätzlich zu ESA | kein Zusatznutzen |
i.v. Eisen |
Korrektur der Anämie Korrektur des funktionellen Eisenmangels Reduktion von Bluttransfusionen |
i.v. Eisen zusätzlich zu ESA | Therapieansprechen bis zu 90% Korrektur des funktionellen Eisenmangels Reduktion von Transfusionen Reduktion der benötigten Menge an ESA Verbesserung der Lebensqualität |
Vitamine (B12, Folsäure) bei megaloblastärer Anämie unterstützend bei Eisenmangelanämien und Anämie der chronischen Erkrankungen |
Till wies zudem explizit auf die mit Transfusionen einhergehenden Risiken ein: „Es besteht ein erhöhtes Risiko für eine perioperative Mortalität und Morbidität. Vor allem pulmonale und thromboembolische Komplikationen treten gehäuft auf. Außerdem sind erhöhte Raten an Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Ereignissen zu verzeichnen, ebenso wie erhöhte Infektionsraten und Sepsis. Auch kommt es oft zu Wundkomplikationen, transfusionsassoziierter Volumenüberladung und zu einer verlängerten Liegedauer."
Empfehlungen
Till empfiehlt bei Vorliegen einer Unverträglichkeit oraler Eisenpräparate oder einer Eisenresorptionsstörung intravenöses Eisen zu substituieren. Tumorpatienten, und insbesondere diejenigen, die zur Korrektur einer tumor- oder chemotherapiebedingten Anämie erythropoesestimulierende Substanzen erhalten, sollten grundsätzlich intravenös substituiert werden.
Eisenmangel hat einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität, das erkrankungsfreie Überleben, Fatigue, die Rate an Bluttransfusionen und die postoperative Liegedauer.
„Insgesamt gilt also daher, die Therapie schon bei vorliegendem Eisenmangel, also frühzeitig zu starten und nicht erst auf Symptome zu warten“, schloss Till.
SM
Quelle: Digitales Symposium „Eisenmangel in der Onkologie: Wie gelingt der Transfer von der Theorie in die Praxis(routine)?“, 25.06.2020; Veranstalter: vifor
Literatur:
(1) Aapro M et al. Ann Oncol 2012; 23: 1954-62.
(2) Adamson JW et al. Hematology 2008; 159-65.
(3) Grotto HZW et al. Med Oncol 2008; 25:12-21.
(4) Weiss G et al. N Engl J Med 2005; 352: 1011-23.
(5) Birgegard G et al. Oncology 2005; 68 (Supll 1): 3-11.
(6) Hedenus M et al. Med Oncol 2009; 26(1): 105-15.
(7) Leitlinienprogramm Onkologie. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/supportive-therapie/
(8) Zhang Y et al. BMC Cnacer 2014; 14: 844.
(9) Lind M et al. Brit J Cancer 2002; 86: 1243-49.
(10) Vogelzang NJ et al. Seminars in Hematology. Vol. 34, No 3, Suppl 2 (July), 1997: pp 4-12.
(11) Family L et al. Support Care Cancer 2016; 24(10): 4263-4271.
Sie können folgenden Inhalt einem Kollegen empfehlen:
"Eisenmangel bei onkologischen Patienten: Prävention, Diagnostik, Therapie"
Bitte tragen Sie auch die Absenderdaten vollständig ein, damit Sie der Empfänger erkennen kann.
Die mit (*) gekennzeichneten Angaben müssen eingetragen werden!