JOURNAL ONKOLOGIE – Artikel
23. Februar 2021 Seite 1/2
Lungenkarzinom: Längere Überlebensdauer durch neue Therapieverfahren
Interview mit Dr. med. Sylvia Gütz, Chefärztin Innere Medizin, St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig.

Tabakkonsum ist nach wie vor der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs. Beim Mann sind nahezu 9 von 10, bei der Frau mindestens 6 von 10 Erkrankungen auf aktives Rauchen zurückzuführen. Auch Passivrauchen kann Lungenkrebs verursachen.
Andere Risikofaktoren spielen eine geringere Rolle wie beispielsweise kanzerogene Stoffe im beruflichen Umfeld (Asbest, Quarzstäube, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe). Diesel und Feinstaub könnten als Luftschadstoffe eine Rolle spielen.
Schaut man sich die Krebsregisterdaten an, sind immer noch mehr Männer als Frauen betroffen. Im Jahr 2016 erkrankten etwa 21.500 Frauen und 36.000 Männer daran. 16.481 Frauen und 29.324 Männer verstarben an dieser Erkrankung. Es gibt einen Trend, der auf die veränderten Rauchgewohnheiten zurückzuführen ist, der eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit beim weiblichen und eine Verringerung beim männlichen Geschlecht zeigt.
Mit ca. 40% ist das Adenokarzinom das häufigste nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC), auch bei nichtrauchenden Frauen – woran liegt das?
In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat es einen Wandel zugunsten des Adenokarzinoms und zur Abnahme der Zahl von Plattenepithelkarzinomen gegeben, der sicherlich mehrere Ursachen hat. Einerseits scheint es eine echte Zunahme von Adenokarzinomen gegeben zu haben. Andererseits hat die Immunhistochemie dazu beigetragen, dass anhand der Marker eine exaktere Zuordnung möglich ist, die früher allein lichtoptisch erfolgt war.
Das Adenokarzinom selbst liefert ein breites Spektrum unterschiedlich differenzierter Tumoren, die sich biologisch sehr divers verhalten und dementsprechend verschiedener Therapiestrategien bedürfen.
Bei Nicht- oder Nierauchern treffen wir häufiger sog. molekulare Treiber an, die sich mit einer gezielten Therapie zum Teil hervorragend über lange Zeiträume beeinflussen lassen. Bei Starkrauchern ist das eher die Ausnahme. Bei nichtrauchenden Frauen finden wir z.B. besonders häufig in bis zu 20% eine Mutation des EGF-Rezeptors, die den Tumor antreibt und sich gezielt blockieren lässt.
Wie unterscheidet sich die Diagnostik in den verschiedenen Stadien?
Zunächst gibt es gar keine so großen Unterschiede. Primär muss die in der Regel in der Bildgebung ausgesprochene Verdachtsdiagnose histologisch bestätigt werden. In Abhängigkeit von der Ausdehnung ergeben sich dafür verschiedene Möglichkeiten. Im nächsten Schritt erfolgen Untersuchungen, die es ermöglichen, das Stadium exakt festzulegen. Das ist nicht immer trivial. Insbesondere, wenn es um eine kurative Therapie geht, sind häufig mehrere Untersuchungsschritte notwendig, um beispielsweise einen Befall regionärer Lymphknoten sicher auszuschließen. Nicht immer liegt eine Metastasierung zweifelsfrei auf der Hand. Selbst in einem solchen Fall muss man heute unterscheiden, ob es sich um eine begrenzte, sog. Oligometastasierung oder ein diffuses Geschehen handelt, weil sich dadurch unterschiedliche Therapieentscheidungen ergeben würden.
Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich wahrscheinlich noch gesagt, dass weiterführende immunhistochemische Untersuchungen wie z.B. die Bestimmung des Anteils PD-L1-exprimierender Tumorzellen oder eine molekulare Diagnostik zur Detektion therapierbarer Mutationen bzw. Translokationen den metastasierten Stadien vorbehalten sind, um über die palliative Systemtherapie entscheiden zu können. Das wird aber nicht mehr lange Bestand haben. PD-L1 müssen wir heute schon routinemäßig im inoperablen Stadium III bestimmen. Künftig werden wir auch in den operablen Stadien danach suchen bzw. molekulare Testungen durchführen, um die adjuvante Therapie individueller zu gestalten, als es heute noch der Fall ist.
In welchem Stadium werden die Patienten in der Regel vorgestellt?
Es ist leider immer noch so, dass sich fast zwei Drittel der Patienten in einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Tumorstadium befinden, wenn sie zur Diagnostik vorgestellt werden. Obgleich sich die Therapie dafür in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, wäre es natürlich wünschenswert, einen deutlich größeren Anteil der Lungenkarzinome bereits in frühen Stadien zu entdecken. Dass dies möglich ist, zeigen die Ergebnisse großangelegter Studien zum Lungenkrebs-Screening mit der HR-CT (hochauflösende Computertomographie). Wir hoffen sehr, dass in absehbarer Zeit auch in Deutschland die behördlichen Hürden für eine flächendeckende Einführung der Methode für Risikogruppen genommen werden können.
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