Komplementärmedizin hält zunehmend Einzug in schulmedizinische Behandlungskonzepte
Integrative Medizin beim MammakarzinomIntegrativ statt alternativ
Auch für Dr. Daniela Paepke, München, stellen evidenzbasierte Schulmedizin und Komplementärmedizin keine Gegensätze dar. Integrative Medizin umschreibe das „Zusammenspiel von wissenschaftlicher evidenzbasierter Medizin und komplementärer, erfahrungsbezogener Medizin“. Zur integrativen Medizin gehören für Paepke neben Phytotherapeutika, Mikronährstoffen und Homöopathika auch Ernährungstherapie, Sporttherapie, Ordnungs-Entspannungs-Mind-Body-Therapien, äußere Anwendungen/Hydrotherapie, Psychoonkologie/spirituelle Begleitung sowie manuelle Therapien. Wichtig sei, dass die integrative Medizin von qualifizierten Ärzten und qualifiziertem Pflegepersonal mit Zusatzbezeichnungen praktiziert werde. Dabei sind aus Sicht der Patientinnen vor allem die Onkologen gefordert, denn diese sehen die Frauen besonders in der Pflicht, ihnen Verfahren der integrativen Onkologie anzubieten (Abb. 1).
Durch die integrative Medizin könne eine Verbesserung von Nebenwirkungen, der körperlichen Fitness, der Lebensqualität und möglicherweise der Prognose erreicht werden, während Therapieabbrüche reduziert und unseriöse alternative Therapieangebote seltener in Anspruch genommen würden, betonte Paepke. Über eine Stärkung ihrer Ressourcen könnten Patientinnen mit Mammakarzinom somit selbst zum Therapieerfolg beitragen und eine aktive Rolle bei der Behandlung ihrer Erkrankung übernehmen. Die Erwartungen und Wünsche der Patientinnen an die komplementäre und supportive Therapie sind dabei laut Paepka klar: Integrative Medizin soll das Immunsystem anregen, Nebenwirkungen vermindern, Stress reduzieren, die Lebensqualität verbessern und Schmerzen lindern. Eine interne Umfrage des interdisziplinären Brustzentrums München ergab, dass 58% der Patientinnen eine komplementäre Therapie begleitend zu ihrer Krebsbehandlung anwenden. 79% berichten über einen positiven Einfluss aus auf ihre Lebensqualität durch die Komplementärmedizin (3). Eine Befragung von 1.030 Patientinnen aus dem Jahr 2007 hatte ergeben, dass 48,7% (n=502) der Frauen komplementär-medizinische Verfahren anwendeten. Bei Anwenderinnen verschlechterte sich der Gesundheitszustand seltener als bei Nicht-Nutzerinnen (35,1% vs. 50,1%) (4). Der Einsatz komplementärer Verfahren führte auch zu einer leichten Verbesserung der familiären Bedingungen im Vergleich zu Nicht-Nutzerinnen (4). Die am häufigsten verordneten unkonventionellen Krebstherapien sind hierbei Mistel-Extrakte (52,5%), Vitamine (33,7%), Mineralien und Spuren-elemente (31,7%), Homöopathika (29,7%), Thymuspeptide (24,3%), diätetische Maßnahmen (21,8%) und Akupunktur (19,8%) (5). Nach Ansicht von Paepke sollten Ärzte ihren Patientinnen folgende Empfehlungen mit auf den Weg geben: „Bewegen Sie sich täglich, verzehren Sie gesunde, überwiegend pflanzliche Lebensmittel, führen Sie täglich Entspannungsübungen durch, praktizieren Sie eine achtsame Lebenshaltung, schlafen Sie nachts 7 bis 8 Stunden, achten Sie auf regelmäßige soziale Kontakte mit hoher positiver Bedeutung. Und: Nutzen Sie die komplementäre Medizin!“
Mistel-Therapie steigert die Lebensqualität
Die Mistel-Therapie ist die am besten untersuchte Phytotherapie und wird im Rahmen einer Komplementär- und Supportivtherapie ergänzend zur onkologischen Therapie verabreicht. Sie kann heute neben Operation, Medikamenten und Strahlentherapie als vierte Säule der onkologischen Therapie angesehen werden, sagte Dr. Steffen Wagner, Saarbrücken. Es lägen mittlerweile belastbare Daten vor, die eine Verbesserung der Lebensqualität für Tumorpatienten und eine Verminderung der Nebenwirkungen einer Anti-Tumortherapie zeigen, wie 2 systematische Reviews belegen (6, 7) (Tab. 1). Am häufigsten wurden Fatigue, Erschöpfung, Übelkeit, Erbrechen, Angst, Depressionen und Reizbarkeit gelindert sowie Schlaf, Appetit, Konzentration und Wohlbefinden verbessert (8). Gerade bei Patienten, die unter dem äußerst belastenden Tumor-assoziierten Fatigue-Syndrom leiden, könne die Mistel sinnvoll eingesetzt werden, betonte Wagner. Eine Verbesserung der Lebensqualität sei insbesondere bei Patientinnen mit Mammakarzinom (9) und Patienten mit Pankreaskarzinom (10) nachweisbar. Ein Einfluss auf das Überleben von Tumorpatienten und/oder Tumorremission ist dagegen weniger gut belegt (Tab. 1). Mistel-Extrakte enthalten eine Reihe von pharmakologisch aktiven Substanzen, von denen Mistel-Lektine und Viscotoxine am besten untersucht sind. Diese Substanzen töten in vitro Tumorzellen ab, stimulieren laut In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen Immunzellen und haben zudem antiangiogene Effekte (11). Auch eine Ausschüttung von Beta-Endorphin unter dem Einfluss von Mistel-Extrakt ist beschrieben (12). Das praktische Vorgehen bei der Anwendung eines Mistel-Präparats beschrieb Wagner folgendermaßen: „Man bespricht das Therapieziel, etwa die Lebensqualität zu verbessern, wählt die Mistelsorte aus – Apfel, Eiche, Kiefer –, findet die richtige Dosis in der Einleitungsphase, verabreicht Mistel in der Erhaltungsphase und plant eventuelle Therapiepausen ein.“ Die Mistel wird subkutan injiziert, wobei meist Serien (0, I, II) mit unterschiedlichen Konzentrationen in einer Packung zur Anwendung kommen. Wenn die Serie 0 gut vertragen wird, kann bis zum Erreichen der individuellen Reaktions-dosis des Patienten auf Serie I aufdosiert werden, später auf II. Lokalreaktionen der Haut geben dabei Aufschluss über die Verträglichkeit und darüber, ob die richtige Dosis gewählt wurde. Hautrötungen an der Injektionsstelle bis zu einem Durchmesser von 5 cm seien charakteristisch, bei größeren Lokalreaktionen solle die Dosis reduziert werden. Die Mistel-Therapie ist ein zugelassenes Standardverfahren, anthroposophische Mistel-Gesamt-extrakte werden von den Krankenkassen in der palliativen Tumortherapie erstattet. Für die adjuvante Tumor-behandlung sind Mistel-Präparate ebenfalls zugelassen, hier hängt die Erstattung von den individuellen Satzungsleistungen der Krankenkassen ab.
Zielparameter | n | Evidenz für Wirksamkeit |
Lebensqualität + unerwünschte Wirkungen der Chemotherapie |
16 | Vorhanden bei 14 von 16 |
Überlebenszeit/-rate | 13 | Vorhanden bei 6 von 13 |
Tumorremission | 7 | Vorhanden bei 2 von 7 |
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Dr. Claudia Schöllmann
Quelle: Symposium „Komplementäre und Supportive Therapien beim Mammakarzinom“ im Rahmen der 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie, 30.06.17, Berlin
Literatur:
(1) https://www.ago-online.de/de/infothek-fuer-aerzte/kommissionen/kommission-imed/; abgerufen 23.08.2017.
(2) Münstedt K et al. Breast Care (Basel). 2014 Dec;9(6):416-20. doi: 10.1159/000368428.
(3) Paepke D et al. 2013, persönliche Mitteilung Dr. Paepke.
(4) Fasching P et al. Support Care Cancer 2007;15(11):1277-84.
(5) Münstedt K et al. DMW125, 2000, 1222-6.
(6) Horneber M et al. Cochrane Database Syst Rev Apr 16(2)CD003297.
(7) Kienle GS et al. J Exp Clin Cancer Res 2009; 28:79.
(8) Kienle GS, Kiene H. Integr Cancer Ther 2010;9(2):142-57.
(9) Tröger W et al. Breast Cancer (Auckl) 2009;3:35-45.
(10) Tröger W et al. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(29-30):493-502.
(11) Schilcher H. Elsevier GmbH, Urban & Fischer, München, 5. Aufl. 2016.
(12) Heiny BM et al. Anticancer Res. 1994;14(3B):1339-42.
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