JOURNAL ONKOLOGIE – Artikel
15. Dezember 2020 Primär metastasiertes HR+, HER2-negatives Mammakarzinom: Blutender Primärtumor, ausgedehnte Fernmetastasierung und starker Remissionsdruck: Rasches Ansprechen auf Abemaciclib + Anastrozol
Vorgeschichte
22.03.2020: Eine 45-jährige Patientin wurde notfallmäßig in der Klinik vorstellig wegen starker Blutung eines im längsten Durchmesser ca. 15 cm großen, nach außen gewachsenen Mammatumors rechts. Sie berichtete von einer im Juni 2019 beginnenden Rötung der rechten Brust und einer seit Dezember 2019 nach außen wachsenden Geschwulst. Die Wunde hatte sie bisher selbständig mit Küchenpapier und Frischhaltefolie versorgt.23.03.2020: Nach einer Probeexzision des Mammatumors rechts erfolgte eine Portimplantation in die Vena subclavia sinistra. Da die Patientin stark anämisch war mit einem Hb von 2,5 mmol/l (4 g/dl), erhielt sie eine Transfusion mit insgesamt 8 EKs (Erythrozytenkonzentrate) und 2 FFP (gefrorenes Frischplasma). Staginguntersuchungen ergaben einen metastatischen Befall von Lunge, Leber, Knochen und Knochenmark. Im weiteren Verlauf kam es wiederholt zu starken Tumorblutungen und die Patientin erhielt eine Transfusion von insgesamt 4 weiteren EKs.
Diagnose
Primär metastasiertes exophytisches Mammakarzinom rechts. TNM: cT4d, cN1, M1 (Metastasierung ossär, im Knochenmark, hepatisch und pulmonal). Der Tumor war schlecht differenziert (G3), HR+ (ER 80%; PR 75%) und HER2-negativ. Ki-67 betrug 45%. Der Primärtumor war glykogenreich und wurde dem Expressionstyp Luminal B zugeordnet.Therapie und Verlauf
02.04.2020: Wegen des sehr hohen Remissionsdrucks hatte man sich im Tumorboard ursprünglich für eine Erstlinientherapie mit Carboplatin/nab-Paclitaxel/Bevacizumab und Denosumab entschieden sowie für eine primäre G-CSF-Prophylaxe mit pegyliertem Filgrastim. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die Patientin nicht chemotherapiefähig war.10.04.2020: Die Patientin musste wegen einer Neutropenie Grad 4 stationär aufgenommen werden. Sie hatte hohes Fieber (bis 39,8° C) und war septisch (Nachweis von Enterococcus faecalis in der Blutkultur). Sie erhielt Antibiotika nach Resistogramm und weitere 4 EKs. Das Tumorboard hielt die Patientin jetzt für nicht chemotherapiefähig und es fiel die Entscheidung für eine Therapieumstellung auf eine endokrine Kombinationstherapie mit Abemaciclib + Anastrozol.
17.04.2020: Beginn einer Therapie mit 2x 150 mg Abemaciclib* + 1 mg Anastrozol/Tag. Darunter besserte sich der Allgemeinzustand der Patientin sehr schnell und es kam zu einer Hb-Stabilisierung. Die Neutropenie ging auf Grad 1 zurück. Es kam zu einer Diarrhoe Grad 1, die sich mit Loperamid gut beherrschen ließ.
12.06.2020: Nach nur 2 Monaten Therapie mit 2x 150 mg Abemaciclib + 1 mg Anastrozol/Tag kam es zu einer fast kompletten Remission der Lebermetastasen und einem starken Rückgang der Pleura-/Lungenmetastasen (Abb. 1). Der Primärtumor in der rechten Brust bildete sich sehr deutlich zurück und nekrotisierte.
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20.08.2020: Es bestand noch ein kleines, blutendes Restulkus an der rechten Brust. Auf Wunsch der Patientin wurde eine Mastektomie durchgeführt. Bereits postoperativ wurde eine pathologische LWK3-Fraktur diagnostiziert, die mit einem Fixateur versorgt werden musste; eine lokale Bestrahlung ist geplant.
Dr. rer. nat. Anita Schweiger
Mit freundlicher Unterstützung der Lilly Deutschland GmbH
Experten-Kommentar

Simon, Torgau
„Empfohlener Standard in der palliativ orientierten Therapie des fortgeschrittenen HR+, HER2-negativen Mammakarzinoms ist eine endokrin-basierte Therapie. Wegen des hohen Remissionsdrucks hatte man sich im Tumorboard in diesem Fall entgegen der Leitlinienempfehlung zunächst für eine Chemotherapie entschieden. Diese führte jedoch bereits im ersten Zyklus zu schweren Nebenwirkungen: es kam zu schwerer Neutropenie und Sepsis, möglicherweise begünstigt durch den bereits deutlich reduzierten Allgemeinzustand der Patientin und die stark eingeschränkte Knochenmarkreserve bei Knochenmarkskarzinose. Mit der Umstellung auf Abemaciclib + Anastrozol wurde diesem Umstand Rechnung getragen.
Mit der Kombination eines CDK4/6-Inhibitors mit einem Aromatase-Inhibitor (AI) steht uns glücklicherweise eine hoch effektive und in der Regel gut verträgliche Therapie beim HR+, HER2-negativen Mammakarzinom zur Verfügung. In der MONARCH 3-Studie erreichten die Patientinnen mit fortgeschrittenem HR+, HER2-negativen Mammakarzinom ohne Vorbehandlung im Abemaciclib + AI-Arm ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 28,2 Monaten, während es in der Kontrollgruppe mit alleiniger endokriner Therapie 14,8 Monate waren (HR=0,54; 95%-KI: 0,418-0,698; p=0,000002) (1). Die Ansprechrate lag bei 61,0% (1) und damit oberhalb der Ansprechrate, die mit einer Chemotherapie in dieser Situation zu erreichen ist – bei einer vergleichbar schnellen Ansprechzeit. Eine Neutropenie wurde bei 44% der Patientinnen beobachtet, Neutropenie von Grad 3/4 nur bei 23,9% (1). Diese Daten waren ein wichtiges Argument für die Wahl dieses Medikamentes bei unserer Patientin.
Der weitere Verlauf bestätigte erfreulicherweise die Richtigkeit der Entscheidung. Die Neutropenie ging auf Grad 1 zurück, ohne dass erneut Infektionen aufgetreten sind. Auch der Hämoglobinwert stabilisierte sich ohne weitere Transfusionen – zum einen wahrscheinlich durch die wirksame Behandlung der Knochenmarkskarzinose und zum anderen durch die relative Schonung der Hämatopoese durch Abemaciclib.
Eine retrospektive Subgruppenanalyse, in der die gepoolten Daten von rund 1.000 Patienten aus MONARCH 2 und 3 ausgewertet wurden (2), weist darauf hin, dass auch Patientinnen mit prognostisch ungünstigen Charakteristika wie Lebermetastasen, negativem Progesteronrezeptorstatus oder aggressiven, wenig differenzierten Tumoren hinsichtlich des PFS von der Kombination aus Abemaciclib und endokriner Therapie profitieren. Der Grund dafür könnte die bei Abemaciclib mögliche kontinuierliche Dosierung* sein. Die dadurch ununterbrochene Tumorzellzyklushemmung ist möglicherweise gerade bei aggressiv wachsenden Tumoren von Bedeutung. Dies bestätigte sich bei dieser Patientin, die gleich mehrere Merkmale einer aggressiven Erkrankung wie viszerale Metastasen, hohes Grading und eine hohe Wachstumsfraktion aufwies. Innerhalb von nur 2 Monaten unter kontinuierlicher Therapie mit Abemaciclib und Anastrozol kam es zu einer sehr guten Rückbildung der Metastasen und des Primärtumors in der rechten Brust.
Fazit
Abemaciclib ist eine effektive Erstlinientherapie für Frauen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem HR+, HER2-negativen Brustkrebs, von der auch Patientinnen mit prognostisch ungünstigen Faktoren profitieren können. Zudem zeichnet sich der CDK4/6-Inhibitor durch ein in der Regel gut handhabbares Nebenwirkungsprofil aus."
Mit freundlicher Unterstützung der Lilly Deutschland GmbH
* Die empfohlene Dosis beträgt 150 mg 2x tgl. Verzenios® und sollte kontinuierlich eingenommen werden, sofern keine Krankheitsprogression oder inakzeptable Toxizität auftritt. Bestimmte Nebenwirkungen können eine Dosisunterbrechung und/oder -reduktion erforderlich machen. Weitere Informationen entnehmen Sie der Fachinformation (www.lilly-pharma.de/de/pdf/fachinformation/fachinformation_verzenios.pdf; aktueller Stand).
Literatur:
(1) Johnston S et al. NPJ Breast Cancer 2019; doi: 10.1038/s41523-018-0097-z.
(2) Di Leo A et al. NPJ Breast Cancer 2018; doi: 10.1038/s41523-018-0094-2.
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